„Ich bin kein Superheld“
Joao Almeida gewinnt die 81. Luxemburg-Rundfahrt, verpasst aber seinen zweiten Etappensieg
Die Stimmung gestern in Limpertsberg hatte was von Heimspielatmosphäre. Joao Almeida stand auf der obersten Stufe des Podiums und genoss den Moment sichtlich. Die portugiesische Nationalhymne wurde zu Ehren des Gesamtsiegers der 81. Luxemburg-Rundfahrt abgespielt und die vielen anwesenden portugiesischen Fans stimmten lauthals mit ein. Almeida musste schmunzeln.
Überrascht war der 23-Jährige des Teams Deceuninck-Quick Step da aber schon nicht mehr. Denn spätestens seit seinem Etappensieg am Dienstag in Kirchberg waren Fotos mit ihm sehr gefragt. Das sympathische Riesentalent aus Caldas da Rainha genoss die Zuwendung seiner sportbegeisterten Landsleute und bedankte sich artig: „Die Unterstützung an der Strecke war unglaublich. Ich bin wirklich dankbar. Das habe ich so im Ausland noch nicht erlebt.“
Der Mann im Gelben Trikot strahlte über das ganze Gesicht. Als erster Portugiese trug er seinen Namen in den Palmarès der Luxemburg-Rundfahrt ein und ließ am Schlusstag der Rundfahrt nichts mehr anbrennen. Der Gewinner der Polen-Tour aus diesem Jahr agierte mit Hilfe seiner Teamkollegen souverän und konnte nicht mehr von Platz eins der Gesamtwertung verdrängt werden. Er sprintete am Samstag gar auf Rang zwei und konnte seinen Vorsprung somit noch ausbauen.
Gaudus Attacke sitzt
Seinen siebten Saisonsieg verpasste er knapp. David Gaudu (F/Groupama) gewann stattdessen die Schlussetappe. Der Franzose agierte clever. Er nutzte einen Moment des Zögerns zwischen den Topfahrern, die noch um den Gesamtsieg kämpften, und attackierte auf dem Schlusskilometer des 183,7 Kilometer langen Teilstücks, um sich mit einem langen Sprint den Tagessieg zu holen. Bereits an Tag eins der SkodaTour hatte er es mit einer Attacke versucht, wurde auf den letzten Hektometern jedoch wieder eingefangen. Diesmal machte es der 24-Jährige, der in Eschdorf Dritter geworden war, besser. „Ich hatte nicht meinen besten Tag“, verriet er nach den Strapazen: „Manchmal reicht es aber, wenn man keine Fehler macht und die Attacke genau zum richtigen Zeitpunkt erfolgt. Das ist mir gelungen. Ich wusste, dass ich im Anstieg (Pabeierbierg) nicht unbedingt der Allerstärkste sein würde. Ich hoffte, dass das Tempo sich noch einmal beruhigen würde. Das ist passiert und ich konnte die Gunst der Stunde nutzen.“
Benoît Cosnefroy (F/Ag2r), Almeida und Marc Hirschi (CH/UAE-Emirates) hatten im Pabeierbierg, ungefähr 1,5 Kilometer vor dem Ziel attackiert, schauten sich rund 1 000 Meter vor dem Ziel aber an und ließen sich so von Gaudu überrumpeln. „Ich bin sehr glücklich. Wir waren als Team an allen Tagen aktiv. Den Etappensieg haben wir uns verdient“, erläuterte der Tagessieger.
Almeida kam ihm zwar noch einmal gefährlich nahe, musste dem Franzosen allerdings den Vortritt lassen. Das war dem Gesamtsieger beinahe egal. „Oberstes Ziel war es, das Gelbe Trikot erfolgreich zu verteidigen. Das haben wir mit guter Teamarbeit geschafft“, war er erleichtert und ging dann näher auf den Schlusstag ein: „Ich hatte von Beginn an gute Beine. Im Finale konnte ich nicht auf alle Attacken reagieren, fuhr aber dennoch ein hohes Tempo in dem kurzen Anstieg. Als Gaudu auf dem flachen Teil nach der Kuppe angriff, reagierte ich. Doch ich bin auch kein Superheld und konnte die Lücke nicht mehr ganz schließen. Es wurde aber noch eng.“
Almeida gewinnt die 81. Luxemburg-Rundfahrt schließlich mit 46'' Vorsprung auf Hirschi. Mattia Cattaneo (I/Deceuninck/1'05'') komplettiert das Podium als Dritter. „Auch wenn es nicht zum zweiten Etappensieg reichte, bin ich sehr glücklich. Meine Mannschaft war fantastisch. Mit ihnen Platz eins in der Teamwertung zu feiern, ist das i-Tüpfelchen dieser fünf Tage“, so Almeida.
Hirschi fährt sich in WM-Form
Der Portugiese mausert sich immer mehr zum Spezialisten für Etappenrennen und Rundfahrten. Den Giro d'Italia beendete er bereits an den Positionen vier und sechs, im August dominierte er die Polen-Tour. In der teaminternen Hierarchie klettert er immer weiter noch oben. „Ich bin ein harter Arbeiter und versuche seit jeher, stetig besser zu werden. Steigt die Zahl der Siege an, bringt das auch zusätzliches Selbstvertrauen. Für die Zukunft ist das ein wichtiges Zeichen“, lehnt er sich mit Blick auf die Möglichkeiten nicht zu weit aus dem Fenster.
Hirschi kann gut mit Platz zwei leben. „Die Form passt. Ich konnte meinen ersten Saisonsieg (Etappensieg in Eschdorf) holen. Ich kann nicht meckern. Ich habe Selbstvertrauen getankt. Die WM kann kommen“, bilanzierte er.
Glücklich durfte auch Kenny Molly (B/Bingoal) sein. Er sicherte sich Platz in der Bergwertung, während Almeida neben dem Gesamtsieg auch das Punkteklassement dominierte und als bester Jungprofi ausgezeichnet wurde.
Die Luxemburger Profis spielten in der Gesamtwertung ganz vorne keine Rolle: Tom Wirtgen (B/Bingoal) belegt schlussendlich Platz 47 (auf 18'58''), Luc Wirtgen (B/Bingoal) folgt als 48. (auf 19'29'') direkt dahinter, Kirsch ist 56. (22'55''), Bob Jungels (Ag2r) 80. (31'38''), Ben Gastauer (Ag2r) 86. (36'35'') und Cédric Pries (Leopard) 92. (39'57'').
Als bestes Etappenresultat steht schlussendlich Rang sechs von Kirsch zum Abschluss in Limpertsberg zu Buche.