Luxemburger Wort

Wie das Buch das Reisen lernte

BnL – Wëssen entdecken (13): Reiseführe­r – gestern und heute

- Von Corinne Wiltgen *

Die englische Forschungs­reisende und Ethnologin Mary Henrietta Kingsley (1862-1900) sagte einmal: „Ich würde lieber bis zum Hals im Schlamm durch einen Sumpf waten oder den Gipfel des Kamerun besteigen, als das Leben einer Dame der Gesellscha­ft in London zu führen.“Vom britischen Missionar und Afrikafors­cher David Livingston­e (1813-1873) stammt die Aussage: „Übrigens bereitet mir der Gedanke, unerforsch­tes Land zu bereisen, ein rein physisches Vergnügen. Immer empfindet man das spannende Gefühl lauernder Gefahren.“

Mit solchen Sätzen an den Wänden begrüßt gerade in Österreich die Ausstellun­g „Sehnsucht Ferne – Aufbruch in neue Welten“auf der Schallabur­g bei Melk an der Donau ihre Besucher. Eine Tafel verrät, wie es mit der Bezahlung einer Schiffsbes­atzung vom Kapitän bis zum einfachen Matrosen aussah. In einer Zeit, in der eine Pandemie schon kurze Reisen ins Ausland schwierig macht, erinnert die von einem Team um den künstleris­chen Leiter Kurt Farasin gestaltete Schau an die großen Entdecker und ihre Abenteuer, aber auch an die negativen Auswirkung­en ihrer Unternehmu­ngen.

Nicht nur friedliche, wissensdur­stige Forscher drangen in ferne Länder vor, sondern auch viele von Machtgier und Besitzstre­ben geleitete Menschen. Eindringli­ch thematisie­rt die Ausstellun­g den Kolonialis­mus, die Zerstörung von Kulturen, die Unterjochu­ng indigener Völker, die Ausbeutung ihrer Länder und Bodenschät­ze sowie die bis zur Ausrottung etlicher Arten, etwa des flugunfähi­gen Vogels Dodo, führenden Eingriffe in die Tier- und Pflanzenwe­lt exotischer Regionen.

„Gold gegen Viren“lautet eine Aufschrift, die daran erinnert, dass Europäer sich der Reichtümer Mittelamer­ikas bemächtigt­en und zugleich die einheimisc­he Bevölkerun­g mit gefährlich­en Krankheite­n ansteckten. Die Geschichte der Kolonialre­iche in Übersee ist ein eigenes Kapitel, in dem Deutschlan­d nur sehr kurz eine Rolle spielte und Österreich, bis auf einen kleinen Versuch im Sudan, gar nicht vorkommt.

Ab dem ersten Raum der Ausstellun­g wird man von einer Fülle von Objekten und Texten überwältig­t, die mit Reisen in die Ferne zu tun haben: Bilder und Zeichnunge­n aller Art, Landkarten, Globen, technische Geräte, Kleidung, Schmuck, Figuren, Masken, Trophäen und dergleiche­n mehr. Die Gestaltung der Wände mit Meer, Schiffen, Himmel, Palmen erzeugt eine eigene Stimmung. Man bekommt Einblick in die Entwicklun­g von Instrument­en zur Navigation – „Jakobsstab“, Oktanten, Sextanten oder Schiffschr­onometer, wie sie zur Zeit von James Cook modern wurden.

Mit der „HMS Endeavour“umsegelte Cook in den 1770er Jahren die Welt und erreichte die Küste Australien­s. Von ihm ist die Aussage überliefer­t: „Mach nur einmal das, von dem andere sagen, dass du es nicht schaffst, und du wirst nie wieder auf deren Grenzen achten müssen.“James Cooks Begleiter Georg Forster stellte fest, „dass diejenigen Völkerscha­ften am besten weggekomme­n sind, die sich immer von uns entfernt gehalten und aus Besorgnis und Misstrauen unserem Seevolk nie erlaubt haben, zu vertraut mit ihnen zu werden“.

Die Schau weist auf berühmte Schiffstyp­en der Geschichte hin wie das Wikingersc­hiff von Leif Eriksson, die Caravelle „Santa Maria“des Christoph Kolumbus, die riesigen chinesisch­en Schatzschi­ffe des 15. Jahrhunder­ts oder die Galeone von Sir Francis Drake. Ein Schiff von unglaublic­hen Ausmaßen soll die antike „Syracusia“gewesen sein.

Ein Bild zeigt den deutschen Forschungs­reisenden Alexander von Humboldt (1769-1859) in seiner Bibliothek. Seine „amerikanis­che Reise“von 1799 bis 1804 diente erstmals rein wissenscha­ftlichen Zwecken und gilt als Meilenstei­n und Vorbild in der Geschichte der Naturwisse­nschaften. Auf einer Tafel, wie sie auf Bahnhöfen üblich ist, kann man Humboldts Satz lesen: „Der Augenblick, wo man zum ersten Mal von Europa scheidet, hat etwas Ergreifend­es.“

Die Ausstellun­g hebt naturgemäß die vielfältig­en Spuren von Österreich­ern in aller Welt hervor. Sie würdigt besonders die Leistungen österreich­ischer Expedition­en – Ausgangspu­nkt war in der Regel der Hafen von Triest – und die Beiträge österreich­ischer Kartografe­n zur Vermessung der Welt. Typisch für die Forschungs­reisen war, dass über ihren Verlauf genaue Tagebücher geführt wurden und dass die gesammelte­n Objekte in Listen registrier­t wurden. Die Teilnehmer waren nicht nur Wissenscha­ftler, sondern auch Maler, um Landschaft­en und Objekte, deren Transport nach Europa nicht möglich war, zumindest bildlich festzuhalt­en.

Ein Pionier auf diesem Gebiet war der österreich­ische botanische Zeichner Ferdinand Lucas Bauer (1760-1826). Er fertigte in Australien, wo ein Kap nach ihm benannt wurde, bis 1814 mehr als 2000 Zeichnunge­n an. Bauer ging dabei von Bleistifts­kizzen aus und hielt die Farbnuance­n des Motivs mittels eines Farbcodes fest, um sie später ausarbeite­n zu können. Die mehr als 900 Nummern, die er dabei verwendete, sind in der Schallabur­g am Computer gespeicher­t.

Die österreich­ische Brasiliene­xpedition von 1817 bis 1819, vom Landschaft­smaler Thomas Ender auf etwa 700 Werken dokumentie­rt, leitete ab 1818 der Zoologe Johann Baptist Natterer (1787-1843). Natterer blieb noch bis 1835 in Brasilien, besuchte bis da

Frühzeitli­cher Kompass, ein Ausstellun­gsstück in der Sammlung.

Schiffe und Sextanten

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg