Wie soll man auf Unwahrheiten reagieren?
Die richtige Antwort auf dummes Geschwätz ist eine intelligente Argumentation
Auch wenn man die Entscheidung der Justizministerin Sam Tanson durchaus verstehen kann, Herrn Jakoby vor Gericht zu zitieren, so darf man doch die Frage stellen, ob dies die richtige oder angemessene Reaktion auf die falsche Aussage von Herrn Jakoby ist, da sie unter den Schutz des Rechts auf Ausdrucksfreiheit fällt.
Aber heißt das, dass man Herrn Jakobys Behauptung einfach so im Raum stehen lassen kann? Keineswegs: Die richtige Antwort auf dummes Geschwätz ist eine intelligente Argumentation.
Erstens: Die Nürnberger Richter haben Menschen verurteilt, die im Rahmen eines kriminellen politischen Regimes gehandelt haben und mitverantwortlich für das Weiterbestehen dieses Regimes waren. Herrschte ein solches Regime in Luxemburg, würde Herr Jakoby längst nicht mehr in der Öffentlichkeit auftreten.
Zweitens: In Nazideutschland gab es keine Möglichkeit, sich den Entscheidungen der Regierung oder der Verwaltung zu widersetzen. In Luxemburg gibt es ein unabhängiges Gerichtswesen und Entscheidungen der exekutiven Gewalt können angefochten werden.
Drittens: Die Nazischergen haben Humanexperimente an anderen Menschen vorgenommen, nicht aber an sich selbst. Nun sind aber Frau Tanson und Herr Bettel geimpft, so dass sie also zumindest die Goldene Regel respektiert haben.
Viertens: Die Experimente der Nazischergen brachten den Opfern keinen Gewinn. Im Falle der Impfung ist das anders: Durch sie soll sicherlich die Allgemeinheit geschützt werden, aber auch die Geimpften selbst.
Fünftens: Die Nazischergen scherten sich nicht um die negativen Wirkungen ihrer Experimente auf die Opfer. Wie ist es beim Impfen? Sollte jemand schlimme Nebenwirkungen entwickeln, so wird man versuchen, sein Leben zu retten. Darin liegt auch der Unterschied zwischen einer politischen Fehlentscheidung und einem politischen Verbrechen.
Sechstens: Die Nazischergen betrachteten ihre Opfer als minderwertige Wesen, die es nicht wert waren zu leben. Hier lag eine klare Leugnung der Menschenwürde dieser Opfer vor. Bei einer Impfpflicht liegt aber keine solche Leugnung vor, sondern sie erfolgt vor dem Hintergrund einer Überlegung, die versucht, den Respekt aller sich widerstreitenden Werte und Interessen möglichst optimal zu garantieren.
Siebtens: Bei den Experimenten der Nazis wusste man kaum im Voraus, was herauskommen würde. Im Falle der Impfung wurden Untersuchungen durchgeführt, bevor der Impfstoff auf den Markt kam. Wir haben sicherlich keine absolute Sicherheitsgarantie, aber wer auf eine solche gewartet hätte, hätte bis Sankt Nimmerleinstag gewartet.
Wer diese Unterschiede unter den Teppich kehrt, zeigt damit, dass er keinen Unterschied zwischen dummem Geschwätz und seriösem Diskurs macht. Damit verurteilt er sich eigentlich schon selbst dazu, dass man ihm nicht mehr zuhört. Kurzum: Frau Tanson und Herr Bettel wären in Nürnberg freigesprochen worden. Und wenn Herr Jakoby seine Behauptung vor einem Prüfungsausschuss im Fach Geschichte oder im Fach Jura getätigt hätte, dann wäre er glatt durchgefallen.
Norbert Campagna
Serrouville