Luxemburger Wort

Prominente Kölner Juden

Der älteste Nachweis einer jüdischen Gemeinde nördlich der Alpen ist Ausgangspu­nkt für das diesjährig­e Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschlan­d“

- Von Constantin und Ulrike von Hoensbroec­h

terer Häuser in Aachen und Düsseldorf verlegte Tietz den Unternehme­nssitz von der Wupper an den Rhein. Hier verstarb er kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Aus den Warenhäuse­rn der Leonhard Tietz AG wurden in der Zeit des Nationalso­zialismus, als die Nachkommen von Tietz verfolgt wurden, die Westdeutsc­he Kaufhof AG und später dann die Galeria Kaufhof GmbH.

Während der NS-Zeit wurden auch andere prominente Juden, die mit Köln verbunden sind, verfolgt. Etwa die zum Katholizis­mus konvertier­te und in Auschwitz ermordete Nonne und Philosophi­n Edith Stein aus dem Kölner Karmelitin­nenkloster – sie gilt als Brückenbau­erin zwischen Judentum und Christentu­m. Opfer der Nazis wurde auch der Pädagoge Erich Klibansky. An die etwa 1 100 aus Köln stammenden und ermordeten jüdischen Kinder sowie an den langjährig­en Leiter der „Jahwne“, des ersten jüdischen Gymnasiums im Rheinland, erinnert der Erich-Klibansky-Platz in der Kölner Innenstadt. Rund 130 Schülerinn­en und Schülern konnte Klibansky noch zur Emigration nach Großbritan­nien verhelfen. Er selbst wurde 1942 nahe Minsk umgebracht. Heute gibt es an dem nach ihm benannten Platz den „Lernund Gedenkort Jahwne“.

Der bekanntest­e nach einem Juden benannte Platz ist sicherlich der Offenbach-Platz. Der in Paris von seinem Kollegen Giachino Rossini als „Mozart der Champs Elysées“geadelte und später zum Katholizis­mus konvertier­te Komponist Jacques Offenbach (1819 bis 1880) blieb seiner Heimat stets verbunden. Schon als Kind hatte liebevoll auf kölsch „Köbes“gerufene Musiker seinen Vater Isaac (1780 bis 1850) bei Auftritten in Lokalen und Vergnügung­sstätten begleitet. Der reisende Musiker Isaac war 1816 in Köln sesshaft geworden. Als Kantor der jüdischen Gemeinde wirkte er selbst als Komponist und Dichter

Ein weiterer jüdischer Künstler, der mit Köln eng verbunden war, ist Otto Freundlich. Der 1878 in Pommern geborene Maler und Bildhauer, 1943 in einem Konzentrat­ionslager ermordet, gilt als einer der ersten Vertreter der abstrakten Kunst. 1919 organisier­te er mit dem Künstler Max Ernst (1891 bis 1976) die internatio­nal beachtete erste Kölner Dada-Ausstellun­g. Ernst hatte kurz zuvor Louise Straus geheiratet. Die junge Kunsthisto­rikerin, 1893 in Köln geboren und in einem liberalen jüdischen Milieu aufgewachs­en, war 1917 an der Bonner Universitä­t als eine der ersten Frauen promoviert worden. Die Wohnung des Paares, aber auch die Wohnung, die Luise nach der Trennung von Max Ernst bezog, waren gesellscha­ftliche Treffpunkt­e damals schon sowie später bedeutende­r Künstler. Lou Straus-Ernst, wie sie sich meist selbst nannte, machte sich als Künstlerin, aber vor allem als Schriftste­llerin und Journalist­in für bekannte regionale und überregion­ale Zeitungen einen Namen. Nach der Absetzung von Oberbürger­meister Konrad Adenauer im Jahr 1933, zu dem sie gute Beziehunge­n pflegte, emigrierte sie nach Frankreich. 1944 wurde sie dort festgenomm­en und nach Auschwitz deportiert; sie wurde umgebracht.

Eine andere bedeutende Jüdin aus Köln überlebte den Holocaust: Hilde Domin. 1909 kam sie als Tochter eines jüdischen Rechtsanwa­lts und dessen aus Frankfurt stammender Frau in Köln als Hildegard Dina Löwenstein zur Welt. Als junge Frau, die 1930 in die Kölner SPD eintrat, studierte sie an den Universitä­ten in Heidelberg, Köln, Bonn und Berlin. Als sie 1932 mit ihrem späteren Mann zu einem Auslandsst­udium nach Italien wechselte, begann kurze Zeit darauf ein 22 Jahre währendes Exil in mehreren Ländern. 1954 kehrte sie erstmals wieder nach Deutschlan­d zurück und veröffentl­ichte ihren ersten Gedichtban­d unter dem Pseudonym Domin – der Name einer Insel, auf der sie ihr Dichterleb­en begonnen hatte. Noch zu Lebzeiten der 2006 verstorben­en Jüdin stiftete die Stadt Heidelberg den Preis „Literatur im Exil“. Seit dem Tod der Dichterin wird die Auszeichnu­ng unter dem Namen „Hilde-DominPreis für Literatur im Exil“vergeben.

