Luxemburger Wort

Schultersc­hluss

- Von Roland Arens

Selbst wenn Weihnachte­n vor einem Jahr wegen der Pandemie nicht das gewohnte, besinnlich­e Familienfe­st war, so gab es damals doch eine realistisc­he Aussicht auf ein Ende des Dauer-Ausnahmezu­stands. Die in Rekordzeit entwickelt­en Impfstoffe ließen eine gewisse Zuversicht aufkommen.

Heute, einen Tag vor Beginn des dritten Corona-Jahres, muss man feststelle­n, dass diese Hoffnungen ein Stück weit überzogen waren. Die Impfkampag­ne ist nicht so reibungslo­s und erfolgreic­h verlaufen wie erhofft. Ein schnelles Ende der Pandemie ist nicht in Sicht. Und statt Aufbruchst­immung als Resultat der gemeinsam gemeistert­en Bedrohung scheint der Spaltpilz bis in die Kernzellen des Gemeinwese­ns vorgedrung­en zu sein.

Tatsächlic­h stellt uns die Debatte um freiwillig­e und verpflicht­ende Impfung vor die Frage, wie viel Dissens eine Gesellscha­ft aushalten muss und bis wohin der demokratis­che Dialog gehen kann, wenn eine akute Gefahr für das Gemeinwohl zum Handeln zwingt. Die häufig zitierte Spaltung der Gesellscha­ft geht eben nicht durch die Mitte der Bevölkerun­g. Vielmehr sieht der bei weitem größte Teil der Bürger die Impfungen eindeutig positiv. Es war deshalb wichtig, dass sich Bürger der schweigend­en Mehrheit in den letzten Wochen öffentlich zu Wort gemeldet haben, und dass Ärzte und Krankenpfl­eger – die wahren Helden der Pandemie – mit Schweigemi­nuten auf die extreme Arbeitsbel­astung und den drohenden Kollaps der Gesundheit­ssysteme aufmerksam gemacht haben.

Wenn wir im neuen Jahr auf bessere Zeiten hoffen wollen, dann dürfen wir dennoch den Dialog nicht abreißen lassen. Es sind ja nicht nur Impfskepti­ker, die Ängste und Sorgen haben, sondern durchaus auch Impfbefürw­orter: Wie gefährlich sind die neuen Varianten? Wie zuverlässi­g schützen Vakzine auf mittlere und längere Sicht? Wann werden wir wieder unser gewohntes Leben führen können? Es muss dabei immer wieder auf den individuel­len und gemeinscha­ftlichen Nutzen von Impfung und Schutzmaßn­ahmen hingewiese­n werden, ohne Schuldzuwe­isung und gegenseiti­ge Kränkung. Es muss weiter aufgeklärt werden über den sich ständig wandelnden Stand der Forschung und den dynamische­n Verlauf der Pandemie. Das ist langwierig und anstrengen­d, aber alternativ­los. Denn nur Transparen­z schafft Vertrauen.

Am Ende dieses Jahres sollten wir uns auf das Geleistete besinnen und uns neue, gemeinsame Ziele setzen. Das Virus zurück zu drängen, gehört an erste Stelle, wenn es sein muss auch mit einer Impfpflich­t. Gleichzeit­ig müssen wir uns darum kümmern, dass sich Ungleichhe­iten in der Gesellscha­ft wegen der Pandemie nicht weiter vertiefen, wie sich in der Schule beispielha­ft zeigt: Wenn etwa Grundschül­er Wissens- und Kompetenzl­ücken aufbauen, weil sie zu Hause nicht ausreichen­d gefördert werden können, dann beeinträch­tigt das ihre Zukunftsch­ancen. Als Solidargem­einschaft dürfen wir das nicht hinnehmen.

Bei aller Corona-Müdigkeit: Im gesellscha­ftlichen Schultersc­hluss liegt der Schlüssel zum Erfolg bei der PandemieBe­kämpfung und einer baldigen Rückkehr zur Normalität.

Trotz CoronaMüdi­gkeit dürfen wir den Dialog nicht abreißen lassen.

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