Briten und Osmanen zu Diensten
Am 16. Januar 1922 starb der Luxemburger Offizier Charles Schaefer (1856-1922) während einer missglückten Völkerbundmission in Albanien. Auch gegen den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich, seine Frau war eine armenische Adelige, und gegen die
Albanien war der letzte europäische Staat, der sich aus dem Kolonialreich der Osmanen befreien konnte. Erst am 28. November 1912 rief die albanische Nationalbewegung die Unabhängigkeit dieses einzigen mehrheitlich muslimischen Staates in Europa aus. Auch die Londoner Botschafterkonferenz der europäischen Großmächte hatte dies 1913 anerkannt, aber es wurden nur ungefähre Grenzen des neuen Staates festgelegt. Dies nutzten die Nachbarstaaten aus, um eigene Gebietsansprüche zu stellen, zumal sich auch keine im ganzen Land anerkannte stabile Regierung bilden konnte. Auch Osmanen, Österreicher, Griechen, Serben und Italiener waren an dem neuen Staat interessiert. Die Botschafterkonferenz hatte auch beschlossen, dass Albanien ein Fürstentum sein sollte. Um die Lage in Albanien zu erkunden beauftragte der 1920 gerade erst gegründete Völkerbund einen bereits pensionierten Luxemburger Offizier, der sein Offiziersleben in britischen und osmanischen Diensten verbracht hatte, Charles Schaefer, mit seiner ersten diplomatischen internationalen Mission.
Charles Schaefer wurde am 23. Dezember 1856 in Luxemburg geboren1, seine Mutter stammte aus der einflussreichen Industriellenfamilie Metz2. Nach dem Abitur am Athenäum und einem abgebrochenen Jurastudium in Paris trat er den Dienst in der britischen Armee an, die für ihr Riesenreich händeringend auch aus dem Ausland Personal rekrutierte. 1878 wurde er der Cameron Mission zugeteilt, die im Osmanischen Reich Trassen einer möglichen Eisenbahnverbindung zwischen dem Mittelmeer und dem Persischen Golf eruieren sollte. 1878, als Schaefer in Konstantinopel weilte, fanden dort in dem Vorort San Stefano gerade die Friedensverhandlungen zwischen Russland und dem Osmanenreich, nach dem für dieses verlustreichen russisch-osmanischen Krieges, statt. Verhandlungsort war das Schloss der Dadian Familie, eine armenische Familie die in Diensten des osmanischen Sultans Abdul Hamid stand.
Eine armenisch-osmanische Adelige
Nach dem Berliner Kongress 1878, der die Osmanen zwang Reformen in ihrem rückständigen Reich zuzulassen, wurde Schaefer Mitglied der Kommission zur Begutachtung der Umsetzung dieser Reformen in Ostanatolien zugunsten der armenischen Bevölkerung. Die Mission stand unter der Leitung des britisch-osmanischen Offiziers Valentin Baker Pascha, der 1878 nach der Niederlage gegen Russland die Verteidigungslinie von Tchataldja in Ost-Thrakien, zum Schutz der Stadt Konstantinopel, erbaut hatte.
1884 hatte Schaefer in San Stefano die armenische Diplomatentochter Duruhitza (Dorothea) Dadian aus einem altem armenischem Adelsgeschlechte geheiratet3. Die Dadiansiv waren die „barutçubasi“(türk. „Chef der Gewehre“),
sie hatten das Monopol auf die osmanischen Pulver- und Waffenschmieden und spielten eine führende Rolle im Industrialisierungsprozess des Osmanischen Reiches. Diese eminente Position allein war schon ein Paradoxon an sich, denn es bedeutete, dass eine armenische Dynastie die Bewaffnung des gesamtes Osmanischen Reiches garantieren sollte, Waffen allerdings, die sie als Christen im Osmanischen Reich gar nicht selbst besitzen durften5. Einem Dadian kam 1837 das große Verdienst zu bei Sultan Mahmud II anlässlich dessen Besuchs in der Waffenschmiede in Dolma Bachtche durchgesetzt zu haben, dass der jahrhundertealte Brauch, dass die Christen im Osmanischen Reich dem Sultan Knaben für seine Armee zur Verfügung stellen mussten, beendet wurde. Die „Knabenlese“(türk: Divsirma) war eine menschenverachtende osmanische Tradition, der Millionen christlicher Söhne zum
Opfer gefallen waren und die zur Herausbildung der Osmanischen Eliteeinheit der Janitscharen aus zwangskonvertierten Christen geführt hatte. In San Stefano befand sich auch die große Pulverfabrik der Dadians. Die Dadian Familie waren als Kanonenpulverhersteller am Hof von Konstantinopel seit Beginn des 19. Jahrhunderts zu großer Macht gelangt. Ein Dadian hat 1847 die erste Eisenbahn im Osmanischen Reich am Bosporus verlegt.
