School-Leaks wird zu Papercut
Larisa Faber hat ein Aufregerthema der Schule aufgegriffen und ein Theaterstück daraus gemacht – Aufführung in Mersch
Erinnern Sie sich noch an SchoolLeaks? Ja genau, dieses Aufregerthema vor sechs Jahren, bei dem grobe Missstände im Schulwesen aufgedeckt wurden und es am Ende zu Gerichtsprozessen kam. Im Januar 2018 gab es einen Freispruch für die Angeklagten. Nun, vier Jahre später, hat sich das Theater dieser verstrickten Geschichte angenommen. Die Schauspielerin, Stückeschreiberin, Regisseurin und Filmemacherin Larisa Faber hat dazu „Papercut“geschrieben, ein Stück über diese Affäre, das sie auch für die Bühne inszeniert. Es ist eine Produktion des Merscher Kulturhauses, dort wird sie auch ab dem kommenden Samstag aufgeführt.
Rückblende: „Den Angeklagten im School-Leaks-Prozess war die Erleichterung gestern Nachmittag nach der Urteilsverkündung deutlich anzusehen, denn wie bereits (...) in erster Instanz wurden sie nun ein zweites Mal freigesprochen.“Das schrieb das „Luxemburger Wort“in seiner Ausgabe vom 10. Januar 2018. Ende gut, alles gut? Nein, keineswegs!
Die Professorinnen aus dem Echternacher Lyzeum haben Tribut zahlen müssen, sie haben ihren Job und ihre Familie aufs Spiel gesetzt, wurden zeitweilig suspendiert und sie mussten trotz des Freispruchs die Schulanstalt wechseln. Und geblieben ist ihnen nach diesem Leak vor allem ein tiefer psychischer Schmerz. Sie wollten nur darauf hinweisen, dass Prüfungen bereits Wochen im Voraus in der Öffentlichkeit waren, bevor die Schüler die Tests überhaupt bestreiten sollten. So mancher hätte darauf zurückgreifen können, und diese Masche wurde wahrscheinlich auch lange Zeit so ausgenutzt. Sie wollten etwas bewegen, etwas verändern – und dann?
War es das wert?
Das Theaterstück „Papercut“erzählt die Geschichte einer der drei Sekundarschullehrerinnen, die in dieser Affäre unfreiwillig zur Whistleblowerin geworden ist, indem sie Missstände im luxemburgischen Schulsystem angeprangert hat. „Ich kenne eine der Professorinnen, und das, was ich in diese Affäre über die Angeklagten gehört und gelesen habe, passte nicht überein mit dem, wie ich diese Person kenne. Ich fragte sie – und das war dann der Ausgangspunkt für dieses Stück“.
Aber es ist bei Larisa Faber nicht nur diese persönliche Bekanntschaft: „Menschen stehen zu ihren Werten, wir sprechen viel darüber, und es ist leicht, sich über etwas aufzuregen, was nicht so läuft, wie es soll, aber etwas tun dagegen, den Mut haben, etwas zu bewegen, das ist ein schwieriger Weg und gerade dies hat mich in dieser Sache und bei diesen Personen besonders berührt.“
Die Stückeschreiberin spricht von einer Diskrepanz zwischen den Werten, die man sich immer wieder groß auf die Fahne schreibt, und dem, was man am Ende auch dafür tut, dass diese Werte weiter bestehen bleiben. Die Professoren sind engagierte Menschen, ihr Beruf war und ist ihnen auch heute immer noch wichtig.
„Papercut“ist wie eine LateNight-Talkshow aufgebaut mit Musiknummern, Sketchen und besonderen Gästen und beschäftigt sich mit den Folgen, die es hat, wenn man etwas sagt oder tut, obwohl es viel bequemer gewesen wäre, einfach nur den Mund zu halten. Das nennt man dann Wegducken.
Larisa Faber: „Wir sind bereit.“
Die Frage stellt sich nämlich: Hätten die Professorinnen das auch getan, wenn sie im Voraus gewusst hätten, welchen Preis sie einmal dafür zu zahlen hätten. Und würden sie es dann nochmals tun?
Gesunde Demokratie
Larisa Faber ist bekannt dafür, dass sie mit ihren Stücken ganz gezielt den Finger an wunde Stellen in der Gesellschaft legt. Mit „Disko Dementia“hatte sie 2018 auf Missstände in der Betreuung in Altersheimen hingewiesen, worauf damals das Familienministerium ihr die Unterstützung bei diesem Projekt entzogen hatte – geplant waren damals Gesprächsrunden nach der Aufführung. Diesmal bekommt sie Beistand vom Direktor des Merscher Kulturhauses Claude Mangen und natürlich auch vom Kulturministerium – geschrieben wurde dieses Stück nämlich im Zuge des ersten Lockdowns in der Pandemie im Rahmen des Programms „Nei-Start“.
„Als ich die Zusage hatte, war plötzlich Stress da, mir wurde sehr heiß“, erinnert sich Larisa Faber und lacht. „Finanziell und organisatorisch wurde mir geholfen, ich musste dann aber auch liefern. Als ich schließlich ein gewisse Distanz zum Thema bekam und den rein dokumentarischen Zugang mehr und mehr ignorierte, gelangte ich auch an die Essenz dessen, was ich mit diesem Stücken eigentlich sagen wollte“.
Danach lief es leichter, wenn auch nicht gerade wie am Schnürchen, vor allem wegen der Pandemie. „Ich habe vieles in dieser Produktion gelernt und künstlerisch betrachtet ist es das schönste Theaterprojekt meiner Karriere. Ich kannte alle bereits, die hieran beteiligt sind, habe mit ihnen an unterschiedlichen Projekten zusammengearbeitet: die Schauspielerinnen Sascha Ley und Andrea Hall, die Kostümgestalterin und Szenografin Marie-Luce Theis, der Sound Designer Luka Tonnar, die Videodesignerin Maida Halilovic.“
Das Stück ist in englischer Sprache – es ist ihre Entscheidung: „Luxemburg ist vielseitig, alle sollen davon profitieren“, sagt Larisa Faber. Nach den Aufführungen in Mersch sind noch keine weiteren geplant, aber Angebote anderer Kulturhäuser nimmt man gerne entgegen. „Warum nicht das Trifolion in Echternach?“, fragt die Künstlerin und lacht, „dort würde es ja gut hinpassen“, und betont: „Mich würde es freuen, wenn der Unterrichtsminister zur Aufführung käme, das wäre ein Zeichen von Stärke und von gesunder Demokratie.“
„Papercut“von Larisa Faber (Text und Regie), mit Sascha Ley und Andrea Hall im Merscher Kulturhaus. Premiere am 22. Januar, weitere Aufführungen am 25., 26., 27. und 29. Januar. Tickets 30 Euro, ermäßigt 15 Euro, Reservierung www.luxembourgticket.lu.
www.kulturhaus.lu