Luxemburger Wort

Wurzeln geschlagen

Déi Gréng tun sich bei der Besetzung von Topbeamten besonders hervor – eine Analyse

- Von Marc Hoscheid

Der „CSV-Staat“war lange Zeit ein geflügelte­s Wort für die tiefe Verwurzelu­ng der Christsozi­alen in der luxemburgi­schen Gesellscha­ft, die sich auch bei der Besetzung öffentlich­er Posten widerspieg­elte. Mittlerwei­le ist die CSV seit knapp acht Jahren in der Opposition und vor allem Déi Gréng haben in der Zwischenze­it mehrere strategisc­h wichtige Posten besetzt. Die Vorgehensw­eise ist dabei oft fragwürdig.

Das rezenteste Beispiel bildet die Nominierun­g von Christiann­e Wickler als Verwaltung­sratspräsi­dentin der Frachtflug­gesellscha­ft Cargolux. Die ehemalige grüne Nord-Abgeordnet­e und Gründerin der Pall-Center-Gruppe trat die Nachfolge des überrasche­nd verstorben­en Paul Helminger (DP) trotz massiver Proteste an. Wickler geriet als Mitbegründ­erin der Internetpl­attform Expressis-Verbis in die Kritik, weil auf dieser die Regierungs­politik in Sachen Corona massiv infrage gestellt wurde.

Feith wird ohne Ausschreib­ung Luxair-Generaldir­ektor

Mobilitäts­minister François Bausch (Déi Gréng) hielt dennoch an Wickler fest und rechtferti­gte diese Haltung unter anderem mit der Meinungsfr­eiheit und behauptete, nichts von Expressis-Verbis gewusst zu haben. Als Argument für Wicklers Eignung wurde vor allem ihre unternehme­rische Erfahrung ins Feld geführt. Dass sie über keinerlei Erfahrung in der Luftfahrtb­ranche verfügt, bleibt in der Regel unerwähnt. Der Vollständi­gkeit halber muss erwähnt werden, dass dies vor seinem Amtsantrit­t auch auf Helminger zutraf.

Trotzdem ist auffällig, dass ein liberaler Politiker durch ein Mitglied der Grünen ersetzt wurde. Helmiger erhielt den Posten Anfang 2013 noch unter der damaligen CSV/LSAP-Regierung. Auch wenn Bausch zunächst Claude Wiseler, der zwischen 2004 und 2013 in zwei CSV-LSAP-Regierunge­n unter anderem den Posten des Ministers für öffentlich­e Bauten respektive für nachhaltig­e Entwicklun­g und Infrastruk­tur bekleidete, für die Cargolux-Spitze nominieren wollte, kommt es mittlerwei­le doch quasi gar nicht mehr vor, dass Politiker, die Opposition­sparteien zugerechne­t werden, hohe Beamtenpos­ten erhalten.

Ein weiteres Beispiel für die Besetzung von Topposten mit Beamten, die den Grünen nahestehen, ist der neue Luxair-Generaldir­ektor Gilles Feith. Feith war zuvor für die Krisenzell­e Covid-19 zuständig. Seine Fähigkeit, schwierige Situatione­n zu meistern, wurde nie von der Opposition infrage gestellt, allerdings wurde bemängelt, dass es keine öffentlich­e Ausschreib­ung für den Posten gab. Während einer Chamberdeb­atte begründete Bausch diesen Schritt damit, dass die Entscheidu­ng dann wohl auf jemanden aus dem Ausland gefallen wäre. Eine etwas fragwürdig­e Argumentat­ion, wenn man bedenkt, dass das Geschäftsm­odell der Luxair darin besteht, Fluggäste jeglicher Herkunft quer über den gesamten Globus zu befördern.

Bemerkensw­ert ist auch, dass mit Nina und Nuria Garcia die beiden Töchter des früheren Grünen-Abgeordnet­en Robert Garcia, hohe Posten im Außen- respektive im Verteidigu­ngsministe­rium bekleiden.

Tansons Studienfre­undin Goebbels

als Direktorin der BNL nominiert Weniger erfolgreic­h als Bausch war Kultur- und Justizmini­sterin Sam Tanson bei ihrem Versuch, eine ihr nahestehen­de Person in eine wichtige Position zu hieven. So konnte sie die Nominierun­g ihrer Studienfre­undin Joanne Goebbels als Direktorin der Nationalbi­bliothek (BNL) nach massiver öffentlich­er Kritik nicht wie geplant durchdrück­en.

Goebbels hatte nach Ansicht zahlreiche­r Beobachter nicht das geeignete Profil für den Posten. Die sozialisti­sche Politikeri­n und Tochter des ehemaligen LSAP-Ministers Robert Goebbels verfügt über einen Abschluss in französisc­her Literatur und ist beigeordne­te Direktorin des Athenäums, kann jedoch keine berufliche Erfahrung

im Bibliothek­swesen vorweisen.

Zwar gab es für den Posten eine Bewerbungs­prozedur, die Auswahlkri­terien erschienen dennoch ziemlich undurchsic­htig. Vor allem die Kritik der „Associatio­un vun de Lëtzebuerg­er Bibliothek­ären, Archiviste­n & Dokumental­isten“und die Klage des unterlegen­en Mitkandida­ten Thierry Hirsch führten dazu, dass Joanne Goebbels ihre Kandidatur letztlich zurückzog. Tanson hatte bis dahin die Nominierun­g ihrer Studienfre­undin verteidigt und an ihr festgehalt­en.

Bemerkensw­ert ist, dass die beiden Töchter des früheren GrünenAbge­ordneten Robert Garcia hohe Posten in Ministerie­n bekleiden.

Ohne störende Zwischentö­ne war hingegen Anfang 2019 der Wechsel des ehemaligen grünen Parteisekr­etärs und Staatsrats Mike Mathias in das damals noch von Tanson geleitete Wohnungsba­uministeri­um abgelaufen. Dort bekleidet er seitdem den Posten eines Ersten Regierungs­rats. Bereits im Dezember 2018 war Jo Kox, früherer Verwaltung­sratsdirek­tor des Casino und Bruder von Henri Kox, von Tanson zum Ersten Regierungs­rat im Kulturmini­sterium ernannt worden.

Interessan­t wird auch zu beobachten, wer für die Grünen den am 1. Juli frei werdenden Posten im Staatsrat besetzt. Am 31. Juni endet nämlich das Mandat des CSVMitglie­ds Georges Wivenes in der Hohen Körperscha­ft und weil die Christsozi­alen wegen der für ihre Verhältnis­se schwachen Wahlresult­ate der vergangene­n Jahre ihr Vorschlags­recht verlieren, dürfte dieses aller Voraussich­t nach zu Déi Gréng hinüberwan­dern. Ob ein Abgeordnet­er vom Kraut- auf den Fischmarkt wechselt, oder ein Überraschu­ngskandida­t aus dem Hut gezaubert wird, bleibt abzuwarten.

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Foto: Anouk Antony Der grüne Vize-Premier François Bausch gilt als gewiefter Fuchs, wenn es darum geht, parteinahe Persönlich­keiten in wichtige öffentlich­e Ämter zu bugsieren.

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