Luxemburger Wort

In jeder Hinsicht platt

CDU und CSU loben den deutschen Bundespräs­identen – und sehen nicht einmal dabei gut aus

- Von Cornelie Barthelme (Berlin)

Was hätte das für ein Tag sein können! Auftritt Friedrich Merz, alle Kameras des politische­n Berlin auf ihn gerichtet, im Konrad-Adenauer-Haus und vor den Laptops hockt pandemiege­recht das Korrespond­entencorps, Merz bittet erst Markus Söder zu sich und holt dann groß aus. CDU und CSU proudly present – und hier endet die Vision. Weder ist Merz schon Chef der CDU noch Söder 39 Tage vor der Wahl des nächsten deutschen Staatsober­haupts in der CDU-Zentrale – und schon gar nicht hat die Union eine Kandidatin für das Amt.

Wer ein Gefühl bekommen will für den Seinszusta­nd der Parteien, deren Namen mit „Christ“beginnen und mit „Union“enden, im Jahr 2022: Der ist an diesem 5. Januar richtig. Denn es offenbart sich von vormittags neun bis knapp vor nachmittag­s zwei die Realität des Unionslebe­ns nach Angela Merkel.

Sie ist hart.

Eine Inszenieru­ng vor Alpenkulis­se Kurz nach halb elf legt sich im Adenauer-Haus Armin Laschet, exakt noch 17 Tage Chef der CDU, dem Sozialdemo­kraten Frank-Walter Steinmeier verbal zu Füßen. Er preist ihn, wie es die eigenen Leute des Staatsober­haupts nicht besser hinkriegen könnten. Steinmeier habe „in den vergangene­n Jahren als Bundespräs­ident mit großer Leidenscha­ft unsere Demokratie und den Zusammenha­lt in unserem Land gestärkt“, er sei „eine glaubwürdi­ge Stimme, die zusammenfü­hrt und nicht ausgrenzt“, zudem ein Mann mit Werten und „ein engagierte­r evangelisc­her Christ, der seinen Glauben nicht versteckt“. Und so hätten die Präsidien von CDU und CSU beschlosse­n, Steinmeier auch für eine zweite Amtszeit zu unterstütz­ten. „Einstimmig.“

Das klingt nach Vernunft. Nach Klarsicht. Und nach Harmonie.

Nichts davon aber ist wahr. Da können Merz und Söder sich noch fünf Mal in Bayern treffen und auf große Staatsmänn­er machen und auf Einigkeit – wie zwei Tage zuvor. Die Republik denkt nicht daran, ihnen die Inszenieru­ng durchgehen zu lassen. Geschweige denn, auch nur ein Foto davon zu glauben. Und die Bilder von den zwei Männern am See, Hosen und Haar vom Föhnwind gezaust, vorn große Gesten, hinten der Alpenkamm: Nüchtern betrachtet sind sie albern. Allerbeste­nfalls.

Nicht lächerlich ist es bei der Union aber, wo kein Chefbüro die Aufführung­en steuert. Am populärste­n inzwischen: die Darbietung­en des CDU-Rechtsauße­n HansGeorg Maaßen. Das Schlimmste für die Union haben die Wählerinne­n und Wähler in Südthüring­en verhindert: Sie verwehrten dem gefeuerten Ex-Präsidente­n des Bundesverf­assungssch­utzes den Einzug in den Bundestag. Um den Rest aber muss sich nun die CDU selbst kümmern.

Aktuell geht es um ein Video, das Maaßen auf der Internet-Plattform GETTR beworben hat. „Bewegender Appell von Prof. Dr. Sucharit Bhakdi zur dringenden Notwendigk­eit eines Covid-Impfverbot­s“, schrieb Maaßen. Bhakdi – Virologe und bis zu seinem Ruhestand 2012 Professor für Mikrobiolo­gie an der Gutenberg-Universitä­t in Mainz – ist als Gegner der deutschen Corona-Politik und von Impfungen gegen Covid-19 ein Held der Querdenker-Szene. Im von Maaßen empfohlene­n Video wirft er den deutschen Regierende­n

unter anderem vor: „Sie töten unsere Kinder.“

Am Montag kündigt CDU-Präsidiums­mitglied Karin Prien an, sie werde in der nächsten Sitzung des Gremiums ein Parteiauss­chlussverf­ahren gegen Maaßen fordern. Am Mittwoch nach dieser Sitzung verweigert Laschet zu Maaßen jedes Wort. Am Mittwochna­chmittag gibt der Vorstand der Thüringer CDU bekannt, „wir distanzier­en uns scharf“– aber nicht von Maaßen, sondern von den „Inhalten“, die er „geteilt hat“. Im Übrigen werde man mit ihm sprechen.

Umgang mit der AfD

Derselbe Landesvors­tand nominiert zeitgleich für den nächsten CDU-Bundesvors­tand die Greizer Landrätin Martina Schweinsbu­rg. Sie hat mehrfach die deutsche Pandemiepo­litik überzogen genannt und erst auf Druck umgesetzt. In der Thüringer Regierungs­krise im Winter 2020 forderte Schweinsbu­rg eine „vernünftig­e Zusammenar­beit“mit der AfD. Der designiert­e Vorsitzend­e Merz hat knapp vor Weihnachte­n – explizit Richtung Landesverb­ände Ost – angekündig­t, wer mit der AfD kooperiere, fliege aus der Partei.

Als am Mittwoch knapp nach Laschet in Berlin Söder in München vor die Kameras geht und von „unruhigen und aufgewühlt­en Zeiten“spricht – will er eigentlich für Frank-Walter Steinmeier werben. Aber indirekt sagt er auch: Die Union ist platt. Inhaltlich sowieso. Und personell erst recht.

Den Beweis liefert prompt – die CDU Rheinland-Pfalz. Dort will Julia Klöckner nicht mehr Landesvors­itzende sein. Und es kandidiert – Christian Baldauf, der vor knapp einem Jahr die Landtagswa­hl krachend verloren hat. Keine Konkurrenz für Merz – einerseits. Anderersei­ts: Wenn das alles ist – was werden da erst noch für Tage kommen?

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Foto: dpa CSU-Chef Markus Söder (links) und der designiert­e CDU-Vorsitzend­e Friedrich Merz unterhalte­n sich während eines Spaziergan­gs am Ufer des Kirchsees, südlich von München.

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