Erinnerung an die Barbarei
Gedenkfeier im ehemaligen SS-Sonderlager Hinzert im Hunsrück
Hinzert (D). Es ist still an diesem sonnigen Spätsommertag. Fast nichts erinnert mehr daran, dass an dem idyllischen Ort bei Hinzert im Hunsrück Verbrechen im Namen eines menschenverachtenden Regimes begangen wurden. Das SS-Sonderlager, 20 Kilometer von Trier entfernt, stand für Demütigung, Qualen und Tod. Während des Zweiten Weltkriegs wurden besonders viele Luxemburger nach Hinzert verschleppt, in den Augen der Nazis „nur ein kleines KZ“. Oft war es nur ein erster Schritt auf dem Weg zur Hölle.
Auch mehr als ein Dreivierteljahrhundert nach Kriegsende sind die Opfer nicht vergessen. An jedem dritten Samstag im September kehren die Nachkommen der ehemaligen luxemburgischen KZHäftlinge an den Ort des Schreckens zurück. Die diesjährige Gedächtnisfeier begann mit einer Messe vor der Sühnekapelle, die von Generalvikar Patrick Muller gefeiert wurde. Musikalisch umrahmt wurde das Gedenken von Edmond Faber.
Viele Luxemburger
Das SS-Sonderlager Hinzert bestand von 1939 bis 1945. Ursprünglich war es 1939 als Polizeihaftlager eingerichtet worden und diente dann als „Arbeitserziehungslager“, um Regimegegner, die beim Bau des Westwalls eingesetzt waren, gefügig zu machen. Es entwickelte sich während des Zweiten Weltkriegs zu einem Konzentrationslager, in das hauptsächlich Menschen aus den von NaziDeutschland
besetzten Gebieten verschleppt wurden.
1940 wurde das Lager der SS unterstellt. In dem KZ waren zeitweilig bis zu 1 000 Menschen zusammengepfercht, die von 200 SSLeuten bewacht und gedemütigt wurden. Heute geht man davon aus, dass in Hinzert zwischen 11 500 und 13 500 Menschen inhaftiert waren. 321 namentlich bekannte Männer wurden dort ermordet oder starben an den Folgen der unmenschlichen Haftbedingungen oder Krankheiten. Verlässliches Zahlenmaterial gibt es nicht. 1945 wurde beim Vorrücken der amerikanischen Truppenverbände ein Großteil der Lagerunterlagen vernichtet.
Unter den Häftlingen waren verhältnismäßig viele Luxemburger. Nach neuesten Erkenntnissen geht man davon aus, dass 1 600 Menschen aus dem Großherzogtum während des Zweiten Weltkriegs in das KZ Hinzert verschleppt wurden. Andere Quellen sprechen von 1 900. Für viele war es nur der Vorhof zur Hölle. Sie kamen später in größere Lager wie Dachau, Mauthausen, Buchenwald oder Natzweiler-Struthof.
Mehrere Luxemburger wurden im KZ Hinzert Opfer von Massenexekutionen. Nach dem Generalstreik vom 31. August 1942 wurden zwischen dem 2. und dem 10. September 20 Menschen in kleinen Gruppen in der Nähe des Lagers
„als abschreckende Maßnahme“erschossen und im Wald verscharrt. Ihre sterblichen Überreste wurden, sofern sie noch zu identifizieren waren, nach dem Krieg in die Heimat überführt.
23 weitere luxemburgische Widerstandskämpfer und Patrioten wurden am 25. Februar 1944 in einem Wald hingerichtet. Ursprünglich sollten 50 Luxemburger erschossen werden. Auf einer Konferenz in Koblenz, an der auch Gauleiter Gustav Simon teilnahm, wurde aber beschlossen, sich auf 25 zu beschränken. 50 Todesopfer wurden „zu dem gegenwärtigen Zeitpunkt als politisch nicht günstig“angesehen. Im Klartext heißt das wohl, dass man weitere Unruhen im besetzten Großherzogtum befürchtete.
82 Luxemburger überlebten die Hölle von Hinzert nicht. Annähernd 40 starben an den Folgen von Unterernährung, Krankheiten oder Misshandlungen.
Räumung und Gewaltmarsch
Am 3. März 1945 wurde das SS-Sonderlager Hinzert wegen der vorrückenden amerikanischen Streitkräfte geräumt. Ein Großteil der im KZ verbliebenen Häftlinge wurde in einem Gewaltmarsch in Richtung Buchenwald getrieben und auf dem Weg dorthin in Oberhessen befreit.
Lagerleiter Paul Sporrenberg, ein überzeugter Nationalsozialist, konnte nach der Befreiung des Lagers flüchten. Er wurde erst 1959 in Mönchengladbach gefasst. Zu einem Prozess kam es nie: Sporrenberg starb vor der Eröffnung des Verfahrens.