Diplomat in der Armenierund Albanienfrage
1895 ging Charles Schaefer, nachdem er als Leiter eines britisch-osmanischen Büros zur Sklavereibekämpfung in Ägypten sich mit den regionalen Machthabern angelegt hatte, nach Europa zurück und zog mit seiner Frau und den beiden Kindern nach Wiltingen an der Saar, wo
Versprechungen auf Gebietsgewinne in Albanien gemacht, um sie zum Kriegseintritt gegen die Mittelmächte zu bewegen. Während der Pariser Friedenskonferenz, bei der Albanien nur durch eine offiziell nicht zugelassene Delegation vertreten war, wurde 1919 über die Aufteilung des Landes verhandelt. Im Dezember 1920 wurde Albanien durch die Aufnahme in den Völkerbund als souveräne Macht anerkannt.
Da sich Schaefer bei Kriegsende mit 64 Jahren noch nicht zu alt fühlte, bewarb er sich sofort wieder um eine diplomatische Mission beim Völkerbund. Deshalb zog Schaefer sogar nach Paris um, um näher am internationalen Geschehen zu sein. Hier traf er 1921 Lord Milner, den er noch aus Ägypten kannte. Dieser legte bei Lord Curzon ein gutes Wort für ihn ein. Während einer Kur in Bad Mondorf, seine Gesundheit begann zu leiden, erhielt Schaefer die Nachricht, dass der Völkerbund eine Mission nach Albanien auf die Beine stellte, um sich nach den dortigen immer noch unklaren Machtverhältnissen zu erkundigen. Da Schaefer das Land kannte, erhielt er den Auftrag. Am 10. November 1921 brach die Mission, der auch noch der finnische Botschafter Rolf Thesleff und der Generalsekretär des norwegischen Roten Kreuzes Christian Menich angehörte auf. Da seine Gesundheit sich verschlechterte musste Schaefer an Neujahr 1922 Albanien verlassen und kehrte nach Genf, dem Sitz des Völkerbundes zurück. Am 16. Januar ist er in einem Hotel in Genf verstorben.
Charles Schaefer war der erste Völkerbundexperte, der während einer Mission verstorben ist. Anders als das besiegte Osmanische Reich, dem er größere Verdienste erwiesen hatte, erwies ihm der Völkerbund in einer Sitzung vom 13. Mai 1922 unter Vorsitz von Lord Balfour die letzte Ehrung. Seine Asche wurde einige Monate später in Luxemburg auf dem Friedhof Notre Dame beigesetzt. Seine Frau Duruhitza blieb nach dem Krieg wohl noch einige Zeit in Wiltingen. Ihre Tochter Pembeh Schaefer, geboren 1886 in San Stefano (Konstantinopel), starb am 7. Juli 1927 in Paris. Dorohitza Dadian (Dorothea Dadian), ist am 28. Juni 1941 in Luxemburg verstorben. Beide wurden im Familiengrab in Luxemburg Stadt beigesetzt. Ihr Sohn Herbert Schaefer (1887-1968), der bei einem Heimataufenthalt seiner Eltern in Luxemburg geboren worden war, starb am 21. Juni 1968 in Luxemburg. Nach ihm ist in Gasperich eine Straße benannt. Er war von Beruf Ingenieur und Industrieller. 1928 hatte er Alice Anna Maria Rosalie Mongenast geheiratet, die Ehe blieb kinderlos. Nach seinem Tod erhielt die Stadt Luxemburg durch Vermächtnis eine größere Geldsumme sowie Anteile an seiner Firma. Schaefers Legat wurde am 11. November 1968 durch Gemeinderatsbeschluss angenommen12.
Obermosel Zeitung, 31. 10. 1935
Siehe: Bodo Bost, Eine Enklave britischer Offiziere an der Saar, Trier, Jahrbuch Kreis Trier-Saarburg, 2021, Seiten 385398
Letzeburger illustre'ert revue – Band 11, Ausgaben 37-53 – Seite 7, 1955
Pars Tuglacı, The Role of the Dadian Family in Ottoman Social, Economic and Political Life (Istanbul: Pars Yayın ve Tic. Ltd.Sti., 1993); Anahïde Ter Minassian, „Une famille d’amiras arméniens: les Dadian,“in : Daniel Panzac ed., Histoire économique et sociale de l’Empire ottoman et de la Turquie (1326-1960) (Leuven: Peeters, 1995), Seiten 505519
Pascal Carmon, Les Amiras: Seigneurs de l'Arménie ottomane, 1999
Jules Mersch, Biographie nationale du pays de Luxembourg depuis ses origines jusgu'a nos jours: collection présentée par Jules Mersch, Band 6, 1946, Seite 284
Jules Mersch, (1946), op. cit., Seite 280
Dessen Vater, Wilhelm zu Wied, war 1891/1892 Vorsitzender des „Deutschen Antisklaverei-Komitees“, deshalb kannten sich die beiden Familien
Jules Mersch, (1946), op. cit, .Seite 287
Luxemburger Wort , 31. 08. 1914 https://de.wikipedia.org/wiki/Boghos_Nubar_Pascha
Henri Beck Bruno Baltzer, Was bedeuten die Straßennamen der Stadt?, in: Ons Stad, Nr: 65/2000