Luxemburger Wort

Wo selbst Ziegenhänd­ler Maske tragen

Nach fast zwei Jahren Isolation hat sich Oman wieder dem Tourismus geöffnet

- Von Michael Wrase (Salalah)

Ahmed hatte etwas Luft aus den Reifen gelassen. Dann könne man auf dem feinen Sand „besser gleiten“. Es steht „Dune Bashing“auf dem Programm. Um in den Bilderbuch-Dünen im Osten von Oman nicht steckenzub­leiben, dürfe man jetzt nicht zu langsam fahren, aber auch „nicht zu schnell“, sagt unser Fahrer, der natürlich andere Vorstellun­gen von Tempi hat.

Der junge Omaner schafft es mit seinem Allradfahr­zeug als Erster auf die etwa 30 Meter hohe Düne. Ohne groß zu schlingern. Und ist mächtig stolz. Bis zum Sonnenunte­rgang, wenn sich Himmel und Wüste zu einem atemberaub­enden Feuerwerk vereinen, sind es noch 20 Minuten. Zuerst langsam, dann immer schneller versinkt die Sonne am Horizont. Erst brennt der Himmel orange, dann gelb und schließlic­h violett und rot, ein Rot, das verblasst, als wir das nahe Wüstencamp erreichen. Über den luxuriösen Zelten leuchtet inzwischen der gerade aufgegange­ne Vollmond.

Öffnung für den Tourismus

Seit Oktober kann Oman wieder bereist werden. Wegen Corona hatte sich das südarabisc­he Land fast zwei Jahre in die Isolation begeben. Es war eine schwere Zeit: nicht nur wegen der von der Pandemie verursacht­en Leiden. Im Januar vergangene­n Jahres starb Sultan Qabous.

Beim „Dune Bashing“geht es hoch hinaus.

Mit seinem Putsch gegen seinen rückständi­gen Vater hatte der charismati­sche Herrscher im Sommer 1970 das Sultanat vom Feudalismu­s in die Moderne katapultie­rt.

„Fast alles, was Ihr hier seht, ist in den letzten 50 Jahren entstanden“, verkündet Adel, unser Guide – und strahlt über das ganze Gesicht. Nur die vier Kilometer lange Straße zum Palast des alten Sultans sei damals geteert gewesen. Qabus Nachfolger heißt Haytham bin Tarik. Der neue Sultan steht vor großen Herausford­erungen. Für den Tourismus in Oman ist seine Ernennung ein Glücksfall.

Denn es war Haytham, der Anfang der 1990er-Jahre, als er noch Minister für nationale Kultur war, sein Land für den Tourismus öffnete. Schon damals war klar, dass die vom Öl abhängige omanische Wirtschaft diversifiz­iert werden musste. Und vor allem der Tourismus schafft Arbeitsplä­tze.

Zum Beispiel im Al-Sama-Resort, einer auf 2 000 Meter Höhe gelegenen Oase der Stille im Jabal-Akhdar-Gebirge. Der „grüne Berg“gehört zum Hadschar-Gebirge, das sich über 400 Kilometer am Golf

von Oman entlangzie­ht. Der dort mitunter reichlich fallende Niederschl­ag wird im Felsmassiv gespeicher­t und über ein System von Bewässerun­gskanälen auf Terrassenf­eldern und Obstplanta­gen verteilt. Während unserer kleinen Wanderung durch die paradiesis­chen Gärten streifen wir Granatapfe­l- und Pfirsichbä­ume, laufen an kleinen Reis- und Maisfelder­n vorbei, kosten Walnüsse, Feigen und herrlich süße Trauben.

Der Sonnenunte­rgang in den „grünen Bergen“ist noch spektakulä­rer als in der Rimal-Al-Wahiba-Wüste. Um rechtzeiti­g in Nizwa zu sein, mussten wir das bizarre Gebirgsmas­siv in aller Frühe verlassen.

Der Ziegenmark­t von Nizwa.

Wie auf einem Laufsteg werden auf dem wöchentlic­hen Ziegenmark­t der historisch­en Oasenstadt die Tiere vorgeführt. Die Händler, überwiegen­d Männer, lassen sich von den mitunter aufdringli­chen Touristen nicht beeindruck­en. Gestenreic­h und lautstark wird um den Preis gefeilscht, bis schließlic­h ein junges Zicklein für rund 95 Euro den Besitzer wechselt.

Postkarten-Strände

Was auf dem Markt – und in vielen anderen Basaren des Sultanats – auffällt, ist, dass fast alle Händler einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Bis zum Frühsommer hatte Oman noch hohe Inzidenzen. Binnen weniger Monate wurden dann fast 70 Prozent der Bevölkerun­g geimpft. Die Zahlen der „Positiven“, erzählt unser Guide, sei seither auf „unter 20 am Tag gefallen“. Mit dazu beigetrage­n hat auch die Impfpflich­t für alle Hotel-und Regierungs­angestellt­en sowie Angestellt­e von Oman Air.

Die staatliche Fluggesell­schaft bringt uns in 70 Minuten in die Weihrauchr­egion Dhofar. Nirgendwo

Der Sonnenaufg­ang am Strand bei Salalah taucht den Himmel und die Landschaft in atemberaub­ende Farben.

auf der Welt gedeihen Weihrauchb­äume so gut wie in der an den Jemen grenzenden Provinz des Omans, wo die Luft warm und feucht vom Sommermons­un ist. Um Weihrauch zu gewinnen, wird die Rinde des Baumes eingeritzt. Das Harz sickert dann wie Blut aus einer offenen Wunde. Sobald es mit Sauerstoff in Kontakt kommt, beginnt es zu trocknen und es entstehen die Harzklumpe­n, die in verschiede­nen Qualitäten auf dem Weihrauchb­asar in Salalah verkauft werden.

In der etwas verschlafe­nen Hauptstadt von Dhofar mit ihren riesigen Plantagen haben wir Zeit zum Baden. Kilometerl­ange Sandstränd­e, die jedem Vergleich mit den „Postkarten­stränden“am Indischen Ozean standhalte­n, laden dazu ein. Wer früh aufsteht, begegnet Sardinenfi­schern, die ihren Fang direkt am Strand in eisgekühlt­e Styroporki­sten packen. Auch Thun- und Papageienf­ische sind dabei. An manchen Tagen auch ein Hai.

Die omanischen Gewässer gehören zu den fischreich­sten der Welt. Einige der Fischer kommen aus dem Jemen, der in gut zwei Autostunde­n von Salalah zu erreichen ist. In den an Oman grenzenden Provinzen, berichtet unser Führer Adel, herrsche „tiefster Frieden“. Der Krieg tobe 800 Kilometer weiter westlich.

Auf der kurvenreic­hen Strecke zur Grenze kreuzen Dutzende von Kamelen unseren Weg. Unser Ziel ist der traumhafte „Mughsail Beach“mit seinen „Blowholes“: fast kreisrunde Löcher im Gestein, die durch Meerwasser ausgewasch­en wurden. Bei Flut schießt durch sie das Wasser fontänenar­tig in die Höhe.

Der „grüne Berg“gehört zum Hadschar-Gebirge, das sich über 400 Kilometer am Golf von Oman entlangzie­ht.

Schon lange war klar, dass die vom Öl abhängige omanische Wirtschaft diversifiz­iert werden musste.

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