„Erfolg fliegt einem nicht zu“
Sängerin Maite Kelly über die Tür zu ihrem Herzen, Frauen in der Kirche und Castingshows
Zwei Männer sind tabu im Interview zu Maite Kellys neuem Album „Hello!“– der geschasste „Deutschland sucht den Superstar“-Jurykollege Dieter Bohlen sowie Ex-Ehegatte Florent Raimond, der Vater von Kellys drei Töchtern Agnes (15), Josephine (13) und Solène (6), von dem sie sich 2017 nach rund zwölf Jahren Ehe trennte. Aber glücklicherweise bleiben ja noch genug andere Themen für die 41-Jährige, die sich in den vergangenen zehn Jahren eine beeindruckende Karriere als Schlagersängerin aufgebaut hat.
Maite Kelly, Sie haben drei Töchter im schulfähigen Alter. Wie läuft es mit dem Homeschooling?
Wenn‘s um Technik geht, bin ich eine Katastrophe. (lacht) Aber ich weiß immerhin jetzt, wie Zoom funktioniert, das haben meine Kinder mir beigebracht. Also mit der Kleinen klappt es gut, und die beiden Großen sind Gott sei Dank sehr selbstständig. Die sagen höchstens mal „Mama, geh‘ bitte, du machst alles nur noch schlimmer“. Meine Mädchen sind kleine Streberinnen – genau wie ich damals eine war.
Dabei wirkte die Kelly Family von außen doch immer wie ein liebenswert chaotischer HippieHaufen ...
Na ja, jeder hatte seine Aufgaben und ohne Disziplin wäre das alles nicht möglich gewesen. Als wir noch Straßenmusik gemacht haben, habe ich für uns alle gekocht, für 18 Leute. Und später, als wir in ganz Europa Konzerte spielten, war ich für die Kostüme verantwortlich, habe gebügelt und alles hingelegt. Zum Glück war ich eine harte Arbeiterin.
Dann ist das heute also ein Klacks für Sie?
Nein, ein Klacks ist es nie. Als Mutter von drei Kindern und mit meiner Arbeit muss ich wie jede andere Mama vorausschauend planen. Man muss sehr organisiert und pragmatisch sein in dieser Krise. Ich fange lieber zu früh an als zu spät. Meine Straßenkindheit war eine gute Schule für mein Leben heute.
Wie meinen Sie das?
Erfolg fliegt einem nicht zu. So eine Karriere, das bedeutet Unermüdlichkeit und Fleiß. Es gehört aber auch dazu, zu wissen, wie man seine Kräfte einteilen muss.
Ein Ergebnis Ihres Fleißes ist Ihr neues Album „Hello!“Musikalisch fällt auf, dass es nicht nach deutschem Schlager, sondern eher nach einer internationalen PopProduktion klingt.
Die Kompositionen und die Arrangements so hochwertig wie möglich zu machen, ist mir tatsächlich sehr wichtig. Ich mache zwar Schlager, aber der Ansporn ist es, für Qualitätslieder zu stehen. Das heißt, für Lieder, die einfach zugänglich sind und simpel wirken, die du aber auch nach dreitausendmaligem Hören noch gern hast.
Sie schreiben die Songtexte überwiegend selbst. Worauf achten Sie dabei besonders?
Jedes Album, das ich schreibe, ist eine Tür in meine Welt und in mein Herz. Meine Musik ist nicht effizienzgesteuert. „Hello!“ist ein Album der Gefühle, ein Album der Sehnsucht. Sie handeln von der Seele, der Sinnlichkeit und der Leidenschaft. Bei aller Leichtigkeit der Musik spürst du zwischen den Zeilen, wie sehr ich es möchte, dass die Zuhörer sich in diesen Songs selbst erkennen, dass sie tief in sich hineinhorchen und auch hineinschauen.
Wie kam es zur Sehnsucht als zentralem Thema des Albums?
Einfach, weil ich eine klare Ehrlichkeit wollte. Ich bin 41 Jahre alt und habe eine unglaubliche Gelassenheit in meinem Leben erreicht. Ich denke, ich bin mittlerweile erwachsen. Ich lasse den Gefühlen freien Lauf und stehe zu allen meinen Emotionen. Die Sehnsucht macht mir keine Angst. Im Gegenteil. Ich umarme sie als einen Teil von mir.
Sie haben eine positive und lebensbejahende Ausstrahlung. Wie wichtig ist es Ihnen, gerade in schwierigen Corona-Zeiten Hoffnung zu vermitteln?
