Folgenschwerer Streit
Wegen drastischer Differenzen im Kader tritt Luxemburg bei der EM der Bogenschützen nicht als Mannschaft an
Vor nicht einmal zwei Jahren standen sie zu dritt auf dem Podium. Jeff Henckels sowie Pit und Joé Klein gewannen bei der Europameisterschaft im polnischen Legnica die Bronzemedaille. Es war einer der größten Erfolge in der Geschichte der Luxemburger Bogenschützen. Nun steht im türkischen Antalya erneut eine EM vor der Tür – doch die FLTA (Fédération luxembourgeoise de tir à l'arc) wird ohne sein erfolgreiches Recurve-Team antreten.
Die Gründe dafür haben wenig mit Leistung zu tun. Es brodelt im Kader – und das schon länger. „Wir wollen nicht riskieren, dass die sportliche Leistung darunter leidet, dass es Probleme zwischen den Athleten gibt“, erläutert Präsident Tun Schlechter die Entscheidung des Verbands. So werden ab morgen Henckels und Pit Klein im Einzel starten, Joé Klein bleibt zu Hause.
„Ich bin natürlich nicht froh darüber“, sagt der 21-Jährige. „Ich habe viel trainiert und war recht überrascht, als die Entscheidung getroffen wurde.“Der größte Faktor soll gewesen sein, dass Joé Klein, der sein Studium von Berlin nach Amsterdam verlagern wird, wenig bis gar nicht in Luxemburg mit dem Kader trainiert hat. Doch die Wurzel der Probleme liegt – ähnlich wie die erfolgreiche EM – rund zwei Jahre zurück.
Aus kleineren Vorkommnissen und Meinungsverschiedenheiten während der Turnierreisen entwickelten sich nach und nach waschechte Grabenkämpfe. Für eine fundierte Analyse, wer wem an welcher Stelle Unrecht getan hat, fehlt der genaue Einblick. Es war eine Phase, in der selbst der Verband zu den Befindlichkeiten seiner Athleten offenbar keinen Zugang hatte. „Ich kann die Situation immer noch nicht so richtig einschätzen“, sagt Schlechter, der erst seit Mitte April im Amt ist. „Die Gespräche zwischen uns und den Athleten laufen, aber jetzt müssen wir die Sportler auch dazu kriegen, selbst miteinander zu reden.“
Nach LW-Informationen gab es sowohl Konflikte zwischen den Lagern Klein und Henckels als auch zwischen den Cousins Joé und Pit. Schlechter spricht in letzterem Fall von einem „Konkurrenzkampf, der über das gesunde Maß hinaus“gegangen sei. Auch einzelne Verbandsmitglieder, die sich entweder auf der einen oder der anderen Seite positionierten, sollen mehr zur Spaltung als zur Lösung beigetragen haben. Die Rolle von Laurence Baldauff, die in jener Phase als Trainerin mittendrin war, ist unklar.
Weil sich die Unstimmigkeiten zwischen den Parteien nicht nur verfestigten, sondern sogar hochschaukelten, eskalierte der Streit irgendwann. Anwaltsschreiben wurden herumgeschickt, ein Beschwerdebrief, der für den Vorstand gedacht war, landete bei der Presse. Dass das COSL (Comité olympique et sportif luxembourgeois) nicht eingreift und die Schlichtung dem Verband überlässt, begründet der Technische Direktor Heinz Thews damit, dass das Team seit den Europaspielen in Minsk ohnehin nicht mehr finanziell gefördert wird. „Das Projekt Olympia für den Mannschaftswettbewerb wurde bereits im Herbst 2019 begraben“, sagt Thews. „Somit bleiben mit Jeff Henckels und Pit Klein zwei Kandidaten, auf die wir im Einzelwettbewerb setzen.“Thews unterstreicht, dass man nicht unbedingt gut befreundet sein müsse, um Seite an Seite gute Leistungen bringen zu können. „Die beiden sind schließlich Konkurrenten.“
Wenig Widerspruch kommt auch von Pit Klein. „Wir haben zwei Athleten, die nebeneinander Leistung bringen können“, erklärt der 24-Jährige. „Die Dinge, die passiert sind, sind passiert. Und auch wenn es Probleme gibt, haben wir es immer geschafft, auf dem Feld eine Mannschaft zu sein.“Trotzdem sei es „schade“, nach dem großen EM-Erfolg 2018 nicht noch einmal als Team antreten zu können.
Hoffnung auf WM
Die angekündigte, neue Konsequenz des Verbands gegenüber seinen Athleten soll nun nach und nach Früchte tragen. „Es geht leider nicht so schnell voran, wie wir es uns wünschen. Aber daran ist nicht nur der Verband schuld“, sagt Schlechter. „Irgendwo muss jeder, der dabei sein will, auch einen guten Willen zeigen. Wir hoffen, dass wir für die WM im September vielleicht wieder mit Joé planen können.“
Ob dies gelingt, ist in Anbetracht noch zu überbrückender Hindernisse zumindest fraglich. Joé Klein selbst zeigt sich im Hinblick auf die WM zwar hoffnungsvoll, sagt aber auch: „Ich werden dieses Jahr als Lektion für mich betrachten. Es war ein hartes Jahr, vor allem moralisch.“Cousin Pit ist sich sicher: „Die Mannschaft wird bestehen, wenn sich jeder an die Regeln hält.“
So werden Pit Klein und Henckels ab morgen in der Qualifikation als Einzelkämpfer vor die Scheiben treten. Die Chancen auf einen der vier begehrten Startplätze für die Olympischen Spiele in Tokio (23. Juli bis 8. August) sind gering. Die Form der beiden stimmt allerdings: Klein schoss Mitte April in Guatemala bis auf zwei Punkte an seine persönliche internationale Bestleistung heran, Henckels holte eine Woche zuvor in Antalya sogar Bronze. Ebenfalls dabei bei der EM sind Mariya Shkolna (Recurve), Gilles Seywert und Arnaud Hocevar (beide Compound). Nationaltrainer Luc Schuler wird die Gruppe begleiten – und Aufsicht führen.
„Ich hoffe für Pit und Jeff, dass sie weit kommen und dass sie einen Quotenplatz für Tokio erreichen“, sagt Joé Klein. Es scheint also, als seien die ersten kleinen Schritte in Richtung Versöhnung getan. Und vielleicht wird die luxemburgische Mannschaft der Bogenschützen in Zukunft wieder mehr für sportliche Schlagzeilen sorgen.