Trennung im Haus Habsburg
Als Karl V. auf die Kaiserkrone verzichtet
Mit dem Namen Habsburg verbinden sich Macht, Glanz, Erhabenheit und Tragödien. Umstrittene Eheschließungen, die hart an die Grenzen des Inzests stießen, Intrigen, Bestechungen und Kriegsgelüste dienten zur Zementierung der sechseinhalb Jahrhunderte lang andauernden Herrschaft dieses europäischen Fürstengeschlechts. Interne Familienfehden führten 1556 allerdings zu einer Zweiteilung der Dynastie, die ihren Namen von der im Schweizer Kanton Aargau gelegenen Stammburg erhielt. Welche Ursachen führten zu dieser Aufteilung? Der folgenschweren Entscheidung gingen komplexe Entwicklungen voraus.
1273 gilt als das Gründungsjahr der mächtigen Kaiserdynastie, die sich als Nachkommin des letzten trojanischen König Priamos sah: In Frankfurt wählten die Kurfürsten überraschend den Provinzadeligen Graf Rudolf von Habsburg zum neuen König des Heiligen Römischen Reiches. Im 14. Jahrhundert erhielt das Fürstengeschlecht dann den Beinamen „Haus Österreich“.
Burgunder als Verbündete
Der gewiefte Taktiker Kaiser Friedrich III. versuchte die Habsburger Dynastie durch eine einflussreiche Verheiratung seines Sohnes Maximilian zu festigen.Marie von Burgund erschien ihm als die beste Partie. Im März des Jahres 1477 brach ein geheimer Kurier aus dem Genter Schloss nach Wien auf, um die frohe Botschaft, die 19-jährige Prinzessin sei mit der Heirat einverstanden, zu überbringen. Ihr Treueversprechen legte das Paar am 19. August in der Schlosskapelle ab. Die Geburt ihres Sohnes Philipp im Juni 1478 sorgte für einen Höhepunkt in der recht schwierigen Zeit, da ein knickeriger Krieg zwischen Habsburg und Frankreich wütete. Wegen seiner Hübschheit gab die Historie ihm später den Namen „Philipp der Schöne“. 1480 gebar Marie ihr zweites Kind, das auf den Namen Margarete getauft wurde. Marie starb aber bereits 1482 an den Folgen eines Reitunfalls.
Erbitterter Gegner der Habsburger um die Vorherrschaft in Europa war eben lange Zeit das Königtum Frankreich. Der Vertrag von Arras vom 23. Dezember 1482 führte zu einer
Erstarkung Frankreichs, konnte doch Ludwig XI. alle von ihm besetzten Gebiete behalten. Dank Friedrichs Einfluss konnte Sohn Maximilian, seit 1477 Herzog von Burgund, in Aachen
Karl V. und Ferdinand I. um 1531 in einem Stich von Christoph Bockstorffer. 1486 die Königskrone aufsetzen. Obwohl der junge Monarch sich nach einem Aufstand in Brügge vier Monate in Haft befand, setzte er sich mithilfe der kaiserlichen Armee durch und Burgund wurde fortan als “die Niederlande” bezeichnet. Die Habsburger blieben an der Macht.
1493 folgte Maximilian, der den ständigen Hofstaat in Innsbruck installierte, seinem im Alter von 78 Jahren verstorbenen Vater auf dem Kaiserthron. An gleich zwei Fronten musste er das in Mitteleuropa gelegene Reich verteidigen: im Westen gegen Frankreich, im Osten gegen die Türken. In den Sog der Auseinandersetzungen mit dem König der Franzosen geriet immerfort Italien.
Am 13. November 1493 ehelichte der Witwer Maximilian Bianca Maria Sforza, eine reiche Frau aus Mailand. Der Kaiser verfehlte nicht sein Image als charmanten und vielseitig begabten Herrscher zu festigen, indem er seine Heldentaten in zwei Memoirenwerken (Weißkunig und Theuerdank) veröffentlichte. Zudem schrieb der Kunstinteressierte Bücher über verschiedene Themen. Ihm wird ebenfalls nachgesagt, den nahtlosen Mantel Christi in der Kathedrale von Trier entdeckt zu haben, nachdem ein Engel in Köln ihm geraten haben soll, nach Trier zu reiten. Der Mantel wurde zum Symbol des Heiligen Römischen Reiches.
Die Ehe von Maximilian und Bianca blieb kinderlos, so dass die Zukunft der Dynastie auf Philipp und Margarete beruhte. Durch die Verlobung der beiden Geschwister im Dezember 1495 mit Johanna und Johann, den Kindern aus dem spanischen Königshaus, setzte Maximilian auf eine Allianz mit den katholischen Majestäten Spaniens, um den Erzfeind Frankreich zu schwächen. Das Verhältnis zwischen Philipp und Johanna gestaltete sich als sehr schwierig, entwickelte Johanna doch eine ungewöhnliche und sogar lästige Leidenschaft für ihren Mann. Obwohl Johanna im März 1503 ihren zweiten Sohn gebar, verfiel sie in eine immer tiefere Melancholie.
