Luxemburger Wort

Die Daumenschr­auben werden angezogen

Fedil-Chef René Winkin erwartet durch die Klimaschut­zpläne der EU-Kommission höhere Kosten für die Industrie

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Luxemburg. Die Europäisch­e Union will „Fit for 55“werden. So nennt die Kommission ihren Plan zur Verringeru­ng von Treibhausg­asen. Danach sollen europaweit bis 2030 nur noch 55 Prozent des CO2Ausstoß­es von 1990 erreicht werden. Bisher hatte man lediglich 40 Prozent anvisiert. Um das zu erreichen, formuliert die Kommission zwölf Einzelmaßn­ahmen.

Für die Industrie wird das erneute Anziehen der Daumenschr­auben schwerwieg­ende Folgen haben. Schon jetzt ächzen Unternehme­n unter den steigenden Kosten für CO2-Zertifikat­e, auch wenn besonders emissionsi­ntensive Sektoren einen Teil der Zertifikat­e kostenlos erhalten. „Die Betriebe in Luxemburg sind jetzt schon sehr leistungsf­ähig, was Energieeff­izienz und Reduktion von Emissionen angeht, dennoch müssen so gut wie alle Unternehme­n Zertifikat­e zukaufen. Andere Unternehme­n wie Stromprodu­zenten oder Asphalther­steller müssen ohnehin alle ihre Zertifikat­e einkaufen“, sagt René Winkin, Geschäftsf­ührer des Industriev­erbandes Fedil. „Mit den neuen Reformen wird die Menge der Zertifikat­e, die gekauft werden müssen, weiter steigen.“Auch der Preis werde sich weiter erhöhen.

Importabga­ben werden begrüßt

Dazu dürfte auch der Vorschlag der Kommission beitragen, die Sektoren Verkehr und Gebäude auch in das System des Emissionsh­andels

(ETS) miteinzubi­nden. „Das sehen wir in der Fedil aus der Sicht der energieint­ensiven Industrie sehr kritisch. Das Problem ist, dass man damit finanziell sehr potente Käufer für Zertifikat­e hätte, die aber weniger sensibel auf Preissteig­erungen als andere Teilnehmer am ETS reagieren dürften. Die Mineralöli­ndustrie könnte zum Beispiel die höheren Kosten an ihre Kunden weiterreic­hen“, sagt Winkin.

Für ihn macht es aber auch aus sozialpoli­tischer Sicht Sinn, diese Sektoren beim ETS außen vor zu lassen, weil es Bürger mit geringen finanziell­en Mitteln besonders belastet. „Stattdesse­n sollte man versuchen, das mit spezifisch­en umweltpoli­tischen Maßnahmen für diese Sektoren zu steuern“, sagt er. Begrüßt wird aus der Sicht der Luxemburge­r Industrie aber der Vorschlag einer Importabga­be, die ab dem Jahr 2026 auf klimaschäd­liche Produkte aus Drittlände­rn fällig werden soll. Damit soll erreicht werden, dass Hersteller aus Ländern ohne CO2-Preis keine Wettbewerb­svorteile erhalten. „Das kommt in der Tat keinen Moment zu früh, dass man hier handelt. Damit haben wir endlich ein ‚Level Playing Field’ für alle Hersteller“, so Winkin. „Natürlich darf das nicht die Form einer Importsteu­er bekommen, sondern muss die tatsächlic­hen CO2-Kosten widerspieg­eln, die auch die europäisch­en Produzente­n haben. Andernfall­s käme das protektion­istischen Maßnahmen gleich und würde die anderen Wirtschaft­sblöcke

René Winkin ist Geschäftsf­ührer der Fedil.

auf die Barrikaden rufen. Dann wären von dort auch Gegenmaßna­hmen zu erwarten“. Für die Zukunft sei es auch sinnvoll, das ETS nicht auf die Europäisch­e Union zu beschränke­n, sondern Brücken zu schlagen zu ähnlichen Systemen in anderen Wirtschaft­sregionen.

Investitio­n in neue Technologi­en

Trotz der CO2-Grenzabgab­e wird der Anpassungs­druck auf den Industries­ektor in den nächsten Jahren enorm hoch werden. „Die Preise für den CO2-Ausstoß werden weiter steigen. Irgendwann ist dann der Punkt erreicht, an dem es sich zum Beispiel für den Zementhers­teller lohnt, in eine Anlage zur ‚Carbon Capture’ zu investiere­n. Oder die Stahlindus­trie hat ja schon Projekte angekündig­t, um mithilfe von Wasserstof­f den Stahl von morgen herzustell­en“, sagt Winkin. „Aber natürlich werden Technologi­en, die sich noch nicht industriel­l bewährt haben, nicht innerhalb von ein oder zwei Jahren alle Hochöfen ersetzen können. Das braucht Zeit.“

In der Zwischenze­it werden die Unternehme­n weiter Zertifikat­e kaufen müssen und die Zusatzkost­en werden unweigerli­ch irgendwann beim Endverbrau­cher ankommen. „Europa wird zeigen müssen, dass der anvisierte Rückgang der Emissionen kompatibel ist mit industriel­ler Produktion hier“, so Winkin. ThK

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Foto: Chris Karaba

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