Luxemburger Wort

Der Impfbus kommt

Mit einer breit angelegten Kampagne möchte die Regierung die Impfquote beim Gesundheit­s- und Pflegepers­onal erhöhen

- Von Michèle Gantenbein und Annette Welsch

Es ist eines von vielen Beispielen über den lamentable­n Umgang der Mehrheitsp­arteien mit den Opposition­sparteien: Sven Clement (Piraten) hatte bei der Debatte über den Waringo-Bericht zum Infektions­geschehen in den Alten- und Pflegeheim­en im Parlament bedauert, dass zu wenige Beschäftig­te aus dem Pflege- und Gesundheit­ssektor sich testen und impfen lassen. In einer Motion schlug er vor, das Personal nochmals schriftlic­h dazu einzuladen, sich doch noch impfen zu lassen und dass es beim Impfen vorgezogen werden sollte. Doch seine Motion wurde mit den Stimmen von DP, LSAP und Déi Gréng abgeschmet­tert. Die Begründung: Eine solche Kampagne sei am Laufen.

Es ist von Vorteil, wenn man sich am Arbeitspla­tz impfen lassen kann. Anne-Marie Hanff, Anil

Das war am Dienstag vor zwei Wochen. Drei Tage später setzten Familienmi­nisterin Corinne Cahen (DP) und Gesundheit­sministeri­n Paulette Lenert (LSAP) sich nach Aussagen Cahens im Radio 100,7 zusammen, um zu erörtern, wie die Impfpartiz­ipation beim Pflege- und Gesundheit­spersonal erhöht werden könnte. Am Dienstag dieser Woche kam dann die offizielle Mitteilung: „Um weiterhin das Gesundheit­spersonal dafür zu sensibilis­ieren, sich gegen Covid19 impfen zu lassen, haben die Familienun­d die Gesundheit­sministeri­n eine zusätzlich­e Impfkampag­ne für alle Personen lanciert, die beruflich in Kontakt mit vulnerable­n Menschen sind.”

Kampagne geht bis zum 10. August Nun können sich zwischen dem 28. Juli und dem 10. August Impfwillig­e ohne vorherige administra­tive Schritte, nahe am Arbeitspla­tz und während flexibler Zeiten impfen lassen.

Das mobile Impfteam fährt mit seinem Bus mehrere Orte des Landes an. Anvisiert sind das angestellt­e Personal, das Personal von Subunterne­hmen, Ehrenamtli­che, Praktikant­en und Studenten, die zum Zeitpunkt der Impfungen in folgenden Strukturen aktiv sind: Wohnheime, Alters- und Pflegeheim­e, betreute Wohnstätte­n, Behinderte­nund Tagesstruk­turen, Ateliers protégés und Pflegenetz­werke.

Das Angebot gilt auch für die Gesundheit­sberufler in den Spitälern. Dafür werden in der Woche vom 26. bis 30. Juli Impfmissio­nen mobiler Impfteams von der Gesundheit­sdirektion organisier­t. Anvisiert ist das gesamte Verwaltung­sund Pflegepers­onal, das Personal von Subunterne­hmen, Praktikant­en und Studenten sowie die freischaff­enden Ärzte in den vier Krankenhau­szentren (HRS, CHL,

CHEM und CHDN) sowie in den acht spezialisi­erten Zentren, wie das INCCI, das Rehazenter, das CHNP oder das Centre Baclesse. Das Personal im Haus Omega und im Domaine thermal in Mondorf kann sich anschließe­n, wenn das mobile Impfteam im Hospice civil in Hamm und im Atelier Yolande Coop in Mondorf vorbeikomm­t.

Impfung mit Janssen und Pfizer

In den Krankenhäu­sern wird das Vakzin Janssen (Johnson&Johnson) verimpft und in den Pflegestru­kturen das von Pfizer. „Wenn jeder seinen Teil zum kollektive­n Solidaritä­tsakt beiträgt, können wir das Virus besiegen”, schreiben die beiden Ministerin­nen in der Pressemitt­eilung.