Margaretes Ehe mit dem spanischen Thronerben dauerte nur 18 Monate: Juan verstarb an einem hitzigen Fieber. Da innerhalb eines Jahres sowohl Juans ältere Schwester als auch deren kleiner Sohn starben, avancierte Philipps Frau Johanna zur alleinigen Erbin des spanischen Thrones. Vor ihrem Tod hatte Königin Isabella ihrem Gemahl Ferdinand die Regentschaft über Kastilien anvertraut, hielt sie doch ihre Tochter Johanna für diesen Posten als ungeeignet. Philipp war über diese Entscheidung erzürnt. Bald entbrannte ein heftiger Streit zwischen ihm und seinem Schwiegervater, umso mehr sich dieser kurz nach dem Tod seiner Frau mit der jungen und hübschen französischen Prinzessin Germaine de Foix vermählte. Schlussendlich verzichtete König Ferdinand auf die Regentschaft. Ganz unerwartet verschied Philippe im Jahre 1506. Hartnäckig hielt sich das Gerücht, er sei vergiftet worden.
Annäherung an Spanien
Tragödien reißen nicht ab
Die vier Kinder Philipps wuchsen unter der Aufsicht ihrer Tante Margarete, der früheren Regentin der Niederlande, auf. Nach dem Tod ihres Mannes heiratete sie Philibert von Savoyen, der ebenfalls jung verstarb. Sie lehnte
sich allerdings gegen die von ihrem Vater aufgezwungene neue Heirat mit König Heinrich VII. von England auf.
Die dramatischen Ereignisse im Hause Habsburg sollten nicht enden. 1511 verstarb Kaiserin Bianca. Maximilien schmiedete alsdann einen erstaunlichen Plan: Er wollte die Papstwürde mit dem Kaisertum unter einem Oberhaupt vereinigen, wobei dieses Amt selbstverständlich von ihm bekleidet werden sollte! Papst Julius II. machte ihm allerdings einen Strich durch die Rechnung, verzögerte sich doch sein Tod! Maximilian förderte ebenfalls frühzeitig die Vermählung seiner Enkelkinder. Der Älteste, Karl, am 24. Februar 1500 in Gent geboren, wurde während seiner Kindheit mehrmals verlobt. Die Thronfolge musste abgesichert werden und die diesbezüglichen Verhandlungen mündeten 1509 in den Vertrag von Blois. Karl sollte die Krone in Spanien erben, seinem Bruder Ferdinand wurden die Niederlande und Österreich versprochen.
Im April 1514 heiratete die 13-jährige Enkelin Ysabeau König Christian von Dänemark.Ein Fluch lag ebenfalls auf dieser Ehe: Wegen seines umstrittenen Lebensstils wurde der König entthront und musste mitsamt seiner Familie fliehen. 1525 starb Ysabeau im Alter von nur 24 Jahren in Mechelen.
Unbeirrt versuchte Kaiser Maximilian seine teils absurden Heiratspläne umzusetzen. Hochzeiten stellten das wesentlichste Instrument des Machterhalts dar. 1507 visierte er in einem Ehevertrag eine Doppelhochzeit mit den Kleinkindern Prinz Lajos und Prinzessin Anna von Ungarn an, die schlussendlich 1515 stattfand. Der listige Herrscher setzte während seines letzten Reichstages im Sommer 1518 alles dran, seinem Enkel Karl die Kaiserkrone zu sichern und geizte daher nicht mit Bestechungsgeldern, die er sich bei den Fuggern in Augsburg auslieh. Langsam verließen den alternden Kaiser aber die Kräfte und seine Reisen konnte er nur noch in Sänften zurücklegen. Schließlich trat der Tod am 12. Januar 1519 ein. Maximilian wurde in Wien Neustadt in der Burgkapelle begraben. Sein Herz allerdings ruht in Brügge im Sarkophag seiner Jugendliebe Marie von Burgund.
Erstmals traf Karl auf spanischem Boden im Herbst 1517 auf seinen vierzehnjährigen Bruder. Beide waren weit voneinander getrennt aufgewachsen und geprägt von verschiedenen Kulturkreisen. Zwischen den Brüdern entwickelte sich zwangsläufig eine gewisse Konkurrenz um die Nachfolge auf dem Kaiserthron. Während der jüngere Ferdinand hohe Popularität in Spanien genoss, sah man in Karl eher den fremden Prinzen. Und trotzdem sollte Ferdinand nie mehr nach Spanien zurückkehren.
