Wo selbst Ziegenhändler Maske tragen
Nach fast zwei Jahren Isolation hat sich Oman wieder dem Tourismus geöffnet
Ahmed hatte etwas Luft aus den Reifen gelassen. Dann könne man auf dem feinen Sand „besser gleiten“. Es steht „Dune Bashing“auf dem Programm. Um in den Bilderbuch-Dünen im Osten von Oman nicht steckenzubleiben, dürfe man jetzt nicht zu langsam fahren, aber auch „nicht zu schnell“, sagt unser Fahrer, der natürlich andere Vorstellungen von Tempi hat.
Der junge Omaner schafft es mit seinem Allradfahrzeug als Erster auf die etwa 30 Meter hohe Düne. Ohne groß zu schlingern. Und ist mächtig stolz. Bis zum Sonnenuntergang, wenn sich Himmel und Wüste zu einem atemberaubenden Feuerwerk vereinen, sind es noch 20 Minuten. Zuerst langsam, dann immer schneller versinkt die Sonne am Horizont. Erst brennt der Himmel orange, dann gelb und schließlich violett und rot, ein Rot, das verblasst, als wir das nahe Wüstencamp erreichen. Über den luxuriösen Zelten leuchtet inzwischen der gerade aufgegangene Vollmond.
Öffnung für den Tourismus
Seit Oktober kann Oman wieder bereist werden. Wegen Corona hatte sich das südarabische Land fast zwei Jahre in die Isolation begeben. Es war eine schwere Zeit: nicht nur wegen der von der Pandemie verursachten Leiden. Im Januar vergangenen Jahres starb Sultan Qabous.
Beim „Dune Bashing“geht es hoch hinaus.
Mit seinem Putsch gegen seinen rückständigen Vater hatte der charismatische Herrscher im Sommer 1970 das Sultanat vom Feudalismus in die Moderne katapultiert.
„Fast alles, was Ihr hier seht, ist in den letzten 50 Jahren entstanden“, verkündet Adel, unser Guide – und strahlt über das ganze Gesicht. Nur die vier Kilometer lange Straße zum Palast des alten Sultans sei damals geteert gewesen. Qabus Nachfolger heißt Haytham bin Tarik. Der neue Sultan steht vor großen Herausforderungen. Für den Tourismus in Oman ist seine Ernennung ein Glücksfall.
Denn es war Haytham, der Anfang der 1990er-Jahre, als er noch Minister für nationale Kultur war, sein Land für den Tourismus öffnete. Schon damals war klar, dass die vom Öl abhängige omanische Wirtschaft diversifiziert werden musste. Und vor allem der Tourismus schafft Arbeitsplätze.
Zum Beispiel im Al-Sama-Resort, einer auf 2 000 Meter Höhe gelegenen Oase der Stille im Jabal-Akhdar-Gebirge. Der „grüne Berg“gehört zum Hadschar-Gebirge, das sich über 400 Kilometer am Golf
von Oman entlangzieht. Der dort mitunter reichlich fallende Niederschlag wird im Felsmassiv gespeichert und über ein System von Bewässerungskanälen auf Terrassenfeldern und Obstplantagen verteilt. Während unserer kleinen Wanderung durch die paradiesischen Gärten streifen wir Granatapfel- und Pfirsichbäume, laufen an kleinen Reis- und Maisfeldern vorbei, kosten Walnüsse, Feigen und herrlich süße Trauben.
Der Sonnenuntergang in den „grünen Bergen“ist noch spektakulärer als in der Rimal-Al-Wahiba-Wüste. Um rechtzeitig in Nizwa zu sein, mussten wir das bizarre Gebirgsmassiv in aller Frühe verlassen.
Der Ziegenmarkt von Nizwa.
Wie auf einem Laufsteg werden auf dem wöchentlichen Ziegenmarkt der historischen Oasenstadt die Tiere vorgeführt. Die Händler, überwiegend Männer, lassen sich von den mitunter aufdringlichen Touristen nicht beeindrucken. Gestenreich und lautstark wird um den Preis gefeilscht, bis schließlich ein junges Zicklein für rund 95 Euro den Besitzer wechselt.
Postkarten-Strände
Was auf dem Markt – und in vielen anderen Basaren des Sultanats – auffällt, ist, dass fast alle Händler einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Bis zum Frühsommer hatte Oman noch hohe Inzidenzen. Binnen weniger Monate wurden dann fast 70 Prozent der Bevölkerung geimpft. Die Zahlen der „Positiven“, erzählt unser Guide, sei seither auf „unter 20 am Tag gefallen“. Mit dazu beigetragen hat auch die Impfpflicht für alle Hotel-und Regierungsangestellten sowie Angestellte von Oman Air.
Die staatliche Fluggesellschaft bringt uns in 70 Minuten in die Weihrauchregion Dhofar. Nirgendwo
Der Sonnenaufgang am Strand bei Salalah taucht den Himmel und die Landschaft in atemberaubende Farben.
auf der Welt gedeihen Weihrauchbäume so gut wie in der an den Jemen grenzenden Provinz des Omans, wo die Luft warm und feucht vom Sommermonsun ist. Um Weihrauch zu gewinnen, wird die Rinde des Baumes eingeritzt. Das Harz sickert dann wie Blut aus einer offenen Wunde. Sobald es mit Sauerstoff in Kontakt kommt, beginnt es zu trocknen und es entstehen die Harzklumpen, die in verschiedenen Qualitäten auf dem Weihrauchbasar in Salalah verkauft werden.
In der etwas verschlafenen Hauptstadt von Dhofar mit ihren riesigen Plantagen haben wir Zeit zum Baden. Kilometerlange Sandstrände, die jedem Vergleich mit den „Postkartenstränden“am Indischen Ozean standhalten, laden dazu ein. Wer früh aufsteht, begegnet Sardinenfischern, die ihren Fang direkt am Strand in eisgekühlte Styroporkisten packen. Auch Thun- und Papageienfische sind dabei. An manchen Tagen auch ein Hai.
Die omanischen Gewässer gehören zu den fischreichsten der Welt. Einige der Fischer kommen aus dem Jemen, der in gut zwei Autostunden von Salalah zu erreichen ist. In den an Oman grenzenden Provinzen, berichtet unser Führer Adel, herrsche „tiefster Frieden“. Der Krieg tobe 800 Kilometer weiter westlich.
Auf der kurvenreichen Strecke zur Grenze kreuzen Dutzende von Kamelen unseren Weg. Unser Ziel ist der traumhafte „Mughsail Beach“mit seinen „Blowholes“: fast kreisrunde Löcher im Gestein, die durch Meerwasser ausgewaschen wurden. Bei Flut schießt durch sie das Wasser fontänenartig in die Höhe.
Der „grüne Berg“gehört zum Hadschar-Gebirge, das sich über 400 Kilometer am Golf von Oman entlangzieht.
Schon lange war klar, dass die vom Öl abhängige omanische Wirtschaft diversifiziert werden musste.