Umstrittener Besuch in Dschidda
Während seiner Saudi-Arabien-Reise hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Kronprinz Mohammed bin Salman getroffen
Um sichtbaren Abstand oder Zurückhaltung war Emmanuel Macron nicht bemüht, als er vorgestern von dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman (alias MBS) vor einem Palast in Dschidda empfangen wurde. Der französische Präsident ist der erste westliche Staatschef, der seit dem wahrscheinlich von MBS befohlenen Mord an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi vor drei Jahren in das wahabitische Königreich gereist ist. Bei dem Treffen seien auch „kritische Themen“angesprochen worden.
Den Namen Khashoggi, dessen Leiche im saudischen Konsulat zerstückelt wurde und bis heute nicht wieder aufgetaucht ist, nannte Macron aber nicht. Es sei ein „direkter und wirkungsvoller Austausch“gewesen, beschrieb Macron sein Gespräch mit dem betont selbstbewusst auftretenden Saudi. Vorwürfe, er habe mit seinem Besuch den lange Zeit geächteten saudischen Thronfolger „legitimiert“und wieder „salonfähig“gemacht, wies er zurück.
In Saudi-Arabien würde die „Zukunft der ganzen Region“entschieden, verteidigte Macron seinen umstrittenen Besuch. Die vielen Krisen könnten nicht gelöst werden, wenn Saudi-Arabien ignoriert oder isoliert werde. Er halte Saudi-Arabien für unverzichtbar, um ein regionales Friedensabkommen mit dem Iran abzuschließen.
Saudi-Arabien bleibt ein regionaler Machtfaktor
Fast alle Experten in der Region halten dieses Argument für absolut stichhaltig. Wie wichtig MBS bei der Lösung regionaler Konflikte ist, zeigt nicht zuletzt auch die Krise im Libanon, die durch den von der saudischen Regierung angeordneten Abbruch der wirtschaftlichen Beziehungen ganz massiv verschärft wurde. Ausgelöst wurde die Krise durch den inzwischen zurückgetretenen libanesischen Informationsminister George Kurdahi. Er hatte es in einem Interview gewagt, den sechsjährigen Krieg der Saudis im Jemen zu kritisieren.
Vor allem um die Wogen zwischen Riad und Beirut wieder zu glätten, war Macron nach SaudiArabien gereist. Als Schutzpatron des Libanons, der bis zu seiner Unabhängigkeit im Jahr 1943 französisches Mandatsgebiet war, fühlte er sich dazu verpflichtet. Zum Zeichen ihrer guten Absichten riefen MBS und Macron gemeinsam den libanesischen Ministerpräsidenten
Mikati an und versprachen ihm, sich für eine bessere Versorgung mit Energie, Lebensmitteln sowie im humanitären Bereich einzusetzen. Nur so könnte die Grundlage für überfällige Reformen in dem Mittelmeeranrainerstaat geschaffen werden. Ob die Saudis ihren Absichtserklärungen Taten folgen lassen, werde sich „erst in den nächsten Wochen oder Monaten zeigen“, sagte Macron.
Was sich allerdings schon jetzt sagen lässt, ist, dass aus der Perspektive des saudischen Kronprinzen das zweite Adventswochenende ein großer Erfolg war. Verantwortlich dafür war nicht nur der französische Staatschef mit seiner Visite in Dschidda. Positive Schlagzeilen bescherten dem mutmaßlichen Auftragsmörder vor allem das Formel-1-Rennen gestern in der Hafenstadt am Roten Meer. Es waren aber nicht so sehr die Fahrer, die mit ihrer Teilnahme die vermeintlich „sportliche Seite“des totalitären Saudi-Arabien in den Mittelpunkt rückten, sondern internationale Popstars wie der Kanadier Justin Bieber.
Der junge Sänger war von Hatice Cengiz, der Witwe von Jamal Khashoggi, mehrfach aufgefordert worden, „nicht für die Mörder meines geliebten Jamal zu singen“. Er dürfe sich nicht dafür hergeben, den Ruf eines Regimes aufzupolieren, das seine Kritiker umbringt. Bieber ignorierte den Appell und sang gestern an der Strecke.