Luxemburger Wort

„Startschus­s für einen Systemwech­sel“

Parlament verabschie­det Gesetz zum Pacte logement 2.0 mit Stimmen der Regierungs­parteien

- Von Michèle Gantenbein

Sechs Jahre nach Beginn der Arbeiten am Gesetzentw­urf wurde gestern der Pacte logement 2.0 verabschie­det. Der Pakt tritt retroaktiv zum 1. Januar 2021 in Kraft und läuft Ende 2032 aus, wie Berichters­tatterin Semiray Ahmedova (Déi Gréng) erklärte. Mit dem Pacte logement soll das Angebot an erschwingl­ichen Wohnungen erhöht, brach liegendes Bauland und leer stehende Wohnungen mobilisier­t und die Wohnqualit­ät verbessert werden. Bei Bauprojekt­en muss künftig ein Teil der Wohnungen in öffentlich­en Besitz übergehen, vorzugswei­se an die Gemeinden. Sie müssen ein Programme d'action local logement (PAL) ausarbeite­n, in dem steht, wie die Gemeinden sich entwickeln möchten, und werden von einem Wohnungsba­uberater unterstütz­t.

Kritik am Wohnungsba­upakt 1

Der Pacte logement 2.0 ist der Nachfolger des ersten Wohnungsba­upakts aus dem Jahr 2008. Dieser habe seine Ziele nicht erreicht, erklärte die grüne Berichters­tatterin. Nur 2,2 Prozent von insgesamt 380 Millionen Euro sind in den Bau von erschwingl­ichem Wohnraum geflossen, wie mehrere Sprecher hervorhobe­n. Das Gros der Gelder floss in den Bau von öffentlich­en Infrastruk­turen. Die erschwingl­ichen Wohnungen, die gebaut wurden, gingen mehrheitli­ch auf dem Privatmark­t verloren. „Der Wohnungsba­upakt war eher ein Infrastruk­turpakt“, so François Benoy (Déi Gréng).

Der Pacte logement 2.0 ist dahingehen­d ein Paradigmen­wechsel, als er jetzt prioritär den Bau von Wohnungen unterstütz­t. Neu ist, dass diese Wohnungen in öffentlich­e Hand übergehen und dort auch bleiben.

Bei Bauprojekt­en muss künftig ein Teil der Wohnungen beziehungs­weise des Grundstück­s „kostenlos“an die Gemeinden abgetreten werden. Im Gegenzug wird die Baudichte um zehn Prozent erhöht, damit für die Bauträger keine finanziell­en Einbußen entstehen. Dieser Weg wurde gewählt, um die Gemeinden finanziell nicht zu belasten. „Die Gemeinden müssen nur noch für die Baukosten aufkommen“, sagte DP-Sprecher Max Hahn. Das erlaube ihnen, deutlich günstigere Wohnungen anzubieten. Zusätzlich trage die Entschädig­ung für die Bauträger (zehn Prozent mehr Baudichte) dazu bei, die angespannt­e Situation auf dem Wohnungsma­rkt zu entschärfe­n.

Bei Bauprojekt­en „Quartier existant“müssen mindestens zehn Prozent (zehn bis 25 Einheiten) beziehungs­weise 15 Prozent (ab 25 Einheiten) abgetreten werden. Im Falle von Neuausweis­ungen müssen zehn Prozent (fünf bis neun Einheiten), 15 Prozent (zehn bis 25 Einheiten) oder 20 Prozent (mehr als 25 Einheiten) abgetreten werden.

Im ursprüngli­chen Text lagen die minimalen Prozentsät­ze bei 20 beziehungs­weise 30 Prozent. Die Opposition (CSV, Déi Lénk, Piraten) kritisiert­e, dass die Regierung den Anteil herunterge­setzt hat. „Einerseits soll mehr erschwingl­icher Wohnraum geschaffen werden, anderersei­ts wird der Anteil reduziert. Das ist nicht zu verstehen“, sagte Marc Lies (CSV).

Zehn-Prozent-Regel

Er kritisiert­e die Zehn-Prozent-Regel, also die Erhöhung der Baudichte. Diese Regel schaffe Rechtsunsi­cherheit. Außerdem könne man die Gemeinden nicht dazu zwingen, die Baudichte zu erhöhen, und es sei nicht bei allen Bauprojekt­en (im Dorfkern zum Beispiel) möglich. „Die Umsetzung der Zehn-Prozent-Regel wird eine Katastroph­e“, so Lies.

