Vernetzt gegen das Zerstören von Industrieerbe
Wie die Initiative Industriekultur-CNCI für mehr Kulturbewusstsein kämpft
Wer allein schon die „Luxemburger Wort“-Ausgaben der letzten Tage genauer durchgesehen hat, stößt immer wieder auf die Fragen nach dem Umgang mit dem Kulturerbe. Das gilt für die Ausgrabungen in Echternach, genauso wie die gebauten, aber bedrohten Zeugnisse, die die Lebenswirklichkeit und Identität vieler Gemeinden geprägt haben. Sie wie die Keeseminnen in Esch weitestgehend zu tilgen, sei eben auch keine Lösung, argumentieren Denkmalschützer. Es verwundert dann auch nicht, wenn lokale Initiativen, wie FerroForum in Esch sich immer lautstärker einmischen wollen. Viele von denen, die sich dem Raubbau am industriellen Kulturerbe entgegenstellen wollen, haben sich mit der Initiative Industriekultur-CNCI (dabei steht das CNCI für das lange diskutierte, aber nie kulturpolitisch umgesetzte Centre national de la culture industrielle) angeschlossen, die Schnittstelle für ein ganzes Netzwerk sein will. Die Präsidentin der Asbl, Marlène Kreins, räumt im Interview mit Vorurteilen auf und kämpft für mehr Bewusstsein weit vor dem Baggeranrollen.
Marlène Kreins, muss denn wirklich jede Industriebaracke zum Denkmal erklärt und als Kulturerbe gerettet werden?
(lacht) Nein, natürlich nicht.
Aber man könnte den Eindruck bekommen, wenn man das Dossier zur Arbeit Ihrer IndustriekulturCNCI liest, dass mit viel Steuergeld alles im Süden erhalten und renoviert werden muss, was als Industriebrache Rost ansetzt ...
Also nicht jede Halle und Industrieanlage muss erhalten werden. Es ist uns schon ganz klar, dass das auch nicht möglich ist. Wir aber wollen dazu Impulse setzen und auch Maßnahmen ergreifen, dass die Bauten, die eine neue Nutzung finden könnten, erhalten werden. Und wo es für uns und die Experten, die wir an der Hand haben, Sinn macht, dass dort, wo es um historische und architektonisch wertvolle Gebäude geht, Geld investiert wird.
Eben Bauten, die als Monument etwas darstellen können und gleichzeitig einer neuen Nutzung zugeführt werden können, die letztlich für eine Wiederbelebung dieser Areale sorgen und für jede Bürgerin und jeden Bürger einen neuen Mehrwert schaffen.
Gibt es da eine Prioritätenliste für bestimmte Bauten, bei denen es dringend einer Lösung bedarf?
Wir hatten das Problem, dass wir sehr viel „löschen“mussten.
Vieles musste ganz akut in die Wege geleitet werden, weil verschiedene Gebäude vor dem Abriss standen. Zum Beispiel bei den Keeseminnen im Escher Viertel „Rout Lëns“standen wir vor vollendeten Tatsachen. Es war fast keine Möglichkeit mehr da, diese historisch wertvollen Bauten zu retten, weil wir schlicht zu spät waren und auch um die Fragen zu der Planung für dieses Areal eingebunden waren. Aus dieser Erfahrung haben wir gelernt. Wir wollen nicht einfach nur zuschauen und ein letztes Mal vor dem Abriss noch einmal begutachten, was verloren geht.
Das heißt?
Wir gehen proaktiv vor, fragen bei Verantwortlichen, Eigentümern und der Politik nach, analysieren verschiedene Gelände, bevor überhaupt ein Entwicklungsprojekt in Planung geht. Ein Beispiel: Im Moment schauen wir uns Anlagen in Schifflingen an – eng im Verbund mit der Denkmalschutzverwaltung, dem Service des sites et monuments nationaux. Nur zum Verständnis: Wir haben als Asbl sicher nicht die gleiche Aufgabe wie die Denkmalschutzbehörden. Sites et monuments ist da, um die Gebäude national zu schützen oder die Gebäude zu identifizieren, die unter den nationalen Denkmalschutz gestellt werden sollten.