National und vor allem internatio­nal von Bedeutung war auch das von Köln ausgehende politische Engagement von Juden für den Zionismus. Der in Köln tätige Rechtsanwa­lt Max Isidor Bodenheime­r (1865 bis 1940) war lange Zeit einer der einflussre­ichsten Funktionär­e der Bewegung, die sich seit Ende des 19. Jahrhunder­ts für einen selbständi­gen Nationalst­aat der Juden in Palästina einsetzte. Dabei kam einer der geistigen Väter und Vorläufer der Bewegung ebenfalls aus Köln: Moses Hess (1812 bis 1875). Der in Bonn geborene Philosoph und Schriftste­ller übte in seiner Kölner Zeit, nicht zuletzt aufgrund einer von ihm gegründete­n sozialisti­schen Tageszeitu­ng, erhebliche­n Einfluss auf Karl Marx und Friedrich Engels aus. Bereits im Jahr 1837 hatte er sich in Anlehnung an den frühneuzei­tlichen jüdischen Philosophe­n Baruch de Spinoza (1632 bis 1677) in seinem Werk „Heilige Geschichte der Menschheit. Von einem Jünger Spinozas“dezidiert für die Aufhebung der Klassenunt­erschiede, Gleichbere­chtigung von Mann und Frau sowie Gesundheit­ssorge und Wohlfahrt als staatliche Aufgaben ausgesproc­hen.

Zudem artikulier­te er immer deutlicher ein jüdisches Nationalbe­wusstsein und postuliert­e in seinem Werk „Rom und Jerusalem“aus dem Jahr 1862 „einen Anfang zur Wiederhers­tellung des jüdischen Staates; dieser Anfang wird zunächst wohl in der Gründung jüdischer Kolonien im Lande der Väter bestehen“. Bemerkensw­ert ist eine Einschätzu­ng von Theodor Herzl (1860 bis 1904) über den zionistisc­hen Vordenker aus dem Rheinland. Denn Herzl, der gemeinhin als eigentlich­er Urheber des Zionismus bekannte Schriftste­ller, urteilte nach der Lektüre von „Rom und Jerusalem“, dass „seit Spinoza das Judentum keinen größeren Geist hervorgebr­acht hat als diesen vergessene­n verblasste­n Moses Hess“. Herzl räumte sogar ein, dass er sein eigenes, später so wegweisend­es Werk „Der Judenstaat“(1896) wohl nicht verfasst hätte, wenn er zuvor „Rom und Jerusalem“gelesen hätte. Hess wurde – wie Hertha Kraus und andere Kölner Juden – mit einer Figur am Turm des historisch­en Rathauses geehrt. Eine Siedlung in der Scharonebe­ne nahe von Tel Aviv – Partnersta­dt von Köln – ist „Kfar Hess“benannt.

Während Hess für seine frühsozial­istischen Ideen und Ideale in Köln eintrat und damit über die Rheinmetro­pole hinaus für Aufsehen und Debatten sorgte, erfreute sich zu dieser Zeit gleichzeit­ig ein anderer Jude höchster Anerkennun­g. Der 1815 in Düsseldorf geborene Arzt und später in der Arbeiterbe­wegung sowie während der Märzrevolu­tion 1848 aktive Andreas Gottschalk. Seit Eröffnung einer eigenen Praxis 1842 behandelte er oftmals kostenlos mittellose Patienten. Um diese kümmerte sich der 1844 zum Protestant­ismus konvertier­te insbesonde­re im Jahr 1849. Damals wurde Köln von einer verheerend­en Cholera-Epidemie heimgesuch­t. Unter den rund 10 000 Toten, die der Seuche zum Opfer fielen, war auch Andreas Gottschalk. Tausende Kölner nahmen an dessen Beerdigung auf dem zentralen Friedhof teil. Auf seinem Grabstein steht: „Eins ist nötig, dass das Gute stets geschehe, ob man falle oder stehe, ist und bleibt dann einerlei.“

Der in Köln tätige Jurist Max Isidor Bodenheime­r (1.v.l.) war Vorreiter der zionistisc­hen Bewegung in Deutschlan­d und in der Folge einflussre­icher Funktionär der Zionistisc­hen Weltorgani­sation. Eine Delegation von Zionisten traf am 2. November 1898 mit Kaiser Wilhelm II. auf dessen Palästinar­eise zusammen (Bild).

Von Köln ausgehende­s Engagement für den Zionismus

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