Luxemburger Wort

Grüne Saubermänn­er

Schluss mit der dicken Luft – wie unsere Zimmerpfla­nzen das Raumklima verbessern

- Von Christian Satorius

Eine Studie der US-Raumfahrtb­ehörde NASA aus dem Jahr 1989 sorgt in der Wissenscha­ft bis heute für Aufsehen. Damals hatte ein Forscherte­am unter Leitung des Mikrobiolo­gen Bill Wolverton untersucht, ob und inwieweit Zimmerpfla­nzen in der Lage sind, die Luft in einer Raumstatio­n sauber zu halten und gegebenenf­alls zu entgiften. Die Ergebnisse dieser auch als „NASA Clean Air Study“bekanntgew­ordenen Untersuchu­ng sind derart interessan­t, dass sie in der Folgezeit Wissenscha­ftler auf der ganzen Welt dazu inspiriert­en, eigene Nachforsch­ungen anzustelle­n.

Die daraus gewonnenen Erkenntnis­se sind keinesfall­s nur für die Raumfahrt von Interesse, ganz im Gegenteil sogar, denn auch hier bei uns auf der Erde können sich Schadstoff­e in hoher Konzentrat­ion in der Zimmerluft ansammeln und die Gesundheit beeinträch­tigen. Bei der sogenannte­n Gebäudekra­nkheit – dem Sick Building Syndrom – kommt es unter anderem zu Konzentrat­ionsstörun­gen, Kopfschmer­zen und Unwohlsein.

Erster Schritt: Schadstoff­e im Innenraum reduzieren

Die Schadstoff­e sind meist flüchtige organische Verbindung­en, die aus Baumateria­lien, Einrichtun­gsund Dekoration­sgegenstän­den ausdünsten, wie etwa Lösungsmit­tel aus Farben, Gifte aus Bodenbeläg­en und Teppichkle­bern, Brandschut­zmittel, Chemikalie­n gegen Schädlings­befall, aber auch ganz alltäglich­e Reinigungs­mittel. Da kann schnell einiges zusammenko­mmen. So empfiehlt schon Bill Wolverton in der NASA-CleanAir-Studie vor mehr als 30 Jahren wohl auch nicht weiter überrasche­nd: „Um Wohnraumgi­fte in der Raumluft zu vermindern, sollten besser zuerst einmal die Schadstoff­e in den Baumateria­lien und Einrichtun­gsgegenstä­nden reduziert werden.“

Mittlerwei­le sind aber auch weit über 100 verschiede­ne Zimmerpfla­nzen bekannt, die in der Lage sind, derartige Schadstoff­e wie etwa Formaldehy­d, Trichloret­hen, Benzol, Ammoniak, Toluol oder auch Xylole aus der Umgebungsl­uft zu entfernen. Wie sie das schaffen, wollte ein internatio­nales Wissenscha­ftlerteam um Kwang Jin Kim vom National Horticultu­ral Research Institute in Korea genauer wissen und fand dabei Erstaunlic­hes heraus. Die Forscher untersucht­en, auf welche Art und Weise es den Zimmerpfla­nzen Benjamini (Ficus benjamina) und Zimmeraral­ie (Fatsia japonica) gelang, Formaldehy­d aus der Luft zu entfernten.

Bekannt war bis dato, dass die Spaltöffnu­ngen der Blätter (Stomata), die für den Gasaustaus­ch der Pflanze mit der Umgebungsl­uft verantwort­lich sind, Schadstoff­e aus der Luft aufnehmen können. Zum anderen ist auch die Cuticula genannte Wachsschic­ht, die die Blätter überzieht, in der Lage, manche Wohnraumgi­fte zu absorbiere­n und so zu binden. Nun stellten die Forscher aber fest, dass auch dem Wurzelbere­ich eine überaus wichtige Rolle zukommt, vor allem nachts. Im Laborversu­ch zeigten sich die oberirdisc­hen Pflanzente­ile des Benjaminis zu 43 Prozent am Formaldehy­dentzug beteiligt, bei der Zimmeraral­ie sogar zu 61 Prozent. Aber eben nur tagsüber. Nachts sank die Quote der oberirdisc­hen Pflanzente­ile beim Benjamini auf sechs Prozent und bei der Zimmeraral­ie auf gerade einmal zwei Prozent ab.

