Luxemburger Wort

Unser Euro-Bargeld hat Geburtstag

- Von Christine Lagarde *

Der 1. Januar war für mich schon immer ein besonderer Tag. Natürlich ist er das für uns alle, weil an diesem Tag ein neues Jahr beginnt. Es ist aber auch mein Geburtstag. Und am 1. Januar 2002 gab es einen weiteren Grund zu feiern: Damals wurden im Euroraum, der seinerzeit noch aus zwölf Staaten bestand, die Banknoten und Münzen der einheitlic­hen Währung eingeführt.

Ich verbrachte diesen Tag mit meiner Familie und Freunden in unserem Haus in der Normandie. Kurz vor Mitternach­t machten wir uns auf den Weg zum nächstgele­genen Geldautoma­ten, denn wir konnten es kaum erwarten, unsere ersten EuroBankno­ten in den Händen zu halten. Einige meiner Freunde gingen davon aus, dass die Automaten noch nicht auf die neue Währung umgestellt seien und dass wir folglich keine EuroBankno­ten bekommen würden. Wir schlossen also eine Wette ab: Sollte der Automat statt der Euro-Banknoten französisc­he Francs ausgeben, dürften sie das Geld behalten.

Nach Mitternach­t stellten wir den Geldautoma­ten auf die Probe. Er spuckte brandneue EuroGeldsc­heine aus, und wir stießen alle zusammen auf die neue europäisch­e Währung an.

Dieser ganz private Augenblick war ein winziges Detail der größten Währungsum­stellung, die es jemals auf der Welt gegeben hat – und das Euro-Währungsge­biet ist seitdem stetig gewachsen. Aus den zwölf Staaten sind 19 geworden. Mehr als 340 Millionen Menschen in Europa teilen mittlerwei­le – ungeachtet ihrer Sprache, Kultur oder nationalen Grenzen – eine gemeinsame Währung. Der Euro hat uns als Europäerin­nen und Europäer geeint. Auf die Frage, was die Bürgerinne­n und Bürger mit der Europäisch­en Union verbinden, antwortete­n bei der jüngsten Eurobarome­ter-Umfrage 41 Prozent: der Euro! Damit rangiert unsere einheitlic­he Währung hinter dem freien Personenve­rkehr auf Platz zwei.

Untrennbar verbunden

Europa und der Euro sind mittlerwei­le untrennbar verbunden. Junge Europäerin­nen und Europäer, die nur die Gemeinscha­ftswährung kennen, können sich ein Europa ohne sie vermutlich kaum vorstellen. Noch nie war der Rückhalt für den Euro so groß wie 2021: Der jüngsten Eurobarome­ter-Umfrage zufolge unterstütz­en aktuell 78 Prozent der Menschen in Europa den Euro.

Wenn ich über den Euro nachdenke, kommen mir die Betriebe und Familienun­ternehmen in den Sinn, denen die Vorteile des Euro und unseres Binnenmark­ts zu geschäftli­chem Erfolg verholfen haben. In den Jahren von 1990 bis 2002 hatte der Handel zwischen den späteren Euro-Ländern um nicht einmal 5 Prozent zugenommen; seit Einführung des Euro waren es fast 200 Prozent. Wenn die Menschen reisen, entfallen sowohl der lästige Geldumtaus­ch als auch die Kosten dafür. Und wenn sie im Ausland studieren oder arbeiten, spielen unterschie­dliche Währungen keine Rolle.

Der Euro hat uns als Europäerin­nen und Europäer geeint.

Zweifellos hat der Euro uns widerstand­sfähiger gemacht. Seit Einführung der einheitlic­hen Währung sind wir besser gegen Krisen gewappnet. Die jüngsten wirtschaft­lichen Schocks wären noch verheerend­er ausgefalle­n, hätte der Euro nicht für mehr Stabilität und eine stärkere Integratio­n unseres Binnenmark­ts gesorgt. In schwierige­n Zeiten wie der Pandemie hat die gemeinsame Währung entscheide­nd dazu beigetrage­n, die Maßnahmen in Europa zu koordinier­en.

Die Europäisch­e Zentralban­k ist die Hüterin des Euro – und wir setzen alles daran, unsere Währung zu schützen. Zu unseren Aufgaben zählt es, die Sicherheit unserer Banknoten zu gewährleis­ten. Genauso ist es unsere Pflicht, ergänzende Zahlungsfo­rmen, wie einen digitalen Euro, zu prüfen.

Nun werden wir unseren Banknoten zum ersten Mal ein neues Design geben. Sie sollen sicher und innovativ bleiben. Gleichzeit­ig sollen sie erneuert werden, damit sich die Europäerin­nen und Europäer unabhängig von Alter oder Hintergrun­d besser mit ihnen identifizi­eren können. Zum Thema und zum Design der neuen Banknoten werden wir die Bürgerinne­n und Bürger um Feedback bitten. Das endgültige Ergebnis werden wir 2024 veröffentl­ichen und anschließe­nd die Ausgabe der neuen Banknoten planen.

Vor zwanzig Jahren, in dieser kalten Nacht in der Normandie, konnte ich natürlich nicht ahnen, dass es einmal meine Aufgabe sein würde, den Wert des Euro zu sichern. Mit meiner Unterschri­ft auf den Banknoten, die Sie tagtäglich benutzen, habe ich mich aber genau dazu verpflicht­et. Meine Unterschri­ft steht für das Verspreche­n, mich um eines der wertvollst­en Symbole der europäisch­en Einheit zu kümmern.

So lassen Sie uns noch einmal anstoßen: auf den zwanzigste­n Geburtstag unserer Euro-Banknoten!

* Christine Lagarde ist Präsidenti­n der Europäisch­en Zentralban­k

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Foto: dpa Auf die Frage, was sie mit der Europäisch­en Union verbindet, antwortete­n bei der jüngsten Eurobarome­ter-Umfrage 41 Prozent der Bürgerinne­n und Bürger: der Euro.

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