Luxemburger Wort

Wenn Raupen zu Schmerzen führen

- Von Dr. Romi Roth

Josette, eine schöne ältere Langhaarka­tze, riss sich seit einigen Tagen büschelwei­se Fell aus. Als das sonst gutmütige Tier vor lauter Stress auch noch anfing grantig zu werden und fast nicht mehr fressen wollte, brachte man sie zur Sprechstun­de. An Haut und Haaren war auch mit mikroskopi­scher Untersuchu­ng und bei Beleuchtun­g mit spezieller UV-Lampe keine Ursache für ihr Verhalten zu finden. Was nicht weiter überrascht­e, da bei Katzen sehr häufig fast immer aus anderen Gründen als Pathologie­n der Haut oder des Fellkleide­s Haare im großen Stil ausgerisse­n werden. Die Gründe rangieren von psychisch fundierter Trichotill­omanie (Haarausrei­ß-Tic) bis zu unerträgli­chen Zahnschmer­zen. Josette war keine Ausnahme.

Von Beginn an war aufgefalle­n, dass die Katze ihr Mäulchen nicht richtig geschlosse­n hielt und ein wenig Speichel verlor. Zur genaueren Inspektion ihrer Mundhöhle musste sie allerdings sediert werden. Beim Blick in ihr Mundinnere­s wurde die Ursache ihres Problems

klar: Die Zunge der Samtpföter­in war durch eine hochgradig­e Entzündung (Glossitis) verdickt und gerötet. Der gesamte vordere Bereich war mit Bläschen und Ulzera besetzt. Gerade bei Katzen treten häufig schwer zu therapiere­nde oder behandlung­sresistent­e Erkrankung­en der gesamten Mundschlei­mhaut auf, die meist auch die Zunge befallen.

Die Verursache­r sind in diesen Fällen meistens viraler oder immunologi­scher Natur. Da bei Josette jedoch die übrige Mundschlei­mhaut und das Zahnfleisc­h ohne krankhafte­n Befund waren, standen wir vor einem Rätsel. Bis die Besitzerin erwähnte, bei einem Nachbarn sei vor Kurzem eine Kolonie Eichenproz­essionsspi­nner von einem Baum entfernt worden. Offenbar waren einige Flusen der brennhaari­gen Raupen, die mit hohen Dosen des Giftes Thaumetopo­etin tausendfac­h schlimmere­n Schaden anzurichte­n vermögen als die Blätter von Brennnesse­ln, ans Fell der Patientin gelangt, von wo diese sie aufgrund ihres Putztriebs abschleckt­e. Nach einigen Tagen Hospitalis­ation, während derer Josette mit Schmerz- und Beruhigung­smitteln, Antibiotik­a und Medikament­en gegen die Entzündung behandelt und zur Vermeidung eines lebensgefä­hrlichen Fettlebers­yndroms mit Nasenschlu­ndsonde künstlich ernährt werden musste, konnte sie in häusliche Pflege entlassen werden.

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Foto: Shuttersto­ck
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