Südafrikas Ex-Präsident spaltet das Land – aus dem Gefängnis
Als Reaktion auf seit Tagen anhaltende gewaltsame Proteste setzt die Regierung Soldaten in den zwei betroffenen Provinzen ein
Eine dichte Rauchsäule erhebt sich aus der Brookside Mall und verdunkelt den Himmel. In dem Einkaufszentrum, wo sich an einem normalen Wochenende Tausende Südafrikaner tummeln, herrschte nun Chaos. Plünderer flohen mit vollen Einkaufswagen. In den Straßen lagen Felsbrocken neben brennenden Autos. Ähnliche Bilder herrschten zu Wochenbeginn auch in anderen Städten. Die Anarchie folgt auf die Inhaftierung von ExPräsident Jacob Zuma am vergangenen Donnerstag.
Neben der östlichen Verwaltungsstadt Pietermaritzburg wurden auch Johannesburg, die Hauptstadt Pretoria und die Hafenmetropole Durban von gewaltsamen Ausschreitungen erschüttert. Seit Freitag war es hier zu Protesten gekommen. In der Provinz KwaZulu-Natal steckten Demonstranten mindestens 23 Lastwagen in Brand.
Auch eine Moschee befand sich laut Bürgeraktivisten in Flammen. Vielerorts kam es zu Plünderungen. Unterdessen gerieten in Johannesburg Polizei und Demonstranten aneinander, als die Sicherheitskräfte versuchten, die brandschatzende Menge mit Tränengas und Gummigeschossen zu vertreiben. „Es war wie im Krieg“, sagte ein Arzt, der in einer Johannesburger Klinik Dienst tat. Unter seinen Patienten sei ein sechs Monate altes Kleinkind gewesen, dessen Kopf von einer Gummikugel getroffen wurde.
Mindestens sieben Menschen kamen bei den Ausschreitungen bisher ums Leben. Die Polizei bestätigte außerdem mehr als 200 Festnahmen. Gestern Nachmittag gab die Armee bekannt, einem Hilferuf der Polizei zu folgen und Soldaten auf die Straßen zu entsenden. Es gelte, „die Unruhen niederzuschlagen“, hieß es aus der Armeezentrale.
Bereits vor der Festnahme von Ex-Präsident Jacob Zuma vergangene Woche hatten dessen treue Anhänger angekündigt, Südafrika „unregierbar zu machen“. Das ist ihnen zum Teil gelungen: In mehreren Bezirken blieben Gerichte, Ämter und Kliniken gestern geschlossen. Bereits am Wochenende hatten die Unterstützer des umstrittenen Ex-Staatschefs in sozialen Netzwerken unter dem Motto „FreeZuma“mobilisiert.
In KwaZulu-Natal, dem Epizentrum der Proteste, sitzt Zuma seit fünf Tagen in Haft. Er hatte sich geweigert, vor einer Ermittlerkommission auszusagen, die Korruption unter seiner Amtszeit (20092018) untersucht. Das Verfassungsgericht verurteilte ihn daraufhin wegen Missachtung der Justiz zu 15 Monaten Gefängnis. Zumas Kritiker feierten das Urteil als einen „Sieg für die Rechtsstaatlichkeit“. „Endlich wird er dort sein, wo er hingehört – hinter Gittern“, so Johannesburgs Ex-Bürgermeister Herman Mashaba. „Das Urteil unterstreicht das Prinzip, dass vor Verfassung und Gesetz alle gleich sind“, erklärte die Aktivistenallianz Defend Our Democracy.
2018 musste Zuma auf wachsenden Druck der eigenen Partei hin zurücktreten. Seither wittert er eine politische Verschwörung. „Ich hätte nie gedacht, dass eine Zeit kommt, in der eine demokratische Regierung in Südafrika sich genauso verhalten würde wie das Apartheid-Regime“, hatte er in einem Brief an das Höchste Gericht
erklärt. Während auf der Straße Zumas Anhänger für dessen Freilassung kämpften, tagten gestern mittels Videokonferenz erneut die Verfassungsrichter. Zumas Anwalt hatte gegen das Urteil Beschwerde eingelegt.
Lagerbildung ablehnen
Politiker und Aktivisten verurteilten die Gewalt. Präsident Cyril Ramaphosa unterstellte den Organisatoren eine „Mobilisierung“anhand von Volkszugehörigkeit. Damit spielte er auf den Rückhalt an, den Zuma in weiten Teilen der der Zulu-Ethnie genießt. Um jeden Preis müssten die Südafrikaner eine solche Lagerbildung ablehnen. Südafrika bleibe eine Nation von „Vielfalt und Einigkeit“. Daneben verurteilten auch die Aktivisten der Kampagne Defend Our Democracy die Anstifter. Diese nutzten „echte Probleme wie Hunger, Armut und Arbeitslosigkeit“aus, um für ihre Zwecke „Chaos“zu stiften.
Zumas treue Anhänger haben angekündigt, Südafrika „unregierbar zu machen“.