Luxemburger Wort

Die Klimawende nimmt Form an

Pünktlich zu Joe Bidens Klimagipfe­l einigt sich die EU auf strengere CO2-Ziele – für Tilly Metz ist der Deal „unzureiche­nd“

- Von Diego Velazquez (Brüssel)

Die Europäisch­e Union kann aufatmen, denn das Ergebnis kommt pünktlich vor dem von US-Präsident Joe Biden organisier­ten globalen Klimagipfe­l, der ab heute per Videoschal­te stattfinde­t.

Unterhändl­er der EU-Staaten und des Europaparl­aments haben sich nämlich in der Nacht zum Mittwoch darauf geeinigt, dass der Ausstoß von Treibhausg­asen der Europäisch­en Union bis 2030 um mindestens 55 Prozent unter den Wert von 1990 gesenkt werden soll. Bisher galt ein Ziel von lediglich minus 40 Prozent.

Die Verschärfu­ng ist eine Etappe auf dem Weg, die EU bis 2050 klimaneutr­al zu machen. Dann sollen fast alle Treibhausg­ase vermieden oder gespeicher­t werden. Die EU kann demnach mit erledigten Hausaufgab­en am Klimagipfe­l teilnehmen: „Die Einigung stärkt unsere globale Position als führende Kraft bei der Bewältigun­g der Klimakrise“, erklärte EUKlimakom­missar Frans Timmermans. „Wenn sich die Staats- und Regierungs­chefs der Welt heute versammeln, wird die EU mit diesen positiven Nachrichte­n an den

Die EU will den Ausstoß von Treibhausg­asen bis 2030 um mindestens 55 Prozent unter den Wert von 1990 senken.

Tisch kommen, von denen wir hoffen, dass sie unsere internatio­nalen Partner inspiriere­n“. Die Fraktion der Europäisch­en Volksparte­i (EVP) im EU-Parlament sieht es ähnlich: „Die Einigung auf 55 Prozent Emissionsr­eduzierung bis 2030 ist ein historisch­er Erfolg für die EU. Wir begrüßen ausdrückli­ch, dass sich damit unser ambitionie­rter, aber noch realistisc­her Ansatz durchgeset­zt hat. Auch dieses Ziel bedeutet eine gewaltige Transforma­tion.“

EU-Grüne sind „enttäuscht“Doch sind in Brüssel lange nicht alle so begeistert. Tilly Metz, EU-Abgeordnet­e für Déi Gréng, ist beispielsw­eise „sehr enttäuscht“über den Ausgang der Verhandlun­gen: „Das nun vereinbart­e Ziel für 2030 wird nicht ausreichen, um die Erderwärmu­ng auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen und ist in keiner Weise mit dem Pariser Abkommen vereinbar“. „Vor allem in den Sektoren Verkehr und Tourismus brauchen wir eine komplette Umstellung und eine ehrgeizige Gesetzgebu­ng zur Reduzierun­g der Treibhausg­asemission­en, auch in der Luft- und Schifffahr­t“, sagt sie. „Die Entscheidu­ng zum EU-Klimageset­z wurde voreilig getroffen und wird die EU leider auf Bidens Klimagipfe­l nicht als Klimapioni­er dastehen lassen.“

Neben der Einigung zum EUKlimages­etz fiel gestern in Brüssel eine andere wegweisend­e Entscheidu­ng

für die Klimawende: Die EU-Kommission hat ihren Vorschlag zur sogenannte­n Taxonomie vorgelegt. Dadurch sollen Regeln geschaffen werden, um festzulege­n, welche Investitio­nen auf den Finanzmärk­ten als nachhaltig gelten und welche nicht. Brisant dabei ist, dass Investitio­nen in fossile Brennstoff­e wie Gas und die umstritten­e Atomenergi­e zunächst davon ausgeschlo­ssen sind – sie könnten aber zu einem späteren Zeitpunkt noch aufgenomme­n werden.

Diese Ambivalenz zeigt, wie kontrovers das Thema innerhalb der Europäisch­en Union ist. „Zu keinem anderen Thema habe ich so viele gegensätzl­iche Ansichten gesehen“, verriet EU-Handelskom­missar Valdis Dombrovski­s. Kohlenabhä­ngige EU-Länder wie Polen, Ungarn oder Rumänien setzen nämlich auf Gas, um ihre Emissionen zu reduzieren und möchten demnach nicht, dass das Kennzeichn­ungssystem sie benachteil­igt. Frankreich und die Tschechisc­he Republik drängen indes auf die Anerkennun­g der Atomkraft als „Übergangst­echnologie“– auch in der Taxonomie. Andere EUStaaten sind aber absolut dagegen.

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