Fast alles ist neu
Luxemburgs Fußballfrauen müssen schnell lernen und gegen Topfavorit England die Nerven bewahren
Ein Anfang ist gemacht. Allein dies ist für Jessica Berscheid schon eine große Erleichterung. „Uns ist eine Riesenlast von den Schultern gefallen“, sagt die Luxemburger Fußballnationalspielerin. Ihre Mannschaft hat die Premiere in der Gruppenphase der WM-Qualifikation hinter sich gebracht und damit schon etwas geschafft, findet die 24-Jährige: „Wir haben Geschichte geschrieben und sind alle sehr stolz, Teil dieser Mannschaft zu sein.“
Das 0:4 am Freitag in Nordirland war zwar eine klare Niederlage, aber für die Neulinge kein schlechter Start gegen einen EMTeilnehmer. „Viele haben gedacht, dass wir höher verlieren würden. Für unser erstes Spiel in einer WM-Qualifikation war das Resultat meiner Meinung nach mehr als in Ordnung. Denn so ein Tempo und Niveau kannten wir bislang nicht“, so Berscheid.
Als Gruppenvierter hat der Außenseiter im Moment sogar zwei Teams hinter sich: Lettland, das 1:8 gegen Österreich verlor, sowie das mit 0:8 gegen England unterlegene Nordmazedonien.
Berscheid ist eine der erfahrensten Spielerinnen der FLF-Auswahl. Sie war 2015 und 2017 bei Vorqualifikationsturnieren in Moldawien und auf den Färöern dabei. Aber auch für sie ist jetzt vieles neu: Die starken Gegner, die ungewohnte Intensität, der Druck, auf großer Bühne kein schlechtes Bild abzugeben.
Besonders im Fokus steht die Mannschaft beim ersten Heimspiel der Kampagne. England, Topfavorit der Gruppe D, tritt heute (20.15 Uhr) im Stade de Luxemburg gegen die FLF-Frauen an. Der Gegner war zuletzt zwei Mal im WM-Halbfinale. Die Spielerinnen sind bei berühmten Vereinen unter Vertrag, ihre Trainerin Sarina Wiegman war FIFA-Coach des Jahres 2020.
Der übermächtige Gegner und die größte Arena, in der die Luxemburgerinnen
je gespielt haben – die Kombination dürfte das Nervenkostüm besonders strapazieren.
Nervosität
Auch beim Auftakt in Larne in Nordirland war die Aufregung zunächst ein Problem. „Die Nervosität
war den Spielerinnen in der ganzen ersten Halbzeit anzumerken“, sagt Carine Nardecchia, die Präsidentin der FLF-Frauenfußballkommission. Doch die erste Partie habe nur einen Vorgeschmack auf das geboten, was nun gegen England bevorsteht: „Die Mannschaft muss sich bewusst sein, dass sie noch eine Schippe drauflegen muss.“
Möglich ist das, glaubt Berscheid. Denn bei den Gegentoren vom Freitag, von denen drei in der ersten Halbzeit fielen, seien auch „Geschenke“dabei gewesen. „Wir haben teilweise nicht ordentlich geklärt oder nicht entschieden genug dagegengehalten“, sagt die Verteidigerin.
„Es ist ein Lernprozess. Ich bin froh, dass die Kampagne jetzt endlich angefangen hat. Wir haben im Spiel gegen Nordirland so viel gelernt, dass wir gleich mehrere Schritte weitergekommen sind“, meint Nationaltrainer Dan Santos. Er findet: „Die Mannschaft hat sich tapfer geschlagen.“
Danach ging es vor allem um Regeneration, denn zwei so schwere Spiele kurz hintereinander sind Neuland für das Team. Nach der Partie in Larne nahm jede eingesetzte Akteurin ein Eisbad, um die Erholung der Muskulatur zu beschleunigen. Ein Physiotherapeut und ein Mentalcoach kümmerten sich um die Spielerinnen.
„Man darf sich jetzt nicht zu viel Druck machen“, sagt Berscheid über die bevorstehende Herkulesaufgabe. Sie freut sich auf das Stade de Luxembourg und darüber, dass Fans wie der M-Block ihre Unterstützung angekündigt haben. „Das bedeutet mir wirklich viel.“Denn auch das ist neu für sie.