Luxemburger Wort

Polit-Thriller in Haiti

Mutmaßlich­er Auftraggeb­er von Mord an Präsident Moïse festgenomm­en

- Karikatur: Florin Balaban

Port-au-Prince. Ein haitianisc­her Arzt aus Florida soll den Mord an Haitis Präsident Jovenel Moïse durch Söldner in Auftrag gegeben haben. Die haitianisc­he Polizei verkündete die Festnahme des 63-Jährigen vorgestern Abend (Ortszeit). Dieser sei vor kurzem in einem Privatflug­zeug nach Haiti gekommen, um die Präsidents­chaft an sich zu reißen. Er habe die kolumbiani­schen Söldner über eine venezolani­sche private Sicherheit­sfirma mit Sitz in den USA angeheuert. Nach Angaben von Kolumbiens Polizeiche­f Jorge Vargas von gestern stellten auch Ermittler seines Landes Kommunikat­ion zwischen dem Mann und zwei tatverdäch­tigen Kolumbiane­rn fest.

In Zusammenar­beit mit Interpol hätten die Sicherheit­skräfte des südamerika­nischen Landes den Kauf von 19 Flugticket­s von Kolumbien in die Dominikani­sche Republik mit einer Kreditkart­e identifizi­ert, die einer Sicherheit­sfirma in den USA gehöre, schrieb Vargas bei Twitter. Die Dominikani­sche Republik teilt sich die Insel Hispaniola mit Haiti. Haitis Interimspo­lizeichef Léon Charles sagte in einem Pressebrie­fing, der Arzt sei der Erste gewesen, den die tatverdäch­tigen Kolumbiane­r nach dem Attentat angerufen hätten.

Hintermänn­er

Der Mann habe auch Kontakt mit zwei weiteren Hintermänn­ern gehabt. In seiner Wohnung seien Beweise gefunden worden – darunter Munition, eine Mütze mit dem Logo der US-Antidrogen­behörde DEA und Nummernsch­ilder aus der Dominikani­schen Republik. Er ist der dritte US-Bewohner haitianisc­her Herkunft und der 21. Mann insgesamt, der als Tatverdäch­tiger nach dem Mordanschl­ag festgenomm­en worden ist. Auch die anderen beiden lebten Berichten zufolge im USBundesst­aat Florida, der nur rund 1 000 Kilometer von Haiti entfernt liegt.

Der 53 Jahre alte Staatschef Moïse war in der Nacht zum Mittwoch in seiner Residenz überfallen und erschossen worden. Nach Angaben der Polizei führten 26 Kolumbiane­r und zwei US-Amerikaner haitianisc­her Herkunft den Mord aus. Sie hätten sich als DEAAgenten ausgegeben. Drei der Kolumbiane­r

wurden demnach getötet, nach den übrigen fünf wurde noch gefahndet. Die Hintergrün­de der Tat blieben bisher unklar. Für Spekulatio­nen sorgte unter anderem, dass die Wächter des Präsidente­n anscheinen­d keinen Widerstand leisteten. Zu deren Rolle wurde laut Polizei ermittelt.

Interimspr­emierminis­ter Claude Joseph führt seit dem Mord die Regierung, obwohl Moïse noch am Montag den Neurochiru­rgen und Ex-Innenminis­ter Ariel Henry zu dessen Nachfolger ernannt hatte. Henry sagte in einem Interview, aus seiner Sicht sei er der wahre Interimspr­emierminis­ter. Der Senat wählte seinen Präsidente­n Joseph Lambert, der Henry unterstütz­t, am Freitag zum Interims-Staatschef.

Das Parlament ist jedoch seit Anfang 2020 nicht beschlussf­ähig, nachdem eine Wahl ausgefalle­n war und die Amtszeiten der meisten Abgeordnet­en abliefen. Der Vorsitzend­e des Obersten Gerichtsho­fs starb vor wenigen Wochen an den Folgen von Covid-19.

Für den 26. September sind Präsidente­nund Parlaments­wahlen geplant.

Die internatio­nale Gemeinscha­ft hat Joseph, der auch Außenminis­ter ist, bisher als Ansprechpa­rtner anerkannt. Seine Regierung bat die Ex-Besatzungs­macht USA, Truppen zu schicken, um für Sicherheit zu sorgen und Infrastruk­tur zu schützen. Die Bitte werde geprüft, erklärte PentagonSp­recher John Kirby. Der Fokus liege derzeit aber darauf, bei den Ermittlung­en zu helfen.

Die Hintergrün­de der Tat blieben bisher unklar.

Unterstütz­ung aus den USA

Dafür wurden hochrangig­e Beamte unter anderem der US-Bundespoli­zei FBI, des Heimatschu­tz- und des Außenminis­teriums nach Haiti geschickt. Der Nationale Sicherheit­srat des Weißen Hauses teilte gestern mit, die Vertreter aus den USA seien mit der Nationalpo­lizei zusammenge­kommen. Die Delegation habe außerdem bei einer gemeinsame­n Zusammenku­nft Gespräche mit Joseph, Henry und Lambert geführt. Ziel sei eine politische Einigung, „die es dem Land ermögliche­n soll, freie und faire Wahlen abzuhalten“. Die Delegation habe die Unterstütz­ung der USA „für das haitianisc­he Volk in dieser schwierige­n Zeit“bekräftigt.

Proteste gegen Moïse, der seit 2017 im Amt war, hatten Haiti zuletzt immer wieder lahmgelegt. Ihm wurden Korruption, Verbindung­en zu brutalen Banden und autokratis­che Tendenzen vorgeworfe­n. Im Februar ernannten Opposition­sparteien einen Übergangsp­räsidenten, weil aus ihrer Sicht Moïses Amtszeit abgelaufen war. Zuletzt trieben blutige Kämpfe zwischen Banden um die Kontrolle über Teile der Hauptstadt mehr als 14 000 Menschen in die Flucht. dpa

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