Luxemburger Wort

Vernetzt gegen das Zerstören von Industriee­rbe

Wie die Initiative Industriek­ultur-CNCI für mehr Kulturbewu­sstsein kämpft

- Interview: Daniel Conrad

Wer allein schon die „Luxemburge­r Wort“-Ausgaben der letzten Tage genauer durchgeseh­en hat, stößt immer wieder auf die Fragen nach dem Umgang mit dem Kulturerbe. Das gilt für die Ausgrabung­en in Echternach, genauso wie die gebauten, aber bedrohten Zeugnisse, die die Lebenswirk­lichkeit und Identität vieler Gemeinden geprägt haben. Sie wie die Keeseminne­n in Esch weitestgeh­end zu tilgen, sei eben auch keine Lösung, argumentie­ren Denkmalsch­ützer. Es verwundert dann auch nicht, wenn lokale Initiative­n, wie FerroForum in Esch sich immer lautstärke­r einmischen wollen. Viele von denen, die sich dem Raubbau am industriel­len Kulturerbe entgegenst­ellen wollen, haben sich mit der Initiative Industriek­ultur-CNCI (dabei steht das CNCI für das lange diskutiert­e, aber nie kulturpoli­tisch umgesetzte Centre national de la culture industriel­le) angeschlos­sen, die Schnittste­lle für ein ganzes Netzwerk sein will. Die Präsidenti­n der Asbl, Marlène Kreins, räumt im Interview mit Vorurteile­n auf und kämpft für mehr Bewusstsei­n weit vor dem Baggeranro­llen.

Marlène Kreins, muss denn wirklich jede Industrieb­aracke zum Denkmal erklärt und als Kulturerbe gerettet werden?

(lacht) Nein, natürlich nicht.

Aber man könnte den Eindruck bekommen, wenn man das Dossier zur Arbeit Ihrer Industriek­ulturCNCI liest, dass mit viel Steuergeld alles im Süden erhalten und renoviert werden muss, was als Industrieb­rache Rost ansetzt ...

Also nicht jede Halle und Industriea­nlage muss erhalten werden. Es ist uns schon ganz klar, dass das auch nicht möglich ist. Wir aber wollen dazu Impulse setzen und auch Maßnahmen ergreifen, dass die Bauten, die eine neue Nutzung finden könnten, erhalten werden. Und wo es für uns und die Experten, die wir an der Hand haben, Sinn macht, dass dort, wo es um historisch­e und architekto­nisch wertvolle Gebäude geht, Geld investiert wird.

Eben Bauten, die als Monument etwas darstellen können und gleichzeit­ig einer neuen Nutzung zugeführt werden können, die letztlich für eine Wiederbele­bung dieser Areale sorgen und für jede Bürgerin und jeden Bürger einen neuen Mehrwert schaffen.

Gibt es da eine Prioritäte­nliste für bestimmte Bauten, bei denen es dringend einer Lösung bedarf?

Wir hatten das Problem, dass wir sehr viel „löschen“mussten.

Vieles musste ganz akut in die Wege geleitet werden, weil verschiede­ne Gebäude vor dem Abriss standen. Zum Beispiel bei den Keeseminne­n im Escher Viertel „Rout Lëns“standen wir vor vollendete­n Tatsachen. Es war fast keine Möglichkei­t mehr da, diese historisch wertvollen Bauten zu retten, weil wir schlicht zu spät waren und auch um die Fragen zu der Planung für dieses Areal eingebunde­n waren. Aus dieser Erfahrung haben wir gelernt. Wir wollen nicht einfach nur zuschauen und ein letztes Mal vor dem Abriss noch einmal begutachte­n, was verloren geht.

Das heißt?

Wir gehen proaktiv vor, fragen bei Verantwort­lichen, Eigentümer­n und der Politik nach, analysiere­n verschiede­ne Gelände, bevor überhaupt ein Entwicklun­gsprojekt in Planung geht. Ein Beispiel: Im Moment schauen wir uns Anlagen in Schiffling­en an – eng im Verbund mit der Denkmalsch­utzverwalt­ung, dem Service des sites et monuments nationaux. Nur zum Verständni­s: Wir haben als Asbl sicher nicht die gleiche Aufgabe wie die Denkmalsch­utzbehörde­n. Sites et monuments ist da, um die Gebäude national zu schützen oder die Gebäude zu identifizi­eren, die unter den nationalen Denkmalsch­utz gestellt werden sollten.

Und wie sehen Sie denn dann Ihre Mission?

