Wurzeln geschlagen
Déi Gréng tun sich bei der Besetzung von Topbeamten besonders hervor – eine Analyse
Der „CSV-Staat“war lange Zeit ein geflügeltes Wort für die tiefe Verwurzelung der Christsozialen in der luxemburgischen Gesellschaft, die sich auch bei der Besetzung öffentlicher Posten widerspiegelte. Mittlerweile ist die CSV seit knapp acht Jahren in der Opposition und vor allem Déi Gréng haben in der Zwischenzeit mehrere strategisch wichtige Posten besetzt. Die Vorgehensweise ist dabei oft fragwürdig.
Das rezenteste Beispiel bildet die Nominierung von Christianne Wickler als Verwaltungsratspräsidentin der Frachtfluggesellschaft Cargolux. Die ehemalige grüne Nord-Abgeordnete und Gründerin der Pall-Center-Gruppe trat die Nachfolge des überraschend verstorbenen Paul Helminger (DP) trotz massiver Proteste an. Wickler geriet als Mitbegründerin der Internetplattform Expressis-Verbis in die Kritik, weil auf dieser die Regierungspolitik in Sachen Corona massiv infrage gestellt wurde.
Feith wird ohne Ausschreibung Luxair-Generaldirektor
Mobilitätsminister François Bausch (Déi Gréng) hielt dennoch an Wickler fest und rechtfertigte diese Haltung unter anderem mit der Meinungsfreiheit und behauptete, nichts von Expressis-Verbis gewusst zu haben. Als Argument für Wicklers Eignung wurde vor allem ihre unternehmerische Erfahrung ins Feld geführt. Dass sie über keinerlei Erfahrung in der Luftfahrtbranche verfügt, bleibt in der Regel unerwähnt. Der Vollständigkeit halber muss erwähnt werden, dass dies vor seinem Amtsantritt auch auf Helminger zutraf.
Trotzdem ist auffällig, dass ein liberaler Politiker durch ein Mitglied der Grünen ersetzt wurde. Helmiger erhielt den Posten Anfang 2013 noch unter der damaligen CSV/LSAP-Regierung. Auch wenn Bausch zunächst Claude Wiseler, der zwischen 2004 und 2013 in zwei CSV-LSAP-Regierungen unter anderem den Posten des Ministers für öffentliche Bauten respektive für nachhaltige Entwicklung und Infrastruktur bekleidete, für die Cargolux-Spitze nominieren wollte, kommt es mittlerweile doch quasi gar nicht mehr vor, dass Politiker, die Oppositionsparteien zugerechnet werden, hohe Beamtenposten erhalten.
Ein weiteres Beispiel für die Besetzung von Topposten mit Beamten, die den Grünen nahestehen, ist der neue Luxair-Generaldirektor Gilles Feith. Feith war zuvor für die Krisenzelle Covid-19 zuständig. Seine Fähigkeit, schwierige Situationen zu meistern, wurde nie von der Opposition infrage gestellt, allerdings wurde bemängelt, dass es keine öffentliche Ausschreibung für den Posten gab. Während einer Chamberdebatte begründete Bausch diesen Schritt damit, dass die Entscheidung dann wohl auf jemanden aus dem Ausland gefallen wäre. Eine etwas fragwürdige Argumentation, wenn man bedenkt, dass das Geschäftsmodell der Luxair darin besteht, Fluggäste jeglicher Herkunft quer über den gesamten Globus zu befördern.
Bemerkenswert ist auch, dass mit Nina und Nuria Garcia die beiden Töchter des früheren Grünen-Abgeordneten Robert Garcia, hohe Posten im Außen- respektive im Verteidigungsministerium bekleiden.
Tansons Studienfreundin Goebbels
als Direktorin der BNL nominiert Weniger erfolgreich als Bausch war Kultur- und Justizministerin Sam Tanson bei ihrem Versuch, eine ihr nahestehende Person in eine wichtige Position zu hieven. So konnte sie die Nominierung ihrer Studienfreundin Joanne Goebbels als Direktorin der Nationalbibliothek (BNL) nach massiver öffentlicher Kritik nicht wie geplant durchdrücken.
Goebbels hatte nach Ansicht zahlreicher Beobachter nicht das geeignete Profil für den Posten. Die sozialistische Politikerin und Tochter des ehemaligen LSAP-Ministers Robert Goebbels verfügt über einen Abschluss in französischer Literatur und ist beigeordnete Direktorin des Athenäums, kann jedoch keine berufliche Erfahrung
im Bibliothekswesen vorweisen.
Zwar gab es für den Posten eine Bewerbungsprozedur, die Auswahlkriterien erschienen dennoch ziemlich undurchsichtig. Vor allem die Kritik der „Associatioun vun de Lëtzebuerger Bibliothekären, Archivisten & Dokumentalisten“und die Klage des unterlegenen Mitkandidaten Thierry Hirsch führten dazu, dass Joanne Goebbels ihre Kandidatur letztlich zurückzog. Tanson hatte bis dahin die Nominierung ihrer Studienfreundin verteidigt und an ihr festgehalten.
Bemerkenswert ist, dass die beiden Töchter des früheren GrünenAbgeordneten Robert Garcia hohe Posten in Ministerien bekleiden.
Ohne störende Zwischentöne war hingegen Anfang 2019 der Wechsel des ehemaligen grünen Parteisekretärs und Staatsrats Mike Mathias in das damals noch von Tanson geleitete Wohnungsbauministerium abgelaufen. Dort bekleidet er seitdem den Posten eines Ersten Regierungsrats. Bereits im Dezember 2018 war Jo Kox, früherer Verwaltungsratsdirektor des Casino und Bruder von Henri Kox, von Tanson zum Ersten Regierungsrat im Kulturministerium ernannt worden.
Interessant wird auch zu beobachten, wer für die Grünen den am 1. Juli frei werdenden Posten im Staatsrat besetzt. Am 31. Juni endet nämlich das Mandat des CSVMitglieds Georges Wivenes in der Hohen Körperschaft und weil die Christsozialen wegen der für ihre Verhältnisse schwachen Wahlresultate der vergangenen Jahre ihr Vorschlagsrecht verlieren, dürfte dieses aller Voraussicht nach zu Déi Gréng hinüberwandern. Ob ein Abgeordneter vom Kraut- auf den Fischmarkt wechselt, oder ein Überraschungskandidat aus dem Hut gezaubert wird, bleibt abzuwarten.