Natürlich möchte ich die Menschen mit jedem meiner Lieder berühren. Aber dafür muss ich selbst ein berührter Mensch sein. Die Leute müssen mir auch glauben, wovon ich singe. Ich habe von Corona gelernt, wie stark ich bin, indem ich für andere stark bin. Je älter ich werde, desto besser wird mein Leben. Ich stehe in der Verantwortung als Mutter und als Unternehmerin. Eine andere Reife, eine andere Ernsthaftigkeit ist in mein Leben getreten. Dazu gehört auch ein Stück weit so eine „Der Glaube ist stärker als die Angst“-Devise. Nicht jeder muss mich verstehen, und umgekehrt behaupte ich nicht, selbst immer richtig zu liegen. Ich gebe mir somit auch die Freiheit, mit Nachsicht zu mir selbst durchs Leben zu gehen.
Wie zeigt sich Ihr neuer Mut künstlerisch?
Einen Song wie „Einfach Hello“hätte ich vor zehn Jahren nicht schreiben und auch nicht singen können. Aber jetzt bin ich 2019 eines Nachts aufgewacht und hatte diesen Refrain im Kopf. Und dann habe ich angefangen, all die Songtitel von Udo Jürgens bis Helene Fischer zu zitieren. Das ganze Lied ist für mich wie ein DreiMinuten-Lächeln. Und auch die Kids auf TikTok lieben den Song. Die gehen zu ihrer Oma, und die erzählt ihnen was von diesen Liedern und ihren Interpreten. So wird musikalische Kultur auch weitergeben.
Sie hängen also auf der bei Jugendlichen angesagten Tanz-undMusik-App TikTok rum?
Nee, da bin ich völlig raus. Meine Töchter sind bei uns die Expertinnen, was soziale Medien angeht. Ich bin da völlig verstaubt. Ich glaube ja immer noch, dass Facebook cool ist, und wenn es nach mir ginge, würden alle immer noch SMS schreiben.
Mal ein anderes Thema: Am Karfreitag haben Sie im Paderborner Dom zusammen mit Georg Austen, dem Generalsekretär des Bonifatiuswerks, eine Dialogpredigt gehalten. Sollten Frauen in der katholischen Kirche generell eine größere Rolle spielen?
Frauen spielen in der katholischen Kirche die größte Rolle. Ohne die vielen weiblichen Laien gäbe es die Kirche in dieser Form nicht. Wir sind die Säulen.
Aber halt nicht in Führungspositionen ...
Das wird sich schon von ganz alleine ergeben. Auch in anderen Bereichen hat es ja lange kaum weibliche Führungskräfte gegeben. Aber die Gesellschaft verändert sich. Ich stimme Ihnen jedoch nicht zu, es gibt in der Geschichte der katholischen Kirche Ordensgründerinnen sowie zahlreiche weibliche Heilige, die nicht genug zum Vorschein kamen.
Ich mache zwar Schlager, aber der Ansporn ist es, für Qualitätslieder zu stehen.
Ich gebe mir somit auch die Freiheit, mit Nachsicht zu mir selbst durchs Leben zu gehen.
Was macht für Sie Führung aus?
Eine gute Führungspersönlichkeit, egal welchen Geschlechts, schwächt den Einfluss der anderen nicht, sondern stärkt ihn. Ich bin bei uns im Team zwar die, bei der die Entscheidungen zusammenlaufen, aber bei uns haben alle eine wichtige Stimme. Gutes Führen bedeutet, anderen Räume und Freiheiten zu überlassen.
Zum Abschluss natürlich noch eine Frage zu DSDS: Sie saßen erstmals in der Jury des Formats. Hätten Sie als Teenager an einer solchen Castingshow teilgenommen, wenn Sie die Gelegenheit dazu gehabt hätten?
Ich glaube schon. Niemand hat etwas zu verlieren, schon gar nicht, wenn man jung ist. Und tatsächlich habe ich nach der Kelly Familie jahrelang an Castings teilgenommen, ich habe ja lange im Musicalbereich gearbeitet. Ich finde es nur wichtig, den jungen Menschen nichts vorzumachen. Showbusiness ist ein Knochenjob. Kelly Family war harte Arbeit, doch danach wurde es noch viel härter. Den Regisseuren, die mich kritisch und hart gefordert aber auch gefördert haben, bin ich heute dankbar.