„Et geet elo duer“
Parlamentarier verurteilen Ausschreitungen vom Wochenende aufs Schärfste
Alle im Parlament vertretenen Parteien verurteilten gestern die gewaltvollen Ausschreitungen am Wochenende in der Hauptstadt aufs Schärfste. CSV-Sprecherin Martine Hansen sprach von einem Angriff auf die Grundprinzipien der Demokratie und meinte, Freiheit sei kein Freifahrtschein für Gewaltanwendung. Eine Minderheit missbrauche die Skepsis gegenüber der Covid-Strategie, „um unsere Demokratie in Frage zu stellen“, sagte DP-Fraktionschef Gilles Baum. Und LSAP-Fraktionschef Georges Engel sagte: „Menschen, die behaupten, sie hätten keine Meinungsfreiheit und würden in einer Diktatur leben, nutzen unseren freien Rechtsstaat und unsere solidarische Gesellschaft, um ihre Meinung zu sagen. Das ist paradox.“
Alle Redner bekannten sich zum Versammlungs- und Demonstrationsrecht sowie zum Recht auf freie Meinungsäußerung. „Doch was sich am Samstagnachmittag in der Stadt zugetragen hat, hat nichts mit Meinungsfreiheit zu tun“, sagte Laurent Mosar (CSV). Bei den Ausschreitungen, darüber war man sich parteiübergreifend einig, wurden „Grenzen überschritten“und der „Rechtsstaat in seinen Grundfesten erschüttert“, so Fraktionschefin Josée Lorsché und Henri Kox, Minister für innere Sicherheit (beide Déi Gréng). Die Anwendung von Gewalt und ganz besonders die Gleichstellung der Corona-Politik mit Nazimethoden, die Gleichstellung des CovidCheck mit dem Judenstern seien inakzeptabel und gehörten bestraft.
Unermessliches Leid verharmlost „Es geht einfach nicht, das unermessliche Leid von Millionen von jüdischen Bürgern mit den aktuellen Einschränkungen gleichzusetzen“, sagte Pirat Sven Clement.
Auch die Bedrohung von Familien mit Kindern und die Einschüchterungsversuche
durch Demonstranten vor dem privaten Anwesen von Premierminister Xavier Bettel und Familienministerin Corinne Cahen (beide DP) wurden von allen Rednern aufs Schärfste verurteilt.
Wichtig war den Rednern aber auch, nicht alle Teilnehmer der nicht angemeldeten Demo in einen Topf zu werfen und zu betonen, dass es sich bei den gewaltbereiten Demonstranten um eine Minderheit gehandelt habe – was die friedlichen Teilnehmer aber nicht von ihrer Verantwortung entbinde. „Wer sich einer unangemeldeten Demo anschließt, bei der von Anfang an Gewalt angekündigt wurde, muss wissen, dass er eine illegale Veranstaltung und Randalierer unterstützt, die nur darauf aus sind, Gewalt zu verbreiten. Wer da mitläuft, unterstützt deren Agenda“, sagte Stéphanie Empain (Déi Gréng) und startete einen Aufruf an alle – ungeachtet ihrer Haltung zu den Corona-Maßnahmen –, sich gut zu überlegen, „ob sie neben Antisemiten und Antidemokraten mitlaufen wollen“. „Wer sich nicht unmittelbar von gewaltbereiten Demonstranten trennt, drückt seine Unterstützung aus“, meinte dazu Sven Clement.
Auch Nathalie Oberweis (Déi Lénk) mahnte dazu, zwischen friedlichen Demonstranten, die ihren Protest gegen die CoronaPolitik ausdrücken wollen, und Randalierern zu unterscheiden. Ihrer Einschätzung nach seien Ungeimpfte in den vergangenen Monaten zu sehr beschuldigt, zu sehr in die Ecke gedrückt worden. Wie Martine Hansen warf auch sie der Regierung vor, nicht gut kommuniziert und nicht ausreichend auf die Bedenken und Sorgen von Impfskeptikern eingegangen zu sein. Oberweis gab aber, wie andere Redner auch, der ADR eine Mitschuld an den Vorkommnissen. Die ADR habe im Zusammenhang mit der Verfassungsreform bewusst Falschinformationen genährt und damit Ängste und Misstrauen in der Gesellschaft geschürt. „Das ist der Nährboden, auf dem das Phänomen vom Wochenende gewachsen ist“, so Oberweis.
Im Kreuzfeuer der Kritik stand gestern der ADR-Vertreter Roy Reding – bekennender Impfgegner – wegen seiner Äußerungen in den sozialen Medien zur Corona-Politik. Ihm und seiner Partei wurde gestern vorgeworfen, Hetze zu betreiben, Menschen aufzustacheln und so für die Ausschreitungen mitverantwortlich zu sein.
ADR unter massiver Kritik
Dem Aufruf, seinen Hut zu nehmen, ist Roy Reding allerdings nicht gefolgt. Er konnte sich auf den Rückhalt von Fernand Kartheiser verlassen, der gestern die Hand über ihn gehalten und die Position der ADR in der CoronaDebatte verteidigt hat. Die ADR sage Ja zur Demokratie und Nein zu Gewalt, sagte Kartheiser. Seine Partei fühlt sich zu Unrecht an den Pranger gestellt und führt dies auf die kritische Haltung zur CoronaPolitik zurück. Die ADR bestehe auf der Freiwilligkeit von Impfungen und wehre sich dagegen, dass Ungeimpfte zum Sündenbock der Pandemie erklärt werden. „Wir sind alle Teil des Problems und Teil der Lösung. Wir sind gegen einseitige Schuldzuweisungen und Ausgrenzungen“, so Kartheiser.
Bezug nehmend auf die Kritik an seiner Person wegen des Polizeieinsatzes, erklärte Minister Henri Kox, dass die Polizei vorab eine Risikoanalyse vorgenommen habe und die Zahl der Einsatzkräfte erhöht worden sei. Dennoch räumte er Fehler ein und gab sein Versprechen, dass sich Szenen wie am Wochenende nicht wiederholen würden. So werden für künftige Demonstrationen Sicherheitsperimeter definiert, innerhalb derer die Demonstranten sich bewegen müssen. Man werde alles daran setzen, Gewaltausbrüche im Keim zu ersticken, so Henri Kox.