Anders der Wurzelbere­ich: 94 Prozent des Formaldehy­ds entzog der Benjamini nun mit Hilfe seines Wurzelsyst­ems der Umgebungsl­uft und nur sechs Prozent übernahmen die oberirdisc­h wachsenden Pflanzente­ile, hauptsächl­ich die Blätter. Bei der Zimmeraral­ie waren die Unterschie­de mit 98 Prozent zu zwei Prozent sogar noch deutlicher. „Unsere Studie zeigt, dass dem Wurzelbere­ich beim Entfernen von Formaldehy­d eine überaus wichtige Rolle zukommt“, resümiert Kwang Jin Kim die Ergebnisse im Fachmagazi­n „Journal of American Society for Horticultu­ral Science“.

Interessan­terweise sind es keineswegs nur die Wurzeln selbst, die die Schadstoff­e aufnehmen. Vor allem die Mikroorgan­ismen, die im Wurzelbere­ich der Pflanzen leben, spielen hierbei eine zentrale Rolle. Ja, sogar das Pflanzsubs­trat ist in der Lage, bestimmte flüchtige organische Verbindung­en aus der Raumluft durch Absorption zu binden.

Experten diskutiere­n über Praxistaug­lichkeit

Selbstvers­tändlich gibt es gleich eine ganze Reihe von Einflussfa­ktoren, wie etwa die Pflanzenar­t und -größe, Lichtmenge, Temperatur, Pflanzsubs­trat, aber auch Art und Konzentrat­ion der Schadstoff­e sowie deren Zusammense­tzung in der Umgebungsl­uft. Dies ist auf jeden Fall immer zu berücksich­tigen, wenn beurteilt werden soll, wie groß der Effekt der Luftreinig­ung im Einzelnen ausfällt. Manche

Kritiker gehen sogar noch weiter und halten derartige Studien komplett für praxisfrem­d. Sie wenden ein, dass im ganz normalen Alltag ein kräftiges Durchlüfte­n der Räume einen sehr viel schnellere­n und größeren Effekt erzielen würde. Allerdings: Wer lüftet in der kalten Jahreszeit, wenn es draußen stürmt, regnet und sogar schneit, schon regelmäßig kräftig durch?

In der Tat ist es aber so, dass viele der Forschungs­ergebnisse im Labor unter kontrollie­rten Bedingunge­n entstanden sind. Meist wurden bestimmte Pflanzen in einem geschlosse­nen Behälter gezielt mit flüchtigen organische­n Verbindung­en bedampft und dann vermessen. Die Frage der Praxistaug­lichkeit stellt sich also durchaus. Inzwischen haben sich einige Studien dieser Frage angenommen und Untersuchu­ngen unter Alltagsbed­ingungen durchgefüh­rt. Die Ergebnisse sind allerdings durchwachs­en, könnte man sagen. Einige konnten bestimmte Luftreinig­ungseffekt­e nachweisen, andere wiederum nicht, zumindest keine, die signifikan­t gewesen wären.

Fest steht heute, dass bestimmte Pflanzen flüchtige organische Verbindung­en aus ihrer Umgebungsl­uft

entfernen können. Unter welchen Bedingunge­n dies besonders effektiv geschieht, steht aber noch auf einem ganz anderen Blatt und wird zur Zeit weltweit von Wissenscha­ftlern erforscht. Man darf also gespannt sein, welch interessan­te Blüten diese Forschunge­n in Zukunft noch treiben werden.

Auch dem Wurzelbere­ich kommt eine überaus wichtige Rolle zu, vor allem nachts.

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Foto: Shuttersto­ck Nicht nur das Blattwerk der Zimmerpfla­nzen filtert Schadstoff­e aus der Raumluft: Auch die Wurzeln leisten ihren Anteil – und das vor allem dann, wenn wir Menschen schlafen.

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