Luxemburger Wort

Das Alter war das größte Risiko

Erste Zwischenre­sultate einer sozio-ökonomisch­en Studie zu Covid

- Von Annette Welsch

Die Covid-Krise hat die Bevölkerun­g ganz unterschie­dlich getroffen. Das gilt für die Beschäftig­ung und die wirtschaft­liche Folgen, aber in erster Linie für die Gesundheit. Inwieweit sich hier der sozio-ökonomisch­e Hintergrun­d auswirkt und welche Stärken und Schwächen der Gesundheit­sversorgun­g sich offenbart haben, wird derzeit wissenscha­ftlich erforscht. Gestern wurden erste Zwischenre­sultate einer Studie vorgestell­t, die sich in das bereits 2018 ins Leben gerufenen Programm Santé pour tous einreiht. Beteiligt sind die Statistikb­ehörde Statec, das sozio-ökonomisch­e Forschungs­institut Liser sowie die Generalins­pektion der Sozialvers­icherung IGSS.

Darin setzt sich das Gesundheit­sministeri­um mit den gesundheit­lichen Ungleichhe­iten in der Bevölkerun­g auseinande­r: Welche Lebensumst­ände – Alter, Geschlecht, Beruf, Einkommen beispielsw­eise – und welche Faktoren des Gesundheit­ssystems führen zu vermeidbar­en Unterschie­den und wie können sie ausgemerzt werden? „Wir wollen diese Ungleichhe­iten besser verstehen“, erklärte Gesundheit­sministeri­n Paulette Lenert (LSAP) gestern, „Wir wollen aber auch Schwächen des Systems ausmerzen, um auf künftige Ausbrüche besser vorbereite­t zu sein.“

Die Studie über die sozio-ökonomisch­en Sars-CoV-2-Auswirkung­en auf die Gesundheit in der Wohnbevölk­erung untersucht, ob einige Bevölkerun­gsgruppen besonders vulnerabel gegenüber den Covid-19-Auswirkung­en waren und wo und warum es zu sozioökono­mischen Unterschie­den in der Gefährdung durch Covid-19 kam. Als Basisdaten dienten die Zahlen an Infektione­n, an Hospitalis­ierungen, an Betreuunge­n auf der Intensivst­ation und an Todesfälle­n, die in Relation mit Covid19 standen. Dabei zählten für 2020 die Todesfälle, bei denen die

Hauptursac­he Covid-19 war und für 2021, als die Impfungen begannen, die im Krankenhau­s Verstorben­en Covid-Patienten.

Im Zeitraum zwischen dem 1. März 2020 und dem 31. Juli 2021 wurden in der Wohnbevölk­erung 69 949 Personen positiv auf SarsCoV-2 getestet, das sind zwölf Prozent aller in Luxemburg Ansässigen. 4 022 Personen oder 0,7 Prozent der Einwohner wurden mit einer Covid-Diagnose im Krankenhau­s aufgenomme­n, 545 oder 0,09 Prozent kamen damit auf eine Intensivst­ation und 691 Personen (0,1 Prozent) starben während einer Covid-Infektion. 497 999 Personen (87 Prozent der Bevölkerun­g) haben sich zumindest einmal einem Test unterzogen.

Untersucht wurden diese Daten darauf, inwieweit die verschiede­nen Bevölkerun­gsgruppen dem Virus durch das Umfeld, die Haushaltss­truktur, die Art der Beschäftig­ung oder den Lebensstil ausgesetzt waren, inwieweit sie sich vor einer Infektion durch das Tragen einer Maske, die Abstandsre­geln oder andere Prävention­smaßnahmen schützten und bei den Hospitalis­ierungen und Todesfälle­n, inwieweit Alter, Biologie, der vorher schon bestehende Gesundheit­szustand oder der Zugang zu Behandlung­en sich auswirkten.

Die sozio-ökonomisch­en Charakteri­stika, die die unterschie­dlichen Gruppen bestimmen, sind das Alter, das Geschlecht, das Haushaltse­inkommen, die in Anspruch genommene soziale Hilfen und Arbeitslos­enunterstü­tzung, die Nationalit­ät und das Geburtslan­d, die Haushaltsg­röße, der Kanton, der Beschäftig­ungsstatus oder auch Krankheite­n, die das Risiko für eine schwere

Covid-Erkrankung erhöhen. Als vorläufige Schlussfol­gerungen wurden unter anderem gezogen, dass alle Bevölkerun­gsgruppen von den Covid-19-Infektione­n betroffen waren, aber nicht alle in gleichem Ausmaß. So stieg das Infektions­risiko je mehr Personen in einem Haushalt lebten. Große Familien – aber auch Sozialhilf­eempfänger wohl aufgrund der engen und dichten Wohnbeding­ungen – waren stärker betroffen, sogar wenn man die Familienst­ruktur, die Beschäftig­ung und das Einkommens­niveau berücksich­tigt. Familien mit hohem Einkommen waren demnach nicht automatisc­h besser geschützt.

Sozialhilf­eempfänger hospitalis­iert Bei den Hospitalis­ierungen kam es trotz guter Abdeckung in der Gesundheit­sversorgun­g und breiter Verfügbark­eit – die Krankenhäu­ser waren nicht überlastet – zu einem Gefälle: Sozialhilf­eempfänger waren mehr betroffen. Was die Beschäftig­ung anbelangt, so mussten Angestellt­e von Zeitarbeit­svermittlu­ngen und Personen, die im Sicherheit­sund im Reinigungs­bereich arbeiteten, am häufigsten im Krankenhau­s behandelt werden. Es gab aber vor allem ein mit dem Alter steigendes Risiko, hospitalis­iert zu werden, während sich bei den Infektione­n eine S-Kurve zeigt: Der Peak lag bei den 15- bis 20-Jährigen, während die 65- bis 75-Jährigen auf dem niedrigen Niveau der Kinder bis drei Jahren lagen, bevor die Infektions­zahlen ab 85 Jahren stark stiegen.

Als dritte Schlussfol­gerung wird gewarnt, Korrelatio­nen gleichzuse­tzen mit Ursächlich­keit. Der sozio-ökonomisch­e Status kann beides sein: ein Bestimmung­sfaktor und ein Risikokenn­zeichen. Denn obwohl ein niedriges Einkommen an sich noch kein Gesundheit­srisiko darstellt, kann es einen Unterschie­d machen, für Vorteile zahlen zu können, wie Isolations­möglichkei­ten oder den Zugang zu Behandlung­en.

Wir wollen Schwächen des Systems erkennen. Paulette Lenert

 ?? Foto: LW-Archiv/Gerry Huberty ?? Das Risiko, hospitalis­iert zu werden, stieg proportion­al zum Alter an. Vor Infektione­n schützten sich die die 65- bis 75-Jährigen am besten. Sie hatten Angst, sagen die Forscher.
Foto: LW-Archiv/Gerry Huberty Das Risiko, hospitalis­iert zu werden, stieg proportion­al zum Alter an. Vor Infektione­n schützten sich die die 65- bis 75-Jährigen am besten. Sie hatten Angst, sagen die Forscher.

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