Nach Maximilians Tod ließ Karl seine Ambitionen auf den Kaiserthron erkennen. Neben dem französischen König Franz I. und dem englischen König Heinrich VIII. schielten noch König Lajos von Ungarn und König Sigismund von Polen auf den begehrten Posten.Einstimmig sprachen sich die sieben Kurfürsten schließlich am 28. Juni in Frankfurt für den spanischen König zum neuen Kaiser des Heiligen Römischen Reiches aus. Maximilians Charisma wirkte jedenfalls über seinen Tod hinaus. Die Wahl Karls zu seinem Nachfolger wurde nicht alleine den Bestechungsgeldern und der niederländischen Wirtschaftskraft zuerkannt, sondern ebenfalls der noch im Volk tief verwurzelten Popularität Maximilians.
Karls Start in das neue Amt war allerdings recht holprig: Um seine pompösen Krönungsfeierlichkeiten zum deutschen König vom Oktober 1520 in Aachen, deren Kosten auf eine Million Gulden geschätzt wurden, – das entspricht heute etwa 20 Millionen Dollar – finanzieren zu können, wollte er eine spezifische Steuer durch die Cortes stimmen lassen. Erst nach der Bestechung mehrerer Abgeordneten konnte die Steuer das Parlament passieren. Aufgebrachte Einwohner attackierten anschließend die Häuser
dieser Abgeordneten und die vorgesehene Steuer wurde nie eingeführt.
Bereits sein Großvater Maximilian sah sich dem Treiben eines Mönchs ausgesetzt, der im Oktober 1517 seine 95 Thesen an der Schlosskirche zu Wittenberg angeschlagen hatte. Der streitbare Geistliche namens Luther sollte ein Erdbeben auslösen, das sogar später in einen Krieg mündete. Beflügelt durch seine hohe Popularität geißelte er rücksichtslos das Papsttum und die Kirche. Karl, ein ferventer Verteidiger des katholischen Glaubens, ging in die Offensive und führte schweres Geschütz gegen Luther auf:“Ein einziger Mönch, der sich gegen die tausendjährige Christenheit stellt, muss ein Irrtum sein“, so Karl. Auch der Bürgerkrieg in Spanien, die ständigen Attacken des Erzfeindes Frankreich sowie die ungezügelten Türken unter dem jungen Sultan Soliman bereiteten dem neuen Kaiser zusätzliche Sorgen. Während des Reichstages in Worms im April 1521 wurde die spätere Teilung des Habsburger Hauses schon angedacht.Anfang 1522 wurden in Brüssel durch einen geheimen Hausvertrag dem jüngeren Bruder die süd- und südostdeutschen Territorien des Hauses zuerkannt.
Karl, Herr über mehrere Königreiche von unterschiedlichen rechtlichen Grundlagen, heiratete im März 1526 Prinzessin Isabella von Portugal. Ihm gelang ein unaufhaltsamer Aufstieg zu einem großen Monarchen. 1530 empfing er aus den Händen von Papst Clemens VII. in Bologna die Kaiserkrone. Sein Bruder Ferdinand sollte ihn ab 1531 in seiner Abwesenheit als Regent im Reich ersetzen. Diese Aufgabenteilung legte den definitiven Grundstein für das 1556 zweigeteilte Habsburgerreich.
1550 entbrannte in Augsburg ein heftiger hausinterner Streit über die Frage: Wessen Sohn sollte die Nachfolge Karls antreten? Infant Philipp in Spanien oder Erzherzog Maximilian in Wien? Karls Plan bestand darin, eine Föderation der deutschen Staaten zu schaffen, wo die Kaiserkrone in direkter Erbfolge in der Habsburgerfamilie verbliebe. Er wollte unbedingt Philipp an die Spitze des Reiches hieven. Doch Philipp fehlte es an allgemeiner Zustimmung. Ferdinand gewann an Selbstvertrauen und lehnte es ab, seinen Sohn nicht bei der Erbfolgezu berücksichtigen. Im März1551 gab er aber nach und unterzeichnete einen Familienvertrag, laut dem Philipp Kaiser wurde und die Krone abwechselnd den beiden Häusern Habsburg zustehen sollte. Mit einer emotionalen Rede am 25. Oktober 1555 leitete Karl V. ein verfassungsrechtliches Abdankungszeremoniell ein und legte seine Herrschaft anschließend über spanische, italienische und niederländische Territorien nieder. Dem alternden Karl gelang es noch, seinen Sohn mit der englischen Königin Mary Tudor (Bloody Mary) imJuli 1554 zu vermählen, bevor er die Kaiserkrone im August 1556 an seinen Bruder Ferdinand weiter gab. Damit war die Spaltung des Hauses Habsburg besiegelt. Trotz der beiden Zweige – der spanischen Linie unter Karl und der österreichischen Linie unter Ferdinand – konnte ihre Macht in Europa noch jahrhundertelang verteidigt werden.
Karl V. sorgt für Spaltung
Bibliografie:
McGuigan Dorothy Gies, Familie Habsburg, 12. Auflage, Amalthea Verlag G.m.b.H, Wien, München, 2011 Schilling Heinz, Karl V., C.H. Beck, München 2020