So viele Katzenbabies wie nie im Tierheim
„Corona-Katzen“sorgen im Asyl in Schifflingen für einen traurigen Rekord
Schifflingen. Die Quarantänestation ist voll. 20 Katzen, darunter viele Babies, kämpfen hier mit Katzenschnupfen oder dem Fip-Virus, eine Bauchfellentzündung, die in den meisten Fällen tödlich endet, wenn sie nicht rechtzeitig behandelt wird. Der schwarze Kater in seinem Käfig frisst kaum, trotzdem schwillt sein Bauch immer wieder an. „Seine Überlebenschancen stehen fifty-fifty“, sagt Sacha André über den Neuzugang im Tierasyl in der Rue de Hédange in Schifflingen.
„Hätte mir jemand vor einem Jahr gesagt, dass wir 2021 so viele Tiere aufnehmen würden, ich hätte ihn für verrückt erklärt“, so der Präsident der Association pour la protection des animaux Schifflange (APAS) im Gespräch mit dem LW. Katzenbabies kommen normalerweise im Frühjahr oder Herbst auf die Welt. Manche landen manchmal im Tierheim. 2021 ist anders. „So viele Katzen wie dieses Jahr hatten wir noch nie“, so André. 460, lautet die Zahl. „Das ist Rekord!“Aktuell warten 50 Katzen auf eine Adoption. Der Katzennachwuchs kommt aus Privathaushalten, vermutet André. Viele seien zutraulich gewesen, also an Menschen gewöhnt und keine wilden Katzen.
„Uns ist aufgefallen, dass unter den Katzen, die wir draußen gefunden haben, ganz viele Jungkatzen waren.“Der Präsident sieht einen Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Während des Lockdowns
haben sich mehr Menschen Tiere angeschafft. Aber der entscheidende Punkt liege woanders. „Wir haben zurück gerechnet und dabei kam heraus, dass viele Babies nach dem ersten Lockdown geboren wurden. Die Menschen waren zur Zeit der Ausgangsbeschränkungen drinnen und die Katzen konnten sich so ungestört draußen vermehren, ohne, dass irgendjemand groß Wind davon bekommen hat“, erklärt André.
Aber irgendwann ist aufgefallen, dass auf einmal so viele Samtpfoten herumstreunern. „Dann bekamen wir Anrufe von beunruhigten Anwohnern, die auf ein Katzennest gestoßen waren und den Besitzer nicht ausfindig machen konnten.“
Junge Lockdown-Katzenmütter
Katzen können ab einem Alter von sechs Monaten trächtig werden. „Letztes Jahr war ein sehr ruhiges Jahr, für die Tiere ein perfekter Rahmen, um unbemerkt Babies zu bekommen.“Die Corona-Katzen, wie André sie nennt, die während des Lockdowns gezeugt wurden, sind ihrerseits dann auch bald – junge – Mütter geworden. „Das war vom Alter her extrem auffällig.“Die Höchstzahl war dieses Frühjahr erreicht: Damals hielten sich 80 Kätzchen gleichzeitig im Tierheim auf, womit die maximale Kapazitätsgrenze erreicht war.
Die Ursache sieht Sacha André auch in der ungenügenden Einhaltung des Tierschutzgesetzes seitens mancher Besitzer. „Wir finden immer wieder Katzen, die weder gechipt noch kastriert oder sterilisiert sind.“Eine Rückverfolgung ist deshalb nicht möglich. Und auch im Tierheim melde sich niemand, weil die Besitzer nichts mitbekommen vom Nachwuchs.
Dabei schreibt das Gesetz von 2018 vor, dass jeder Besitzer sein Tier ab dem sechsten Monat kastrieren muss. „Das Problem ist, dass man das nicht flächendeckend kontrollieren kann. Wir können ja schlecht jeden Kater auf der Straße einsammeln und nachschauen.“André wird deutlich: „Es fehlt an Aufklärung. Wenn diese Vermehrungskette nicht unterbrochen wird, kommen irgendwann Inzucht-Krankheiten dazu.“
Im Lockdown haben sich die Katzen vermehrt. Sacha André, Präsident der APAS
Kommen bald mehr Hunde?
Durch die seit der Pandemie ruhigere Zeit haben die Katzen auch neue Plätze gefunden. André nennt Berchem als Beispiel. Viel Katzenbetrieb gebe es nach wie vor – wegen der vielen Wiesen – im Industriegebiet Foetz, von wo aus ein Lebensmittelgeschäft regelmäßig anrufe, um Nachwuchs zu melden.
„Ich denke, dass es nächstes Jahr ruhiger werden wird, auch, weil innerhalb der Gesellschaft immer mehr Normalität eintritt.“
Sorgen bereiten André allerdings die Hunde. Aktuell warten fünf auf einen neuen Besitzer. „Wir bekommen vermehrt Anrufe, wo Leute Hilfe benötigen, was ihren Vierbeiner angeht. Einige haben auch keine Zeit mehr für ihr Tier, das sie sich während des Lockdowns angeschafft haben. Da kommt noch was auf uns zu.“