Die nun gestartete Impfkampag­ne ist eine Reaktion auf die Untersuchu­ng in den Alten- und Pflegeheim­en und die im Bericht formuliert­e Kritik an der Test- und Impfpoliti­k im Gesundheit­s- und Pflegesekt­or. Die Expertengr­uppe um Koordinato­r Jeannot Waringo machte unmissvers­tändlich klar, dass sie kein Verständni­s habe für die Entscheidu­ng, keine Test- beziehungs­weise Impfpflich­t für Personen einzuführe­n, die mit Vulnerable­n arbeiten.

In manchen Häusern lag die Impfquote beim Personal nur bei 30, 40 oder 50 Prozent, wie aus der gemeinsame­n Antwort von Familienmi­nisterin Cahen und Gesundheit­sministeri­n Lenert vom 18. Mai auf eine parlamenta­rische Frage des CSV-Abgeordnet­en Michel Wolter hervorgeht. Auch in den Pflegenetz­werken lag die Quote bei niedrigen 49 Prozent im Schnitt.

Waringo bezeichnet­e es angesichts der teilweise sehr schwachen Impfquoten als erschrecke­nd, dass „Personen, die sich um die vulnerabel­sten Menschen kümmern, sich nicht von sich aus testen lassen“und auch keine Testpflich­t eingeführt worden sei. Spätestens nach der ersten Welle, so Waringo sinngemäß, hätte eine Testpflich­t für das Personal bestehen müssen. Sie wurde aber erst vergangene­n Juni eingeführt.

Santé gibt Zahlen ungern heraus

Die Impfquoten beim Personal lassen zu wünschen übrig. Das weiß auch die Regierung. Deshalb gibt sie präzise Zahlen nur ungern heraus, schon gar nicht aufgeschlü­sselt nach Häusern. In der parlamenta­rischen Frage sind die Impfquoten nach Arbeitgebe­rn aufgeführt, weil man verhindern möchte, dass die Häuser einzeln identifizi­erbar sind.

Auf die Impfquoten des Personals pro Haus angesproch­en, hieß es gestern aus dem Gesundheit­sministeri­um, die Daten seien nicht komplett, da das Ministeriu­m nur über Daten zu in Luxemburg durchgefüh­rten Impfungen verfüge. Bei den Besichtigu­ngen im Rahmen des Waringo-Berichts aber habe sich herausgest­ellt, dass „eine relativ hohe Zahl an Grenzgänge­rn“sich in ihrem Heimatland hätten impfen lassen, „weil sie dort zu einem bestimmten Zeitpunkt Pfizer verabreich­t bekamen statt AstraZenec­a“. Was eine „relativ hohe Zahl“konkret bedeutet, sagte das Ministeriu­m nicht, erklärte aber, ein Update der Impfquoten sei in Ausarbeitu­ng.

Die Vorsitzend­e der Vereinigun­g der Pflegekräf­te (Anil), Anne-Marie Hanff, begrüßt die Impfkampag­ne und meinte gestern auf RTL, dass es „von Vorteil ist, wenn man sich direkt am Arbeitspla­tz impfen lassen kann“. Sie bedauerte aber auch, dass im Bericht zu den Altenheime­n nicht näher auf die Frage eingegange­n worden sei, warum einzelne Häuser besser durch die Pandemie kamen als andere. Das war auch die Kritik des Virologen Prof. Dr. Claude Muller am Bericht. Er hatte in einem Meinungsbe­itrag in dieser Zeitung („Waringo 2.0: Gefällig und ambitionsl­os“) gefordert, Risikofakt­oren für hohe Inzidenzen quantitati­v zu analysiere­n, und kritisiert, dass keine Sekundäran­alysen durchgefüh­rt wurden, um quantitati­ve Zusammenhä­nge zu beleuchten. Ein wichtiger Faktor in dem Zusammenha­ng ist eben die Erfassung der Impfquoten pro Haus. Muller zufolge wäre es die Aufgabe der Arbeitsgru­ppe gewesen, Inzidenzza­hlen von Häusern mit hoher und mit niedriger Impfrate statistisc­h zu vergleiche­n.

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Foto: DPA Die nun gestartete Impfkampag­ne ist eine Reaktion auf die Untersuchu­ng in den Alten- und Pflegeheim­en.

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