Luxemburger Wort

So viele Katzenbabi­es wie nie im Tierheim

„Corona-Katzen“sorgen im Asyl in Schiffling­en für einen traurigen Rekord

- Von Franziska Jäger

Schiffling­en. Die Quarantäne­station ist voll. 20 Katzen, darunter viele Babies, kämpfen hier mit Katzenschn­upfen oder dem Fip-Virus, eine Bauchfelle­ntzündung, die in den meisten Fällen tödlich endet, wenn sie nicht rechtzeiti­g behandelt wird. Der schwarze Kater in seinem Käfig frisst kaum, trotzdem schwillt sein Bauch immer wieder an. „Seine Überlebens­chancen stehen fifty-fifty“, sagt Sacha André über den Neuzugang im Tierasyl in der Rue de Hédange in Schiffling­en.

„Hätte mir jemand vor einem Jahr gesagt, dass wir 2021 so viele Tiere aufnehmen würden, ich hätte ihn für verrückt erklärt“, so der Präsident der Associatio­n pour la protection des animaux Schifflang­e (APAS) im Gespräch mit dem LW. Katzenbabi­es kommen normalerwe­ise im Frühjahr oder Herbst auf die Welt. Manche landen manchmal im Tierheim. 2021 ist anders. „So viele Katzen wie dieses Jahr hatten wir noch nie“, so André. 460, lautet die Zahl. „Das ist Rekord!“Aktuell warten 50 Katzen auf eine Adoption. Der Katzennach­wuchs kommt aus Privathaus­halten, vermutet André. Viele seien zutraulich gewesen, also an Menschen gewöhnt und keine wilden Katzen.

„Uns ist aufgefalle­n, dass unter den Katzen, die wir draußen gefunden haben, ganz viele Jungkatzen waren.“Der Präsident sieht einen Zusammenha­ng mit der Corona-Pandemie. Während des Lockdowns

haben sich mehr Menschen Tiere angeschaff­t. Aber der entscheide­nde Punkt liege woanders. „Wir haben zurück gerechnet und dabei kam heraus, dass viele Babies nach dem ersten Lockdown geboren wurden. Die Menschen waren zur Zeit der Ausgangsbe­schränkung­en drinnen und die Katzen konnten sich so ungestört draußen vermehren, ohne, dass irgendjema­nd groß Wind davon bekommen hat“, erklärt André.

Aber irgendwann ist aufgefalle­n, dass auf einmal so viele Samtpfoten herumstreu­nern. „Dann bekamen wir Anrufe von beunruhigt­en Anwohnern, die auf ein Katzennest gestoßen waren und den Besitzer nicht ausfindig machen konnten.“

Junge Lockdown-Katzenmütt­er

Katzen können ab einem Alter von sechs Monaten trächtig werden. „Letztes Jahr war ein sehr ruhiges Jahr, für die Tiere ein perfekter Rahmen, um unbemerkt Babies zu bekommen.“Die Corona-Katzen, wie André sie nennt, die während des Lockdowns gezeugt wurden, sind ihrerseits dann auch bald – junge – Mütter geworden. „Das war vom Alter her extrem auffällig.“Die Höchstzahl war dieses Frühjahr erreicht: Damals hielten sich 80 Kätzchen gleichzeit­ig im Tierheim auf, womit die maximale Kapazitäts­grenze erreicht war.

Die Ursache sieht Sacha André auch in der ungenügend­en Einhaltung des Tierschutz­gesetzes seitens mancher Besitzer. „Wir finden immer wieder Katzen, die weder gechipt noch kastriert oder sterilisie­rt sind.“Eine Rückverfol­gung ist deshalb nicht möglich. Und auch im Tierheim melde sich niemand, weil die Besitzer nichts mitbekomme­n vom Nachwuchs.

Dabei schreibt das Gesetz von 2018 vor, dass jeder Besitzer sein Tier ab dem sechsten Monat kastrieren muss. „Das Problem ist, dass man das nicht flächendec­kend kontrollie­ren kann. Wir können ja schlecht jeden Kater auf der Straße einsammeln und nachschaue­n.“André wird deutlich: „Es fehlt an Aufklärung. Wenn diese Vermehrung­skette nicht unterbroch­en wird, kommen irgendwann Inzucht-Krankheite­n dazu.“

Im Lockdown haben sich die Katzen vermehrt. Sacha André, Präsident der APAS

Kommen bald mehr Hunde?

Durch die seit der Pandemie ruhigere Zeit haben die Katzen auch neue Plätze gefunden. André nennt Berchem als Beispiel. Viel Katzenbetr­ieb gebe es nach wie vor – wegen der vielen Wiesen – im Industrieg­ebiet Foetz, von wo aus ein Lebensmitt­elgeschäft regelmäßig anrufe, um Nachwuchs zu melden.

„Ich denke, dass es nächstes Jahr ruhiger werden wird, auch, weil innerhalb der Gesellscha­ft immer mehr Normalität eintritt.“

Sorgen bereiten André allerdings die Hunde. Aktuell warten fünf auf einen neuen Besitzer. „Wir bekommen vermehrt Anrufe, wo Leute Hilfe benötigen, was ihren Vierbeiner angeht. Einige haben auch keine Zeit mehr für ihr Tier, das sie sich während des Lockdowns angeschaff­t haben. Da kommt noch was auf uns zu.“

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Sacha André, Präsident des Schiffling­er Tierschutz­vereins (APAS), macht sich Sorgen um das rot-weiße Kätzchen, das wegen eines heraushäng­enden Darms notoperier­t werden musste.
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 ?? Fotos: Marc Wilwert ?? 460 Katzen hat das Tierasyl in Schiffling­en dieses Jahr betreut, viel mehr als sonst. Präsident Sacha André (unten) sieht einen Zusammenha­ng mit der Pandemie. Mitarbeite­rin Shakira Graffé (rechts) nimmt sich Zeit für Streichele­inheiten im Katzenzimm­er.
Fotos: Marc Wilwert 460 Katzen hat das Tierasyl in Schiffling­en dieses Jahr betreut, viel mehr als sonst. Präsident Sacha André (unten) sieht einen Zusammenha­ng mit der Pandemie. Mitarbeite­rin Shakira Graffé (rechts) nimmt sich Zeit für Streichele­inheiten im Katzenzimm­er.

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