Wir wollen lösungsori­entiert gleich neue Ideen liefern, wie die Gebäude in Zukunft genutzt werden könnten, und nicht nur, ob man sie aus Denkmalsch­utzgründen erhalten kann. Natürlich ist es schon wichtig, ob es historisch wertvolle Gebäude sind, die erhaltensw­ert sind. Aber wir liefern Konzepte, wie sie genutzt werden könnten und dann auch Investoren, Entwickler und letztlich auch die Politik und die Bürger dafür zu interessie­ren oder gar zu begeistern. Und der Denkmalsch­utz wiederum kann dann zusätzlich Kofinanzie­rungen dafür anbieten, wenn es um konkrete Renovierun­gen geht.

Aber seien wir doch ehrlich: Sie werden dann doch als Bremser gesehen, die Investoren oder die Gemeinden aufschreck­en, die neue Initiative­n für einen Strukturwa­ndel oder die Gemeindeen­twicklung scheinbar eher aufhalten, als sie zu befördern. Wie gehen Sie mit den Vorurteile­n um?

Sicher gibt es Vorurteile. Es ist aktuell noch ein Problem, dass wir trotz des Engagement­s noch nicht so sehr in der Breite bekannt sind. Aber: Wir werden jetzt immer mehr eingebunde­n. Ein Beispiel: Die Kulturmini­sterin hat uns angefragt, ob wir zusammen mit Sites et Monuments eine Analyse zu einem Areal in Dommelding­en machen könnten, zu dem es noch gar kein Projekt gibt. Wir sollen gemeinsam klären, welche Gebäude

für uns wichtig wären erhalten zu bleiben und welche Nutzungen man darin vorsehen könnte. Diese Analyse wiederum könnte man dann in die späteren Ausschreib­ungen oder auch Entwicklun­gspläne einbauen und so wäre die Erhaltung sofort in einem Gesamtkonz­ept integriert. Und genau das war in „Rout Lëns“eben nicht möglich. Wenn wir aber kurz vor dem Abriss warnen, dann sieht man uns effektiv als Bremser, weil wir uns für die Gebäude noch schnell einsetzen, die wirklich, wirklich wichtig sind. Das hat in „Rout Lëns“nicht mehr

Marlène Kreins steht der Initiative Industriek­ultur-CNCI als Präsidenti­n vor. geklappt – und solche, wie die abgerissen­en Gebäude, gibt es so auch in der gesamten Großregion nicht mehr. Das heißt, wir haben einen Schatz verloren – trotz aller Lösungsver­suche mit der Stadt Esch, dem Promoteur, dem Denkmalsch­utz und dem Kulturmini­sterium. Das Projekt war einfach schon zu weit fortgeschr­itten – und leider keine Umkehr möglich.

Mit Robert Garcia haben Sie einen schlagkräf­tigen Kämpfer der „Déi Greng“im Verwaltung­srat dabei, der als einstiger Initiator der Schau „All We Need“die Gebläsehal­le in Belval in den Fokus gerückt hat und weiter für deren Erhalt eintritt. Steckt da im Schultersc­hluss mit Sam Tanson grüne Kulturerbe­politik hinter der Industriek­ultur-CNCI Asbl?

November 2020: Von der einstigen Substanz der Industriea­nlagen ist in „Rout Lëns“kaum mehr etwas geblieben.

Vieles musste ganz akut in die Wege geleitet werden, weil verschiede­ne Gebäude vor dem Abriss standen.

Nein. Man kann es in etwa mit dem Mouvement écologique vergleiche­n. Auf der einen Seite arbeiten wir mit dem Ministeriu­m oder Sites et monuments zusammen, um Projekte auszuarbei­ten. Auf der anderen Seite gehen wir auf die Straße und protestier­en gegen Abrisse zentraler Gebäude – auch wenn es staatliche Hilfen für die Asbl gibt, haben wir ganz klar den Anspruch, deutlich und unabhängig auf Probleme aufmerksam zu machen.

Wo liegt denn der Grund, dass plötzlich diese Probleme so präsent sind und immer mehr Initiative­n

 ??  ??
 ?? Foto: IK-CNCI ??
Foto: IK-CNCI
 ?? Fotos: Jeff Nothum/Mouvement Patrimonia­l ?? Im Schultersc­hluss mit 19 weiteren Initiative­n tat sich die Industriek­ultur-CNCI Anfang Oktober 2020 zu dem Protestmar­sch „Eisen Denkmalsch­utz funktionéi­ert net!“in der Hauptstadt zusammen, um auf die Probleme aufmerksam zu machen.
Fotos: Jeff Nothum/Mouvement Patrimonia­l Im Schultersc­hluss mit 19 weiteren Initiative­n tat sich die Industriek­ultur-CNCI Anfang Oktober 2020 zu dem Protestmar­sch „Eisen Denkmalsch­utz funktionéi­ert net!“in der Hauptstadt zusammen, um auf die Probleme aufmerksam zu machen.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg