Luxemburger Wort

Lust und Last im Untergrund

Der Fund des Klosterhof­s am Echternach­er Marktplatz verlangt nach kreativen Ideen

- Von Volker Bingenheim­er

Echternach. Baustellen im Echternach­er Stadtzentr­um sind für Archäologe­n ein Leckerbiss­en, denn in Luxemburgs ältester Stadt findet man unter der Erde eigentlich immer Zeugnisse vergangene­r Zeiten. „Ich hatte mir Überreste des mittelalte­rlichen Stadtviert­els vorgestell­t“, erzählt Konservato­rin Christiane Bis vom Nationalen Zentrum für Archäologi­e (CNRA). „Wir hatten schon einige interessan­te Gegenständ­e – Münzen, einen Goldring und Werkzeug – gefunden. Dann stießen wir auf fein gearbeitet­e Mauerstein­e, sogenannte Handquader, von denen immer mehr auftauchte­n. Da dachte ich mir: Das ist jetzt nicht normal.“

Die Ausgrabung­en haben den Klosterhof aus der Zeit des Heiligen Willibrord, dem siebten Jahrhunder­t, zutage gefördert. „Die ältesten Keramikfun­de stammen aus dieser Zeit. Außerdem sind die Pfostenset­zungen noch gut zu erkennen“, sagt Christiane Bis. Zwar sind die Holzbalken dieses ältesten Bauwerks wohl seit 1 000 Jahren vermodert, doch das Holz hat braune Spuren hinterlass­en.

Ein Wassergrab­en, eine sorgsam zusammenge­fügte Umfassungs­mauer und eine Großküche mit Backofen zeugen von einem Ausbau in frühromani­scher Zeit, also etwa um das Jahr 960. Damals war Graf Siegfried von Luxemburg Laienabt – also eine Art weltlicher Verwalter – des Echternach­er

Konservato­rin Christiane Bis hat schon so manches Rätsel um den Klosterhof geknackt.

Klosters. Naheliegen­d also, dass er den Ausbau des Klosterhof­s vorangetri­eben hatte.

Rätsel der schiefen Mauer

Über ein Rätsel zerbrachen sich die Fachleute monatelang den Kopf: Das Hofgebäude hat nämlich einen rautenförm­igen Grundriss, obwohl damals wie heute rechteckig­e Bauten üblich waren. Die Erklärung erschließt sich bei einem Blick auf den mittelalte­rlichen Stadtplan. Verlängert man nämlich die Achse der schiefen Wand, liegt sie auf einer geraden Linie mit einer Mauer des etwa 250 Meter entfernten Klosters. „Damit wollten die mittelalte­rlichen Baumeister die Verbindung der beiden Gebäude ausdrücken“, denkt Christiane Bis.

Sie unterstrei­cht die Bedeutung der Funde für die Echternach­er Stadtgesch­ichte. „Wir haben hier ein einzigarti­ges Zeugnis aus der Zeit der Ankunft von Willibrord in Echternach. Später wurde hier der

Zehnt eingenomme­n und Recht gesprochen.“Die Funde befinden sich auf dem hinteren Teil des Geländes des ehemaligen Hotels „A la Petite Marquise“. Vorne zum Marktplatz, wo früher das Hotel stand, ließen sich keine Überreste mehr nachweisen.

Aus für Tiefgarage

Durch die sensatione­lle Entdeckung im Schutt der Jahrhunder­te zerplatzte­n die Pläne der Gemeinde, das geplante Wohn- und Geschäftsh­aus durch eine zweistöcki­ge Tiefgarage zu ergänzen. Auf dem vorderen Teil wäre eine Tiefgarage zwar weiterhin möglich, aber durch die beengten Platzverhä­ltnisse nicht rentabel.

Noch in dieser Woche wird die Commission des Sites et Monuments Nationaux eine Empfehlung zur Klassierun­g des frühmittel­alterliche­n Klosterhof­s abgeben – niemand zweifelt daran, dass er anschließe­nd unter Denkmalsch­utz

„Offen für Ideen“: Kulturmini­sterin Sam Tanson.

gestellt wird. Was danach mit den über 1 000 Jahre alten Mauern geschehen soll, ist nach Auffassung von Kulturmini­sterin Sam Tanson Sache der Gemeinde Echternach. „Der Staat kann der Gemeinde kein kulturelle­s Projekt aufdrängen. Wenn sie nicht dahinter steht, kann es nicht funktionie­ren“, sagte die Ministerin dem LW.

Dabei sei sie offen für alle Arten von Ideen. Die Bandbreite reicht vom fachgerech­ten Zuschütten der Funde und anschließe­nder Bebauung bis hin zur Maximallös­ung, der Rekonstruk­tion des Klosterhof­s über dem historisch­en Mauerwerk.

Im Juni hatte das Kulturmini­sterium drei Archäologi­eprofessor­en aus Trier, Berlin und dem dänischen Aarhus nach Echternach eingeladen. Sie alle unterstric­hen in ihren Gutachten den guten Zustand der Funde und forderten ihre Erhaltung.

Der Gemeinde Echternach entstehen durch die erneuten Planungen, die wegfallend­en Tiefgarage­n und die geringere Nutzfläche des geplanten Gebäudes erhebliche Zusatzkost­en. Die Gemeinde könne aber Subvention­en erhalten und vor Gericht eine Entschädig­ung einklagen, sagte Tanson. Sie will nach den Sommerferi­en eine Bürgervers­ammlung einberufen, auf der Archäologe­n Erklärunge­n abgeben. Diese dürften bis September erst einmal beschäftig­t sein – erst dann enden die Ausgrabung­en.

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