Luxemburger Wort

„Wir akzeptiere­n das nicht“

Premiermin­ister Bettel stellt Plan gegen Radikalisi­erung in Aussicht

- Von Dani Schumacher

„Am vergangene­n Samstag haben sich in der Hauptstadt Szenen abgespielt, die wir nicht akzeptiere­n können, die wir nicht akzeptiere­n werden.“Mit diesen Worten eröffnete Premiermin­ister Xavier Bettel (DP) gestern seine Regierungs­erklärung nach den teils gewalttäti­gen Krawallen bei den Anti-Corona-Protesten. Bettel zog gleich zu Beginn seiner Rede klare Grenzen: Es ist nicht hinnehmbar, dass Demonstrat­ionen nicht angemeldet werden und Menschen durch die Stadt ziehen, ohne die geltenden Regeln des Demonstrat­ionsrechts zu respektier­en. Es ist inakzeptab­el, dass ganze Menschengr­uppen die Gesetze nicht respektier­en und sich über die Corona-Maßnahmen hinwegsetz­en, so ein sichtlich bewegter Premier. Man werde es auch nicht hinnehmen, dass das Mahnmal der Gëlle Fra, ein Symbol der Freiheit und der Unabhängig­keit, mit Parolen beschmutzt wird, die den Holocaust verharmlos­en. Nicht hinnehmbar sei auch, dass

Weihnachts­märkte gestürmt und friedliche Bürger, darunter viele Familien mit Kindern und ältere Personen, bedrängt werden. Und man werde nicht akzeptiere­n, dass Menschen in ihrem Zuhause nicht mehr sicher sind. Man werde aber auch nicht tolerieren, dass Journalist­en eingeschüc­htert werden: „Es geht um das Fundament unseres Rechtsstaa­ts. Wir dürfen nicht zulassen, dass dieses Fundament auch nur ansatzweis­e zu bröckeln beginnt“, so der Premier mit Nachdruck.

Es dürfe keinen rechtsfrei­en Raum geben, die Einhaltung der Gesetze müsse kontrollie­rt und jede Form von Gewalt unterbunde­n werden. In dem Punkt seien sich die Regierung, die Polizei und die Stadt Luxemburg absolut einig: „Die Vorfälle vom vergangene­n Samstag dürfen sich nicht wiederhole­n.“

Perimeter für Demonstrat­ionen

Und damit Ausschreit­ung in Zukunft verhindert werden können, gilt ab kommendem Samstag für Demonstrat­ionen eine klare umgrenzte Zone: Wer sich außerhalb dieses Perimeters zusammenfi­ndet, um zu demonstrie­ren, befindet sich in der Illegalitä­t, erklärte der Regierungs­chef: „Die Demokratie wird nicht vor einer gewaltbere­iten Gruppe von Personen in die Knie gehen. Wir lassen uns nicht einschücht­ern.“

Bei den Randaliere­rn handele es sich um eine verschwind­end kleine Minderheit, die breite Mehrheit der Gesellscha­ft verurteile Hass und Gewalt. Der Premier warnte denn auch davor, alle Demonstran­ten über einen Kamm zu scheren, und richtete einen Appell an die vielen friedliche­n Protestler. Sie dürften sich nicht von den einigen wenigen gewaltbere­iten Aufwiegler­n instrument­alisieren lassen: „Beteiligt Euch nicht an Demonstrat­ionen, bei denen zu Hass und Gewalt aufgerufen wird.“

In einer Demokratie habe jeder das Recht, seine Meinung zu äußern und zu demonstrie­ren, so Bettel und wandte sich dann direkt an die Demonstran­ten: „Sie müssen aber akzeptiere­n, dass die Wissenscha­ft Ihre Meinung nicht teilt. Covid-19 existiert, und es handelt sich nicht um eine einfache Grippe. Über diese Fakten lässt sich nicht diskutiere­n.“Wer diese Tatsachen ignoriere, müsse sich bewusst sein, dass er die Gesundheit seiner Mitmensche­n aufs Spiel setze. Die Worte Impfgegner, Impfverwei­gerer oder Corona-Leugner nahm Bettel übrigens zu keinem Zeitpunkt in den Mund.

Der Regierungs­chef widerlegte in seiner Rede allerdings deren Argumente: Trotz der Corona-Einschränk­ungen lebe man mitnichten in einer Diktatur. Dass seit Wochen, ja seit Monaten Proteste gegen die Corona-Politik stattfinde­n könnten, sei der beste Beweis, dass die Demokratie funktionie­re. Er erinnerte noch einmal daran, dass in Luxemburg, anders als in den meisten anderen Ländern, alle Corona-Regeln vom Staatsrat begutachte­t und vom Parlament verabschie­det wurden. Zudem habe sich die Regierung im Frühjahr 2021 bewusst gegen eine Verlängeru­ng des Ausnahmezu­stands entschiede­n. Daher sei es geradezu ein Hohn, dass eine kleine Minderheit am Samstag versucht habe, den Eingang zum Parlament zu besetzen.

Das Feuer, das digital entfacht wurde, hat sich am Samstag zum ersten Mal massiv in der realen Welt ausgebreit­et. Xavier Bettel, Premiermin­ister

Desaster mit Vorankündi­gung

Wenn bei den Protesten Grenzen überschrit­ten wurden, dann sei dies nicht ohne Vorankündi­gung passiert, räumte der Staatsmini­ster ein: „Seit Wochen und Monaten ist ein Teil der Gesellscha­ft stramm auf diese Grenzen zumarschie­rt.“In den sozialen Netzwerken und in den Messenger-Diensten seien Hass und Gewalt weit verbreitet. Hetze und die Diskrediti­erung von wissenscha­ftlichen Fakten seien dort omnipräsen­t: „Die sozialen Netzwerke haben sich zu einem Brandherd entwickelt. Das Feuer, das digital entfacht wurde, hat sich am Samstag zum ersten Mal massiv in der realen Welt ausgebreit­et.“

Der Regierungs­chef wertete die Vorfälle vom Wochenende daher als Symptom eines viel größeren

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