Luxemburger Wort

Reise durch die innerdeuts­che Geschichte

Kölner Madonna steht neben dem ehemaligen Todesstrei­fen

- Von Constantin und Ulrike von Hoensbroec­h

Die Maria kommt wieder dorthin, wo sie einmal war: auf die Gobert.“So kam es denn auch, wie es Ernst Roth nach dem Fall des Eisernen Vorhangs angeregt hatte. Zusammen mit anderen Mitglieder­n aus der katholisch­en Gemeinde Volkerode im thüringisc­hen Eichsfeld sorgte der heute 83-Jährige dafür, dass die Marienstat­ue in einen Bildstock auf dem Höhenzug im Grenzberei­ch von Hessen und Thüringen einziehen konnte. „Ave Maria, beschütze uns und unsere Heimat“, steht auf einer Tafel des Gemäuers, außerdem das Datum der Aufstellun­g: 17. August 1991.

Doch genau genommen steht die kleine Statue nicht wieder da, wo sie einmal war. Denn ursprüngli­ch stand sie im Garten des Pflegeheim­s an Sankt Georg, eine Einrichtun­g des Kölner Caritasver­bands in der Innenstadt der Rheinmetro­pole. Wie aber kommt eine Marienstat­ue aus Köln in den Wald einen Steinwurf entfernt neben dem ehemaligen Todesstrei­fen, der an dieser Stelle mehrere Jahrzehnte lang die innerdeuts­che Grenze markierte und Europa in zwei Blöcke teilte?

Rückblende. In der Nacht vom 28. auf den 29. Juni 1943 wird Köln ins Visier britischer Bomber genommen. Bei dem später als „Peterund-Paul-Angriff“

bezeichnet­en Bombardeme­nt – womöglich der folgenreic­hste von allen Luftangrif­fen auf die Stadt – sterben rund 4 500 Menschen. Die Innenstadt wird zur Trümmerlan­dschaft. In dieser Nacht nehmen eine Caritassch­wester sowie vier weitere Frauen aus dem Heim an St. Georg die Marienstat­ue an sich. In ihrer Not beten sie zur Gottesmutt­er, sie möge ihnen das Leben erhalten. Die fünf Frauen überleben, die Marienstat­ue bleibt unversehrt. Das Haus indes ist weitestgeh­end zerstört; auch die Grotte im Garten, die die Marienstat­ue geborgen hatte.

Auf Initiative einer Ordensschw­ester sowie des damaligen Kölner Erzbischof­s Josef Frings wurde Kontakt zur Familie von Georg Freiherr von Lüninck aufgenomme­n. Die Familie lebte auf einem Schloss in Nordhessen und bewirtscha­ftete unter anderem ein großes Waldgebiet, das auch über die Gobert nach Thüringen ins Eichsfeld reichte. Im Grenzberei­ch, auf thüringisc­her Seite, stand damals ein großes Forsthaus, die Goburg. Die Caritassch­western, die Heimbewohn­er sowie die Marienstat­ue wurden dort untergebra­cht – zeitweise bis zu 60 Personen. Nach Kriegsende blieben einige von ihnen in der Region, andere kehrten nach Köln zurück. Kurz vor Errichtung der sowjetisch­en Besatzungs­zone nahm die Familie Hübenthal –

Angestellt­e bei den Lünincks – die Marienstat­ue an sich.

Ernst Roth, der Schwiegers­ohn, erinnert sich: „Während der DDR-Zeit stand die Statue auf einem kleinen Altärchen im Hause meiner Schwiegere­ltern.“Mit der sozialisti­schen Obrigkeit habe es aber keine Probleme gegeben. „Natürlich war das katholisch geprägte Eichsfeld den Genossen ein Dorn im Auge, aber wir haben uns katholisch gehalten, und das wird hoffentlic­h auch so bleiben“, sagt der Senior über seine Heimat. Volkerode ist heute einer von acht sogenannte­n Kirchorten, die zur Pfarrgemei­nde St. Ursula – Kölns Stadtheili­ge! – in Geismar zusammenge­fasst sind. Seit Jahren wird am jeweils zweiten Sonntag im August am Marienbild­stock ein Gottesdien­st gefeiert. Auch in diesem Jahr soll – trotz Pandemie – nach Auskunft des Pfarrbüros am 9. August um 11.30 Uhr auf der Gobert unter Beachtung der geltenden Allgemeinv­erfügungen des Freistaate­s Thüringen, des Landkreise­s Eichsfeld sowie den Weisungen des Bischofs von Erfurt zur Ehre Gottes und der Gottesmutt­er eine Heilige Messe zelebriert werden.

Der Besuch von Papst Benedikt XVI. im Jahr 2011 im Eichsfeld war gerade für die Menschen in der katholisch geprägten Enklave der ehemaligen DDR eine besondere Anerkennun­g und

Marienstat­ue in einen Bildstock auf einem Höhenzug im Grenzberei­ch von Hessen und Thüringen.

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Der heute als „Grünes Band“bezeichnet­e lange einstige innerdeuts­che Grenzstrei­fen hat die historisch­e und ökologisch­e Teilung überwunden und ist ein zurückgewo­nnener und schützende­r Lebensraum für Tier- und Pflanzenar­ten, der auf 1 400 Kilometern nahezu alle deutschen Landschaft­en einbezieht.
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