„Wir akzeptieren das nicht“
Premierminister Bettel stellt Plan gegen Radikalisierung in Aussicht
„Am vergangenen Samstag haben sich in der Hauptstadt Szenen abgespielt, die wir nicht akzeptieren können, die wir nicht akzeptieren werden.“Mit diesen Worten eröffnete Premierminister Xavier Bettel (DP) gestern seine Regierungserklärung nach den teils gewalttätigen Krawallen bei den Anti-Corona-Protesten. Bettel zog gleich zu Beginn seiner Rede klare Grenzen: Es ist nicht hinnehmbar, dass Demonstrationen nicht angemeldet werden und Menschen durch die Stadt ziehen, ohne die geltenden Regeln des Demonstrationsrechts zu respektieren. Es ist inakzeptabel, dass ganze Menschengruppen die Gesetze nicht respektieren und sich über die Corona-Maßnahmen hinwegsetzen, so ein sichtlich bewegter Premier. Man werde es auch nicht hinnehmen, dass das Mahnmal der Gëlle Fra, ein Symbol der Freiheit und der Unabhängigkeit, mit Parolen beschmutzt wird, die den Holocaust verharmlosen. Nicht hinnehmbar sei auch, dass
Weihnachtsmärkte gestürmt und friedliche Bürger, darunter viele Familien mit Kindern und ältere Personen, bedrängt werden. Und man werde nicht akzeptieren, dass Menschen in ihrem Zuhause nicht mehr sicher sind. Man werde aber auch nicht tolerieren, dass Journalisten eingeschüchtert werden: „Es geht um das Fundament unseres Rechtsstaats. Wir dürfen nicht zulassen, dass dieses Fundament auch nur ansatzweise zu bröckeln beginnt“, so der Premier mit Nachdruck.
Es dürfe keinen rechtsfreien Raum geben, die Einhaltung der Gesetze müsse kontrolliert und jede Form von Gewalt unterbunden werden. In dem Punkt seien sich die Regierung, die Polizei und die Stadt Luxemburg absolut einig: „Die Vorfälle vom vergangenen Samstag dürfen sich nicht wiederholen.“
Perimeter für Demonstrationen
Und damit Ausschreitung in Zukunft verhindert werden können, gilt ab kommendem Samstag für Demonstrationen eine klare umgrenzte Zone: Wer sich außerhalb dieses Perimeters zusammenfindet, um zu demonstrieren, befindet sich in der Illegalität, erklärte der Regierungschef: „Die Demokratie wird nicht vor einer gewaltbereiten Gruppe von Personen in die Knie gehen. Wir lassen uns nicht einschüchtern.“
Bei den Randalierern handele es sich um eine verschwindend kleine Minderheit, die breite Mehrheit der Gesellschaft verurteile Hass und Gewalt. Der Premier warnte denn auch davor, alle Demonstranten über einen Kamm zu scheren, und richtete einen Appell an die vielen friedlichen Protestler. Sie dürften sich nicht von den einigen wenigen gewaltbereiten Aufwieglern instrumentalisieren lassen: „Beteiligt Euch nicht an Demonstrationen, bei denen zu Hass und Gewalt aufgerufen wird.“
In einer Demokratie habe jeder das Recht, seine Meinung zu äußern und zu demonstrieren, so Bettel und wandte sich dann direkt an die Demonstranten: „Sie müssen aber akzeptieren, dass die Wissenschaft Ihre Meinung nicht teilt. Covid-19 existiert, und es handelt sich nicht um eine einfache Grippe. Über diese Fakten lässt sich nicht diskutieren.“Wer diese Tatsachen ignoriere, müsse sich bewusst sein, dass er die Gesundheit seiner Mitmenschen aufs Spiel setze. Die Worte Impfgegner, Impfverweigerer oder Corona-Leugner nahm Bettel übrigens zu keinem Zeitpunkt in den Mund.
Der Regierungschef widerlegte in seiner Rede allerdings deren Argumente: Trotz der Corona-Einschränkungen lebe man mitnichten in einer Diktatur. Dass seit Wochen, ja seit Monaten Proteste gegen die Corona-Politik stattfinden könnten, sei der beste Beweis, dass die Demokratie funktioniere. Er erinnerte noch einmal daran, dass in Luxemburg, anders als in den meisten anderen Ländern, alle Corona-Regeln vom Staatsrat begutachtet und vom Parlament verabschiedet wurden. Zudem habe sich die Regierung im Frühjahr 2021 bewusst gegen eine Verlängerung des Ausnahmezustands entschieden. Daher sei es geradezu ein Hohn, dass eine kleine Minderheit am Samstag versucht habe, den Eingang zum Parlament zu besetzen.
Das Feuer, das digital entfacht wurde, hat sich am Samstag zum ersten Mal massiv in der realen Welt ausgebreitet. Xavier Bettel, Premierminister
Desaster mit Vorankündigung
Wenn bei den Protesten Grenzen überschritten wurden, dann sei dies nicht ohne Vorankündigung passiert, räumte der Staatsminister ein: „Seit Wochen und Monaten ist ein Teil der Gesellschaft stramm auf diese Grenzen zumarschiert.“In den sozialen Netzwerken und in den Messenger-Diensten seien Hass und Gewalt weit verbreitet. Hetze und die Diskreditierung von wissenschaftlichen Fakten seien dort omnipräsent: „Die sozialen Netzwerke haben sich zu einem Brandherd entwickelt. Das Feuer, das digital entfacht wurde, hat sich am Samstag zum ersten Mal massiv in der realen Welt ausgebreitet.“
Der Regierungschef wertete die Vorfälle vom Wochenende daher als Symptom eines viel größeren