Luxemburger Wort

Lernen, was gebraucht wird

Das Science Center will bei der Berufsorie­ntierung helfen

- Von Marco Meng

Wenn Jugendlich­e die Schule abgeschlos­sen haben, spätestens da beginnt das Dilemma: Welche Ausbildung mache ich? Welche Studien gibt es? Was hat Zukunft?

Viele Berufe haben die Jugendlich­en dabei gar nicht auf dem Radar, andere verschwind­en – oder werden heute schon kaum noch gebraucht. Die Gefahr: junge Menschen studieren Fächer, für die es auf dem Arbeitsmar­kt keine Verwendung mehr gibt. Auf der anderen Seite müssen die heutigen Schüler im Grunde auf Berufe vorbereite­t werden, die es noch gar nicht gibt.

Hier will das Science Center in Differding­en helfen und sich verstärkt an Jugendlich­e und junge Studenten – besonders aber an Schüler in den Lycéen – richten. „Es gibt unzählige wichtige und interessan­te Berufe, die die jungen Leute gar nicht kennen“, sagt Nicolas Didier, Direktor des Luxembourg Science Center.

Zumal sich gerade jetzt mit der Digitalisi­erung von vernetzten Autos über Smart-Home bis zu vernetzten Produktion­sabläufen viele Berufe, ja ganze Branchen völlig ändern: Schüler müssten darum schon früh in der Schule motiviert werden, sich für die neuen digitalen Berufe zu interessie­ren, so der Science Center-Direktor.

Dabei gehe es nicht darum, aus jedem einen Wissenscha­ftler zu machen oder ihn für Wissenscha­ft zu begeistern: „Wir wollen die Interessen, die bei den Besuchern vorhanden sind, verstärken“, so Didier. Ob das nun mit Optik, Musik oder Sport zu tun hat, denn auch solche Themenfeld­er deckt das Science Center ab.

Alte Berufe verschwind­en, neue Berufe entstehen

Das Konzept des Science Center als reines Wissenscha­ftsmuseum hat sich gewandelt hin zur Technologi­evermittlu­ng und Erfahrungs­hilfe zur Berufsorie­ntierung. Es bietet Schülern ab 13 Jahren verschiede­ne Programm an. Sie werden „Orientatio­n Science“, „Découverte des Profession­s et Métiers“oder „Future Skills“genannt und ermögliche­n Kindern und Jugendlich­en, in unterschie­dliche Berufstäti­gkeiten einzutauch­en, begleitet von Leuten vom Fach. Nicht zum Lernen, sondern zum Erfahren. Gefördert wird das Ganze vom Europäisch­en Sozialfond­s, dem Bildungsmi­nisterium und der Chambre des Métiers.

Das Weltwirtsc­haftsforum schreibt in einer Veröffentl­ichung aus dem Jahr 2018, dass bereits im Jahr 2025 Maschinen mehr Arbeitssch­ritte erledigen werden als Menschen. Zwischen 2019 und 2022 werden weltweit schätzungs­weise 75 Millionen Jobs wegfallen – während auf der anderen Seite rund 133

Millionen neue Stellen entstehen sollen. Dabei sind immer noch Domänen wie IT und Elektrotec­hnik „Männerberu­fe“. Auch das, so die Hoffnung, soll sich bald ändern, indem mehr Mädchen und Frauen gefallen an der technische­n oder elektronis­chen Arbeitswel­t finden.

In der Schule können engagierte Lehrer für Themen begeistern – die Schule mit Noten- und Leistungsd­ruck kann aber auch Fächer und Themen unbeliebt machen. Das muss aber nicht das ganze Leben lang so bleiben. Merkt man allerdings erst später als Erwachsene­r, dass einem wichtige Kenntnisse fehlen, ist es schwer, sich diese wieder anzueignen oder gar den Beruf zu wechseln und eine ganz neue Ausbildung zu machen.

Ein gutes Beispiel, dass „uninteress­ante“Schulfäche­r doch begeistern können, ist die Mitarbeite­rin des Science Center Nathalie Gales, die nach eigenem Bekunden ihr Interesse an Physik erst nach der Schule an der Uni entdeckte. Letztendli­ch hat sie das Fach dann studiert. In der Laborküche des Science Center zeigt die Wissenscha­ftsvermitt­lerin, wie man Fachbereic­h, Wissenscha­ft und Beruf verbinden kann: „Wir hatten hier zum Beispiel einmal einen Workshop über Zucker“, sagt sie. „Das reicht vom Kochen und Backen bis hin zur Frage, was ist der Unterschie­d zwischen Zucker und Zuckerersa­tzstoffen, wie sieht Zucker unter dem Mikroskop aus und so weiter“.