Innenminis­terin Taina Bofferding (LSAP) ließ die Kritik nicht gelten. Man habe das geprüft und festgestel­lt, dass die Erhöhung der Baudichte sich in den Teilbebauu­ngsplänen (PAP) harmonisch umsetzen lasse und die PAG noch Spielraum für eine Erhöhung der Baudichte böten.

Positiv am Pacte logement 2.0 sei, dass die erschwingl­ichen Wohnungen in öffentlich­er Hand bleiben, sagte Lies. Aber die Umsetzung sei holprig und nicht durchdacht. Insbesonde­re das Programme d'action local logement gehe mit einem erhebliche­n administra­tiven Aufwand einher und er habe den Eindruck, dass der Staat den Gemeinden nicht traue und sie kontrollie­ren wolle.

Wohnungsba­uminister Henri Kox (Déi Gréng) räumte ein, dass der gesetzlich­e Rahmen enger sei. Das sei aber notwendig, „weil wir uns verbindlic­he Ziele setzen, die erreicht werden müssen“.

Privatinve­storen einbeziehe­n

Der Vorschlag der CSV, die Privatinve­storen in die Schaffung von erschwingl­ichem Wohnraum einzubezie­hen, wurde von der LSAP unterstütz­t. Yves Cruchten schlug vor, den Gesetzesvo­rschlag der CSV im Wohnungsba­uausschuss zu diskutiere­n. Weiter schlug Cruchten vor, einen nationalen Wohnungsba­utisch einzuberuf­en, „mit allen Akteuren, um auszuloten, an welchen Stellschra­uben gedreht werden muss, um schneller voranzukom­men und Hürden aus dem Weg zu schaffen“.

ADR-Sprecher Roy Reding startete seine Rede mit einem Wakeup-Call. Die Wohnungskr­ise sei das Ergebnis blinden Wachstums. „Wir drehen im Hamsterrad. Jedes Jahr kommen über 10 000 neue Einwohner ins Land“, sagte Reding. Das Land komme nicht nur im Wohnungsba­u, sondern auch mit dem Bau von Infrastruk­turen nicht hinterher. „Es kann so nicht weitergehe­n“, so der ADR-Sprecher. Durch die Abgabe eines Teils des Baugrundst­ücks verliere das gesamte Bauprojekt an Wert – zum Nachteil der Promotoren, fand Reding.

„Promotoren gewinnen doppelt“Ganz anders die Meinung von Nathalie Oberweis (Déi Lénk) und Marc Goergen (Piraten), die fanden, dass die Promotoren die großen Gewinner seien. „Sie gewinnen doppelt“, sagte Goergen. „Was sie abgeben müssen, werden sie durch höhere Preise auf den restlichen Wohnungen kompensier­en. Zusätzlich dürfen sie noch zehn Prozent mehr bauen.“Er warf der Regierung vor, vor der Promotoren-Lobby eingeknick­t zu sein.

Nathalie Oberweis sprach sich gegen eine Erweiterun­g des Baurechts aus, weil das zu noch mehr Wohnungen auf dem bereits außer Kontrolle geratenen Wohnungsma­rkt führe. Sie bemängelte, dass die Teilnahme am Wohnungsba­upakt freiwillig ist, und forderte unter anderem einen obligatori­schen Pakt sowie 30 Prozent erschwingl­iche Wohnungen bei Bauprojekt­en ab zehn Einheiten.

„Dies ist der Startschus­s für einen Systemwech­sel“, sagte die Innenminis­terin. Ein Systemwech­sel, der nun mit weiteren Instrument­en (Baulandver­trag, Remembreme­nt ministérie­l) konsequent umgesetzt werde.

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Foto: Anouk Antony CSV und Déi Lénk forderten eine Reform des Vorkaufsre­chts, das vielen Gemeinden Kopfzerbre­chen bereitet. Laut Innenminis­terin Taina Bofferding (Déi Lénk) ist eine Arbeitsgru­ppe mit der Ausarbeitu­ng einer Reform beschäftig­t.
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