Bericht mit Lücken
Heute stellen Familienministerin Corinne Cahen (DP) und Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) die Schlussfolgerungen aus der „unabhängigen externen Studie zu den Covid-Clustern in Altersheimen“vor. Den gestern präsentierten Waringo-Bericht als solches zu bezeichnen, ist allerdings gewagt, denn mehr als eine Situationsbeschreibung ist er nicht und konnte er auch in der Frist von zwei Monaten und angesichts der mangelhaften Datenlage nicht sein: 64 jeweils 200 bis 300 Seiten starke Berichte wurden von den Heimdirektionen eingereicht, die Bewohner und das Personal kommen gar nicht zu Wort und nur elf Heime konnten besichtigt und dort Gespräche geführt werden.
Die Regierung trat die Flucht nach vorne an, als der politische Druck angesichts der Cluster in den Altersheimen im März zu hoch wurde und stimmte einer Untersuchung zu. Mit Jeannot Waringo konnte man sich auch auf eine Person einigen, die zwar kein unabhängiger Gesundheitsexperte ist, aber aufgrund ihrer Integrität zumindest auch für die Opposition akzeptabel war. Waringo legt durchaus auch den Finger in die politischen Wunden: unklare, teils widersprüchliche Empfehlungen und Richtlinien aus den Ministerien, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten, die nicht deutlich waren, kein zentraler Ansprechpartner bei Fragen, kein Krisenplan für die im Herbst zu erwartende zweite Welle, ja sogar quasi keine Empfehlungen mehr ab Juni bis Februar, eine um vier Wochen zu späte Reaktion der Regierung auf die zweite Welle und keine Impf- oder Testpflicht für Personal. Die Heime hätten „probiert, über die Runden zu kommen“, „sich durchgeschlagen“, sehr gute Arbeit geleistet, wurden aber im Regen stehen gelassen und zerrieben zwischen den Ansprüchen, Freiheiten zu lassen und die Gesundheit zu schützen, so der Tenor.
Eigentlich ein vernichtendes Urteil. Denn es sind genau diese Fragen, die die Regierung von Anfang an hätte klären müssen: Wer hat das Sagen in den Altersheimen, wie schützen wir die Vulnerabelsten, um ansonsten größtmögliche Freiheit bieten zu können? Denn dass das Alter der größte Risikofaktor in dieser Pandemie ist, war von Anfang an klar. Die dafür zuständige interministerielle Arbeitsgruppe kam aber lange nicht in die Gänge, bis ab September die Kommunikation ganz abbrach: Es ist ein offenes Geheimnis, dass Cahen nicht mit der populären Lenert kann und Bettel allzeit schützend vor seiner Kollegin steht.
Wenn man als Journalist dann noch auf Nachfragen, wie es um die Unterstützung aus dem Familienministerium stand, von Direktionen mit der Begründung keine Auskunft erhielt: „Niemand im Langzeitpflege-Sektor kann es sich leisten, sich mit dem Familienministerium anzulegen. Deshalb kann das Ministerium auch (fast) alles machen oder auch nicht machen, ohne ein negatives Echo von den Heimen zu befürchten“, dann weiß man, welche Lücken der Waringo-Bericht hat. Und wer hat ihm fälschlicherweise so eingehämmert, dass er auch nach mehrmaligem Nachfragen von Gilles Roth daran festhielt, nur das Gesundheits-, aber nicht das Familienministerium hätte eine gesetzliche Basis, verbindliche Regeln für Heime zu erlassen?
Die Bewohner und das Personal kommen nicht zu Wort.
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