Und wie sehen Sie denn dann Ihre Mission?
Wir wollen lösungsorientiert gleich neue Ideen liefern, wie die Gebäude in Zukunft genutzt werden könnten, und nicht nur, ob man sie aus Denkmalschutzgründen erhalten kann. Natürlich ist es schon wichtig, ob es historisch wertvolle Gebäude sind, die erhaltenswert sind. Aber wir liefern Konzepte, wie sie genutzt werden könnten und dann auch Investoren, Entwickler und letztlich auch die Politik und die Bürger dafür zu interessieren oder gar zu begeistern. Und der Denkmalschutz wiederum kann dann zusätzlich Kofinanzierungen dafür anbieten, wenn es um konkrete Renovierungen geht.
Aber seien wir doch ehrlich: Sie werden dann doch als Bremser gesehen, die Investoren oder die Gemeinden aufschrecken, die neue Initiativen für einen Strukturwandel oder die Gemeindeentwicklung scheinbar eher aufhalten, als sie zu befördern. Wie gehen Sie mit den Vorurteilen um?
Sicher gibt es Vorurteile. Es ist aktuell noch ein Problem, dass wir trotz des Engagements noch nicht so sehr in der Breite bekannt sind. Aber: Wir werden jetzt immer mehr eingebunden. Ein Beispiel: Die Kulturministerin hat uns angefragt, ob wir zusammen mit Sites et Monuments eine Analyse zu einem Areal in Dommeldingen machen könnten, zu dem es noch gar kein Projekt gibt. Wir sollen gemeinsam klären, welche Gebäude
für uns wichtig wären erhalten zu bleiben und welche Nutzungen man darin vorsehen könnte. Diese Analyse wiederum könnte man dann in die späteren Ausschreibungen oder auch Entwicklungspläne einbauen und so wäre die Erhaltung sofort in einem Gesamtkonzept integriert. Und genau das war in „Rout Lëns“eben nicht möglich. Wenn wir aber kurz vor dem Abriss warnen, dann sieht man uns effektiv als Bremser, weil wir uns für die Gebäude noch schnell einsetzen, die wirklich, wirklich wichtig sind. Das hat in „Rout Lëns“nicht mehr
Marlène Kreins steht der Initiative Industriekultur-CNCI als Präsidentin vor. geklappt – und solche, wie die abgerissenen Gebäude, gibt es so auch in der gesamten Großregion nicht mehr. Das heißt, wir haben einen Schatz verloren – trotz aller Lösungsversuche mit der Stadt Esch, dem Promoteur, dem Denkmalschutz und dem Kulturministerium. Das Projekt war einfach schon zu weit fortgeschritten – und leider keine Umkehr möglich.
Mit Robert Garcia haben Sie einen schlagkräftigen Kämpfer der „Déi Greng“im Verwaltungsrat dabei, der als einstiger Initiator der Schau „All We Need“die Gebläsehalle in Belval in den Fokus gerückt hat und weiter für deren Erhalt eintritt. Steckt da im Schulterschluss mit Sam Tanson grüne Kulturerbepolitik hinter der Industriekultur-CNCI Asbl?
November 2020: Von der einstigen Substanz der Industrieanlagen ist in „Rout Lëns“kaum mehr etwas geblieben.
Vieles musste ganz akut in die Wege geleitet werden, weil verschiedene Gebäude vor dem Abriss standen.
Nein. Man kann es in etwa mit dem Mouvement écologique vergleichen. Auf der einen Seite arbeiten wir mit dem Ministerium oder Sites et monuments zusammen, um Projekte auszuarbeiten. Auf der anderen Seite gehen wir auf die Straße und protestieren gegen Abrisse zentraler Gebäude – auch wenn es staatliche Hilfen für die Asbl gibt, haben wir ganz klar den Anspruch, deutlich und unabhängig auf Probleme aufmerksam zu machen.
Wo liegt denn der Grund, dass plötzlich diese Probleme so präsent sind und immer mehr Initiativen