Luxemburger Wort

In den Supermarkt nur mit Impfpass

Dutzende chinesisch­e Städte führen flächendec­kende Zugangsbes­chränkunge­n für nicht geimpfte Personen ein

- Von Fabian Kretschmer (Peking)

Seit Monaten bereits hat Chinas Impfkampag­ne massiv an Fahrt aufgenomme­n. Am Mittwoch vermeldete die nationale Gesundheit­skommissio­n, dass insgesamt 1,4 Milliarden Dosen an die Bevölkerun­g verabreich­t wurden. Täglich werde fast die Hälfte aller weltweiten Vakzine innerhalb der Volksrepub­lik injiziert. Und bislang haben die Behörden stets versichert, dass die Entscheidu­ng fürs Impfen auf freiwillig­er Basis erfolgt.

Doch mittlerwei­le wird der Druck auf Impfverwei­gerer immer stärker. Dutzende Städte in China haben nun flächendec­kende Zugangsbes­chränkunge­n für öffentlich­e Orte im urbanen Raum eingeführt. Diese sollen nur mehr für Geimpfte zugänglich sein. Ausgenomme­n von den ab Ende Juli geltenden Regelungen sind Minderjähr­ige und Personen, die sich aus medizinisc­hen Gründen nicht impfen lassen können.

Quarantäne­zentren in Guangdong Die Zugangsbes­chränkunge­n gelten demnach nicht nur für Krankenhäu­ser, Theater, Buchläden und Altersheim­e. Auch Supermärkt­e und Einkaufsze­ntren sollen nur mehr Geimpfte einlassen dürfen. Als Beweis gilt der sogenannte Gesundheit­scode, den jeder Chinese bereits seit vergangene­m Jahr im Alltag regelmäßig vorzeigen muss, etwa beim Reisen oder Einchecken in Hotels. Bislang haben Lokalregie­rungen in mindestens fünf Provinzen jene Maßnahmen angekündig­t – und schließen damit nicht geimpfte Personen de facto vom öffentlich­en Leben aus. Ob die Maßnahmen auch landesweit Schule machen werden, ist bislang noch nicht klar.

Das selbstgest­eckte Ziel der Behörden ist es, bis Jahresende mindestens 70 Prozent der Bevölkerun­g vollständi­g durchgeimp­ft zu haben. Doch auch dann wird die Staatsführ­ung auf absehbare Zeit die geschlosse­nen Grenzen und strengen Quarantäne­maßnahmen wohl nicht lockern. Im Gegenteil: Aufgrund der neuen Virus-Mutationen haben die Behörden angefangen, im südchinesi­schen Guangdong eigene Quarantäne­zentren zu errichten. Die bis zu dreiwöchig­e Isolations­zeit für Einreisend­e wird vermutlich schon bald nicht mehr in Hotels möglich sein, sondern in Einrichtun­gen fernab von Wohngegend­en.

Tatsächlic­h ist die Impfbereit­schaft in China eher moderat. Das hat vor allem mit dem epidemiolo­gischen Erfolg der Behörden zu tun: Die täglichen Infektions­zahlen liegen bei nahezu Null; nur alle paar Wochen flackert ein lokaler Infektions­strang auf, der jedoch bislang durch gezielte Lockdowns stets unter Kontrolle gebracht werden konnte. Der Anreiz, sich impfen zu lassen, ist aufgrund des geringen Infektions­risikos dementspre­chend weniger dringlich.

Vakzine weniger wirksam

Chinas Staatsführ­ung verfolgt weiterhin eine strikte „Zero Covid“Strategie, die es sich zum Ziel setzt, die eigenen Landesgren­zen möglichst vollständi­g virusfrei zu halten. Der Weg zur Herdenimmu­nität wird für China nicht nur aufgrund seiner Bevölkerun­g von 1,4 Milliarden Menschen ein weiter sein. Denn während in Europa die meisten Experten von einer Durchimpfu­ngsrate von 85 Prozent ausgehen, die für das Erreichen der Herdenimmu­nität notwendig ist, dürfte der Wert innerhalb der Volksrepub­lik höher liegen. Denn die heimischen Vakzine von Sinopharm und Sinovac sind im internatio­nalen Vergleich weniger wirksam – insbesonde­re in Bezug auf die Delta-Variante.

Dies geht nicht zuletzt aus den Entscheidu­ngen vieler Staaten hervor. Jüngst hat Thailand angekündig­t, dass es für sein Medizinper­sonal, das zuvor mit zwei Injektione­n eines chinesisch­en Vakzins geimpft wurde, nun eine dritte Injektion mit Biontech/Pfizer oder Astrazenec­a ausgibt. Eine ähnliche Maßnahme kündigten zuvor die Regierunge­n in Bahrain und Indonesien an. Zwischen Februar und Juni sind mindestens zehn indonesisc­he Ärzte gestorben, die zuvor zwei Sinovac-Injektione­n erhalten hatten.

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