„Startschuss für einen Systemwechsel“
Parlament verabschiedet Gesetz zum Pacte logement 2.0 mit Stimmen der Regierungsparteien
Sechs Jahre nach Beginn der Arbeiten am Gesetzentwurf wurde gestern der Pacte logement 2.0 verabschiedet. Der Pakt tritt retroaktiv zum 1. Januar 2021 in Kraft und läuft Ende 2032 aus, wie Berichterstatterin Semiray Ahmedova (Déi Gréng) erklärte. Mit dem Pacte logement soll das Angebot an erschwinglichen Wohnungen erhöht, brach liegendes Bauland und leer stehende Wohnungen mobilisiert und die Wohnqualität verbessert werden. Bei Bauprojekten muss künftig ein Teil der Wohnungen in öffentlichen Besitz übergehen, vorzugsweise an die Gemeinden. Sie müssen ein Programme d'action local logement (PAL) ausarbeiten, in dem steht, wie die Gemeinden sich entwickeln möchten, und werden von einem Wohnungsbauberater unterstützt.
Kritik am Wohnungsbaupakt 1
Der Pacte logement 2.0 ist der Nachfolger des ersten Wohnungsbaupakts aus dem Jahr 2008. Dieser habe seine Ziele nicht erreicht, erklärte die grüne Berichterstatterin. Nur 2,2 Prozent von insgesamt 380 Millionen Euro sind in den Bau von erschwinglichem Wohnraum geflossen, wie mehrere Sprecher hervorhoben. Das Gros der Gelder floss in den Bau von öffentlichen Infrastrukturen. Die erschwinglichen Wohnungen, die gebaut wurden, gingen mehrheitlich auf dem Privatmarkt verloren. „Der Wohnungsbaupakt war eher ein Infrastrukturpakt“, so François Benoy (Déi Gréng).
Der Pacte logement 2.0 ist dahingehend ein Paradigmenwechsel, als er jetzt prioritär den Bau von Wohnungen unterstützt. Neu ist, dass diese Wohnungen in öffentliche Hand übergehen und dort auch bleiben.
Bei Bauprojekten muss künftig ein Teil der Wohnungen beziehungsweise des Grundstücks „kostenlos“an die Gemeinden abgetreten werden. Im Gegenzug wird die Baudichte um zehn Prozent erhöht, damit für die Bauträger keine finanziellen Einbußen entstehen. Dieser Weg wurde gewählt, um die Gemeinden finanziell nicht zu belasten. „Die Gemeinden müssen nur noch für die Baukosten aufkommen“, sagte DP-Sprecher Max Hahn. Das erlaube ihnen, deutlich günstigere Wohnungen anzubieten. Zusätzlich trage die Entschädigung für die Bauträger (zehn Prozent mehr Baudichte) dazu bei, die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt zu entschärfen.
Bei Bauprojekten „Quartier existant“müssen mindestens zehn Prozent (zehn bis 25 Einheiten) beziehungsweise 15 Prozent (ab 25 Einheiten) abgetreten werden. Im Falle von Neuausweisungen müssen zehn Prozent (fünf bis neun Einheiten), 15 Prozent (zehn bis 25 Einheiten) oder 20 Prozent (mehr als 25 Einheiten) abgetreten werden.
Im ursprünglichen Text lagen die minimalen Prozentsätze bei 20 beziehungsweise 30 Prozent. Die Opposition (CSV, Déi Lénk, Piraten) kritisierte, dass die Regierung den Anteil heruntergesetzt hat. „Einerseits soll mehr erschwinglicher Wohnraum geschaffen werden, andererseits wird der Anteil reduziert. Das ist nicht zu verstehen“, sagte Marc Lies (CSV).
Zehn-Prozent-Regel
Er kritisierte die Zehn-Prozent-Regel, also die Erhöhung der Baudichte. Diese Regel schaffe Rechtsunsicherheit. Außerdem könne man die Gemeinden nicht dazu zwingen, die Baudichte zu erhöhen, und es sei nicht bei allen Bauprojekten (im Dorfkern zum Beispiel) möglich. „Die Umsetzung der Zehn-Prozent-Regel wird eine Katastrophe“, so Lies.
Innenministerin Taina Bofferding (LSAP) ließ die Kritik nicht gelten. Man habe das geprüft und festgestellt, dass die Erhöhung der Baudichte sich in den Teilbebauungsplänen (PAP) harmonisch umsetzen lasse und die PAG noch Spielraum für eine Erhöhung der Baudichte böten.
Positiv am Pacte logement 2.0 sei, dass die erschwinglichen Wohnungen in öffentlicher Hand bleiben, sagte Lies. Aber die Umsetzung sei holprig und nicht durchdacht. Insbesondere das Programme d'action local logement gehe mit einem erheblichen administrativen Aufwand einher und er habe den Eindruck, dass der Staat den Gemeinden nicht traue und sie kontrollieren wolle.
Wohnungsbauminister Henri Kox (Déi Gréng) räumte ein, dass der gesetzliche Rahmen enger sei. Das sei aber notwendig, „weil wir uns verbindliche Ziele setzen, die erreicht werden müssen“.
Privatinvestoren einbeziehen
Der Vorschlag der CSV, die Privatinvestoren in die Schaffung von erschwinglichem Wohnraum einzubeziehen, wurde von der LSAP unterstützt. Yves Cruchten schlug vor, den Gesetzesvorschlag der CSV im Wohnungsbauausschuss zu diskutieren. Weiter schlug Cruchten vor, einen nationalen Wohnungsbautisch einzuberufen, „mit allen Akteuren, um auszuloten, an welchen Stellschrauben gedreht werden muss, um schneller voranzukommen und Hürden aus dem Weg zu schaffen“.
ADR-Sprecher Roy Reding startete seine Rede mit einem Wakeup-Call. Die Wohnungskrise sei das Ergebnis blinden Wachstums. „Wir drehen im Hamsterrad. Jedes Jahr kommen über 10 000 neue Einwohner ins Land“, sagte Reding. Das Land komme nicht nur im Wohnungsbau, sondern auch mit dem Bau von Infrastrukturen nicht hinterher. „Es kann so nicht weitergehen“, so der ADR-Sprecher. Durch die Abgabe eines Teils des Baugrundstücks verliere das gesamte Bauprojekt an Wert – zum Nachteil der Promotoren, fand Reding.
„Promotoren gewinnen doppelt“Ganz anders die Meinung von Nathalie Oberweis (Déi Lénk) und Marc Goergen (Piraten), die fanden, dass die Promotoren die großen Gewinner seien. „Sie gewinnen doppelt“, sagte Goergen. „Was sie abgeben müssen, werden sie durch höhere Preise auf den restlichen Wohnungen kompensieren. Zusätzlich dürfen sie noch zehn Prozent mehr bauen.“Er warf der Regierung vor, vor der Promotoren-Lobby eingeknickt zu sein.
Nathalie Oberweis sprach sich gegen eine Erweiterung des Baurechts aus, weil das zu noch mehr Wohnungen auf dem bereits außer Kontrolle geratenen Wohnungsmarkt führe. Sie bemängelte, dass die Teilnahme am Wohnungsbaupakt freiwillig ist, und forderte unter anderem einen obligatorischen Pakt sowie 30 Prozent erschwingliche Wohnungen bei Bauprojekten ab zehn Einheiten.
„Dies ist der Startschuss für einen Systemwechsel“, sagte die Innenministerin. Ein Systemwechsel, der nun mit weiteren Instrumenten (Baulandvertrag, Remembrement ministériel) konsequent umgesetzt werde.