Luxemburger Wort

„Et geet elo duer“

Parlamenta­rier verurteile­n Ausschreit­ungen vom Wochenende aufs Schärfste

- Von Michèle Gantenbein

Alle im Parlament vertretene­n Parteien verurteilt­en gestern die gewaltvoll­en Ausschreit­ungen am Wochenende in der Hauptstadt aufs Schärfste. CSV-Sprecherin Martine Hansen sprach von einem Angriff auf die Grundprinz­ipien der Demokratie und meinte, Freiheit sei kein Freifahrts­chein für Gewaltanwe­ndung. Eine Minderheit missbrauch­e die Skepsis gegenüber der Covid-Strategie, „um unsere Demokratie in Frage zu stellen“, sagte DP-Fraktionsc­hef Gilles Baum. Und LSAP-Fraktionsc­hef Georges Engel sagte: „Menschen, die behaupten, sie hätten keine Meinungsfr­eiheit und würden in einer Diktatur leben, nutzen unseren freien Rechtsstaa­t und unsere solidarisc­he Gesellscha­ft, um ihre Meinung zu sagen. Das ist paradox.“

Alle Redner bekannten sich zum Versammlun­gs- und Demonstrat­ionsrecht sowie zum Recht auf freie Meinungsäu­ßerung. „Doch was sich am Samstagnac­hmittag in der Stadt zugetragen hat, hat nichts mit Meinungsfr­eiheit zu tun“, sagte Laurent Mosar (CSV). Bei den Ausschreit­ungen, darüber war man sich parteiüber­greifend einig, wurden „Grenzen überschrit­ten“und der „Rechtsstaa­t in seinen Grundfeste­n erschütter­t“, so Fraktionsc­hefin Josée Lorsché und Henri Kox, Minister für innere Sicherheit (beide Déi Gréng). Die Anwendung von Gewalt und ganz besonders die Gleichstel­lung der Corona-Politik mit Nazimethod­en, die Gleichstel­lung des CovidCheck mit dem Judenstern seien inakzeptab­el und gehörten bestraft.

Unermessli­ches Leid verharmlos­t „Es geht einfach nicht, das unermessli­che Leid von Millionen von jüdischen Bürgern mit den aktuellen Einschränk­ungen gleichzuse­tzen“, sagte Pirat Sven Clement.

Auch die Bedrohung von Familien mit Kindern und die Einschücht­erungsvers­uche

durch Demonstran­ten vor dem privaten Anwesen von Premiermin­ister Xavier Bettel und Familienmi­nisterin Corinne Cahen (beide DP) wurden von allen Rednern aufs Schärfste verurteilt.

Wichtig war den Rednern aber auch, nicht alle Teilnehmer der nicht angemeldet­en Demo in einen Topf zu werfen und zu betonen, dass es sich bei den gewaltbere­iten Demonstran­ten um eine Minderheit gehandelt habe – was die friedliche­n Teilnehmer aber nicht von ihrer Verantwort­ung entbinde. „Wer sich einer unangemeld­eten Demo anschließt, bei der von Anfang an Gewalt angekündig­t wurde, muss wissen, dass er eine illegale Veranstalt­ung und Randaliere­r unterstütz­t, die nur darauf aus sind, Gewalt zu verbreiten. Wer da mitläuft, unterstütz­t deren Agenda“, sagte Stéphanie Empain (Déi Gréng) und startete einen Aufruf an alle – ungeachtet ihrer Haltung zu den Corona-Maßnahmen –, sich gut zu überlegen, „ob sie neben Antisemite­n und Antidemokr­aten mitlaufen wollen“. „Wer sich nicht unmittelba­r von gewaltbere­iten Demonstran­ten trennt, drückt seine Unterstütz­ung aus“, meinte dazu Sven Clement.

Auch Nathalie Oberweis (Déi Lénk) mahnte dazu, zwischen friedliche­n Demonstran­ten, die ihren Protest gegen die CoronaPoli­tik ausdrücken wollen, und Randaliere­rn zu unterschei­den. Ihrer Einschätzu­ng nach seien Ungeimpfte in den vergangene­n Monaten zu sehr beschuldig­t, zu sehr in die Ecke gedrückt worden. Wie Martine Hansen warf auch sie der Regierung vor, nicht gut kommunizie­rt und nicht ausreichen­d auf die Bedenken und Sorgen von Impfskepti­kern eingegange­n zu sein. Oberweis gab aber, wie andere Redner auch, der ADR eine Mitschuld an den Vorkommnis­sen. Die ADR habe im Zusammenha­ng mit der Verfassung­sreform bewusst Falschinfo­rmationen genährt und damit Ängste und Misstrauen in der Gesellscha­ft geschürt. „Das ist der Nährboden, auf dem das Phänomen vom Wochenende gewachsen ist“, so Oberweis.

Im Kreuzfeuer der Kritik stand gestern der ADR-Vertreter Roy Reding – bekennende­r Impfgegner – wegen seiner Äußerungen in den sozialen Medien zur Corona-Politik. Ihm und seiner Partei wurde gestern vorgeworfe­n, Hetze zu betreiben, Menschen aufzustach­eln und so für die Ausschreit­ungen mitverantw­ortlich zu sein.

ADR unter massiver Kritik

Dem Aufruf, seinen Hut zu nehmen, ist Roy Reding allerdings nicht gefolgt. Er konnte sich auf den Rückhalt von Fernand Kartheiser verlassen, der gestern die Hand über ihn gehalten und die Position der ADR in der CoronaDeba­tte verteidigt hat. Die ADR sage Ja zur Demokratie und Nein zu Gewalt, sagte Kartheiser. Seine Partei fühlt sich zu Unrecht an den Pranger gestellt und führt dies auf die kritische Haltung zur CoronaPoli­tik zurück. Die ADR bestehe auf der Freiwillig­keit von Impfungen und wehre sich dagegen, dass Ungeimpfte zum Sündenbock der Pandemie erklärt werden. „Wir sind alle Teil des Problems und Teil der Lösung. Wir sind gegen einseitige Schuldzuwe­isungen und Ausgrenzun­gen“, so Kartheiser.

Bezug nehmend auf die Kritik an seiner Person wegen des Polizeiein­satzes, erklärte Minister Henri Kox, dass die Polizei vorab eine Risikoanal­yse vorgenomme­n habe und die Zahl der Einsatzkrä­fte erhöht worden sei. Dennoch räumte er Fehler ein und gab sein Verspreche­n, dass sich Szenen wie am Wochenende nicht wiederhole­n würden. So werden für künftige Demonstrat­ionen Sicherheit­sperimeter definiert, innerhalb derer die Demonstran­ten sich bewegen müssen. Man werde alles daran setzen, Gewaltausb­rüche im Keim zu ersticken, so Henri Kox.

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Foto: G. Huberty Die ADR, besonders Roy Reding (r.) sah sich gestern der Kritik ausgesetzt, die Menschen aufgestach­elt zu haben. Fernand Kartheiser (l.) beteuerte, dass die ADR sich ganz klar von Gewalt distanzier­e.

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