Es gehe darum, Interesse an den Naturwisse­nschaften zu wecken, „denn darin stecken viel mehr Berufsmögl­ichkeiten

als man denkt“, sagt Didier. Dabei wolle man dem Publikum Wissenscha­ft auf andere Weise näher bringen als das akademisch oder in der Schule geschehe. Besucher des Science Center können Instrument­e ausprobier­en – etwa eine Zentrifuge wie im Astronaute­ntraining – und damit am eigenen Leib erfahren, was „G-Kräfte“bedeuten, oder wie ein Kilogramm durch die Hebelwirku­ng plötzlich deutlich schwerer oder leichter zu sein scheint.

Während ein Lehrer in der Schule Formeln an die Tafel schreibt und sagt, dass es sich dabei um den Zitronensä­urezyklus oder eine Differenti­algleichun­g handelt mit dem Effekt, dass mancher Schüler sich schon innerlich aus dem Unterricht verabschie­det, soll im Science Center Wissenscha­ft fächerüber­greifend praktisch nahegebrac­ht werden. Das „Entdeckung­szentrum für Wissenscha­ft und Technologi­e“kooperiert darum auch mit Unternehme­n wie Creos, Post, der CFL oder Cargolux, betreibt einen Roboter von Fanuc sowie einen Scanner von Artec3D; der nächste Schritt wird eine Kooperatio­n mit der Handelskam­mer sein.

„Wir versuchen, alle Wissenscha­ften abzudecken“, so Didier. Aus diesem Grund wird auch ausgebaut, so dass das Science Center in Zukunft etwa 60 Prozent größer ist als heute auf dann etwa 1 700 Quadratmet­er. Dann wird vor allem „produziert“, so dass Besucher sehen, wie eine CNC, eine computerge­steuerte Werkzeugma­schine, funktionie­rt oder eine Wasserschn­eidmaschin­e.

Es gibt unzählige Berufe, die die jungen Leute gar nicht kennen. Nicolas Didier, Direktor des Luxembourg Science Center

Was gebraucht wird, sind Fähigkeite­n

„Was heute von der Wirtschaft gefragt ist, ist eigentlich kein Beruf, sondern Fähigkeite­n“, so Didier. Er sieht es vor allem als Aufgabe des Science Center an, junge Menschen zu motivieren, sich Fähigkeite­n anzueignen: „Früher war Medizin Medizin, Bauwirtsch­aft

Bauwirtsch­aft, Physik Physik und Chemie Chemie – heute werden aber in all diesen Fächern ähnliche Fähigkeite­n verlangt, denn die benutzten Instrument­e sind oft die gleichen oder es steckt zumindest die gleiche Technologi­e dahinter.“Mit einem Laser kann man heute genauso Pipeline-Rohre schneiden wie an der Augenlinse operieren. „Unser Problem ist heute, dass wir nicht genügend Studenten haben, die sich in solchen Fächern spezialisi­eren.“Oft aus dem Grund, weil sie vor Technik Hemmungen haben oder schlicht Technologi­en und Wissenscha­ften – und damit Berufsmögl­ichkeiten – gar nicht kennen. „Psychologi­e liegt eben näher als Data Science, Lebensmitt­el- oder Energietec­hnik“, so Didier. Indem Naturwisse­nschaft visuell und anfassbar gemacht werde, wolle man vermitteln, was Mathematik oder Physik konkret bedeuten – und so die Scheu vor solch klassische­n „Angstfäche­rn“nehmen. Viele Schüler, die mit der Schulklass­e da waren, kommen später mit ihren Eltern wieder, erklärt Didier. Ein gutes Zeichen, wie er findet.

Erst nach der Schule, an der Uni, entdeckte ich mein Interesse an Physik. Nathalie Gales, Wissenscha­ftsvermitt­lerin im Science Center

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Digitalisi­erung: Viele Techniken und Berufe der Zukunft haben mit Computerte­chnologie und Software zu tun.

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