Bewährungsstrafe trotz Vergewaltigung
Der Täter wurde in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen, muss aber nicht in Haft
Die im Januar 2021 vor Gericht verhandelten Vorwürfe trugen sich in den Jahren 2014, 2015 und 2016 zu. Die vier Mädchen waren zum Zeitpunkt der Übergriffe Mitglied im Verein und keine 16 Jahre alt.
Der Täter wurde verurteilt wegen Verstoßes gegen Artikel 372 Absatz 3 (sexuelle Nötigung), Artikel 375 Absatz 2 (Vergewaltigung), Artikel 383 (Herstellen und Verbreiten von pornografischem Material, der Täter verschickte Nacktbilder von sich), Artikel 385 Absatz 2 (Angebot von sexuellen Handlungen an Minderjährige unter 16 Jahren). Der Täter hat auch gegen Artikel 377 Absatz 2 (sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen) verstoßen, was eine Strafverschärfung zur Folge haben kann.
Der Mann hat die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zugegeben, mit Ausnahme der Übergriffe gegen Liv. Vor Gericht sagte er, er könne sich an Handlungen mit ihr nicht erinnern. Vergewaltigung von Minderjährigen unter 16 Jahren wird laut Strafgesetzbuch mit zehn bis 15 Jahren Freiheitsentzug bestraft. Am 11. März 2021 erging das Urteil. Der Täter kam mit acht Jahren Gefängnis auf Bewährung und einer Geldstrafe davon.
Recht auf eine zweite Chance
Liv hatte ganz fest damit gerechnet, dass er ins Gefängnis muss. Doch ihre Anwältin erklärte ihr, in Luxemburg bekämen Sexualstraftäter in der Regel eine zweite Chance. Liv kann das nicht nachvollziehen. „Er hat mehrere Mädchen
mehrfach vergewaltigt und sexuell missbraucht. Das ist mehr als eine zweite Chance, die er bekommen hat.“
Livs ältere Schwester Zoé bezeichnet das Urteil als ungerecht, „wenn man in Betracht zieht, was sich da an Übergriffen angesammelt hat. Es wäre wichtig, den jungen Frauen nicht nur zu zeigen, dass man ihnen glaubt, sondern dass man sie unterstützt, indem man entscheidet, dass ein solcher Mensch in unserer Gesellschaft einige Jahre nichts zu suchen hat.“
Auch Livs Psychotherapeutin hadert mit dem Urteil. „Es trägt eine starke Botschaft in sich“, sagt sie. „Das Urteil sendet an die Gesellschaft das Signal: Es ist in Ordnung, junge Mädchen zu missbrauchen. Man kann das auch mit mehreren Mädchen machen. Mehrmals. Und mit Vorsatz. Trotzdem bekommt man nur eine Bewährungsstrafe. So kann keine Gerechtigkeit hergestellt werden.“
Letzten Endes aber sei es für die Opfer wichtig gewesen, dass es zum Prozess gekommen ist, findet Zoé. Es erlaube ihnen, mit den Ereignissen abzuschließen. „Und es ist wichtig, vom Gericht zu hören, dass nicht die Opfer schuld sind, sondern der Täter. Und die Botschaft zu bekommen: Wir kümmern uns als Staat darum – auch wenn das Urteil am Ende nicht das war, was wir erwartet haben. Wichtig ist: Es kam zu einem Urteil und er wurde schuldig gesprochen.“
Das Urteil ist rechtskräftig. Weder der Täter, noch die Staatsanwaltschaft haben dagegen Berufung eingelegt. Der Täter darf zeitlebens keiner Aktivität mit Minderjährigen mehr nachgehen. mig