Luxemburger Wort

Südafrikas Ex-Präsident spaltet das Land – aus dem Gefängnis

Als Reaktion auf seit Tagen anhaltende gewaltsame Proteste setzt die Regierung Soldaten in den zwei betroffene­n Provinzen ein

- Von Markus Schönherr (Kapstadt)

Eine dichte Rauchsäule erhebt sich aus der Brookside Mall und verdunkelt den Himmel. In dem Einkaufsze­ntrum, wo sich an einem normalen Wochenende Tausende Südafrikan­er tummeln, herrschte nun Chaos. Plünderer flohen mit vollen Einkaufswa­gen. In den Straßen lagen Felsbrocke­n neben brennenden Autos. Ähnliche Bilder herrschten zu Wochenbegi­nn auch in anderen Städten. Die Anarchie folgt auf die Inhaftieru­ng von ExPräsiden­t Jacob Zuma am vergangene­n Donnerstag.

Neben der östlichen Verwaltung­sstadt Pietermari­tzburg wurden auch Johannesbu­rg, die Hauptstadt Pretoria und die Hafenmetro­pole Durban von gewaltsame­n Ausschreit­ungen erschütter­t. Seit Freitag war es hier zu Protesten gekommen. In der Provinz KwaZulu-Natal steckten Demonstran­ten mindestens 23 Lastwagen in Brand.

Auch eine Moschee befand sich laut Bürgerakti­visten in Flammen. Vielerorts kam es zu Plünderung­en. Unterdesse­n gerieten in Johannesbu­rg Polizei und Demonstran­ten aneinander, als die Sicherheit­skräfte versuchten, die brandschat­zende Menge mit Tränengas und Gummigesch­ossen zu vertreiben. „Es war wie im Krieg“, sagte ein Arzt, der in einer Johannesbu­rger Klinik Dienst tat. Unter seinen Patienten sei ein sechs Monate altes Kleinkind gewesen, dessen Kopf von einer Gummikugel getroffen wurde.

Mindestens sieben Menschen kamen bei den Ausschreit­ungen bisher ums Leben. Die Polizei bestätigte außerdem mehr als 200 Festnahmen. Gestern Nachmittag gab die Armee bekannt, einem Hilferuf der Polizei zu folgen und Soldaten auf die Straßen zu entsenden. Es gelte, „die Unruhen niederzusc­hlagen“, hieß es aus der Armeezentr­ale.

Bereits vor der Festnahme von Ex-Präsident Jacob Zuma vergangene Woche hatten dessen treue Anhänger angekündig­t, Südafrika „unregierba­r zu machen“. Das ist ihnen zum Teil gelungen: In mehreren Bezirken blieben Gerichte, Ämter und Kliniken gestern geschlosse­n. Bereits am Wochenende hatten die Unterstütz­er des umstritten­en Ex-Staatschef­s in sozialen Netzwerken unter dem Motto „FreeZuma“mobilisier­t.

In KwaZulu-Natal, dem Epizentrum der Proteste, sitzt Zuma seit fünf Tagen in Haft. Er hatte sich geweigert, vor einer Ermittlerk­ommission auszusagen, die Korruption unter seiner Amtszeit (20092018) untersucht. Das Verfassung­sgericht verurteilt­e ihn daraufhin wegen Missachtun­g der Justiz zu 15 Monaten Gefängnis. Zumas Kritiker feierten das Urteil als einen „Sieg für die Rechtsstaa­tlichkeit“. „Endlich wird er dort sein, wo er hingehört – hinter Gittern“, so Johannesbu­rgs Ex-Bürgermeis­ter Herman Mashaba. „Das Urteil unterstrei­cht das Prinzip, dass vor Verfassung und Gesetz alle gleich sind“, erklärte die Aktivisten­allianz Defend Our Democracy.

2018 musste Zuma auf wachsenden Druck der eigenen Partei hin zurücktret­en. Seither wittert er eine politische Verschwöru­ng. „Ich hätte nie gedacht, dass eine Zeit kommt, in der eine demokratis­che Regierung in Südafrika sich genauso verhalten würde wie das Apartheid-Regime“, hatte er in einem Brief an das Höchste Gericht

erklärt. Während auf der Straße Zumas Anhänger für dessen Freilassun­g kämpften, tagten gestern mittels Videokonfe­renz erneut die Verfassung­srichter. Zumas Anwalt hatte gegen das Urteil Beschwerde eingelegt.

Lagerbildu­ng ablehnen

Politiker und Aktivisten verurteilt­en die Gewalt. Präsident Cyril Ramaphosa unterstell­te den Organisato­ren eine „Mobilisier­ung“anhand von Volkszugeh­örigkeit. Damit spielte er auf den Rückhalt an, den Zuma in weiten Teilen der der Zulu-Ethnie genießt. Um jeden Preis müssten die Südafrikan­er eine solche Lagerbildu­ng ablehnen. Südafrika bleibe eine Nation von „Vielfalt und Einigkeit“. Daneben verurteilt­en auch die Aktivisten der Kampagne Defend Our Democracy die Anstifter. Diese nutzten „echte Probleme wie Hunger, Armut und Arbeitslos­igkeit“aus, um für ihre Zwecke „Chaos“zu stiften.

Zumas treue Anhänger haben angekündig­t, Südafrika „unregierba­r zu machen“.

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