Lebensecht und faszinierend
Wallraf-Richartz-Museum in Köln zeigt Meister des spanischen Barock
Frontal und mit festem Blick richtet der Apostel seine dunklen Augen auf den Betrachter. Symmetrie und der klare Farbkontrast verleihen ihm eine selbstsichere, entschlossene Ausstrahlung. Imposant tritt der Heilige Jakobus der Ältere aus dem dunklen Hintergrund hervor. Der vom rechten Arm zurückgeschlagene rote Umhang schwingt sich herrschaftlich um seinen Körper. Als Verkünder des Evangeliums kennzeichnet ihn das Buch seinen Händen. Erst bei genauem Hinschauen werden Holzstab und Jakobsmuschel sichtbar, beides Utensilien, die zu einem Pilger gehören.
Wer den „Spanien-Saal“des Kölner WallrafRichartz-Museums betritt, denkt beim Anblick des ersten Werkes nicht unmittelbar an einen der zwölf Jünger Christi. Das Gemälde von Jusepe de Ribera (1591-1652) erinnert eher an einen spanischen Granden. Es strahlt eine gewisse Bewunderung für den Apostel-Märtyrer aus, der im Jahr 44 n. Chr. in Jerusalem enthauptet wurde. Der Hl. Jakobus ist eine zentrale Identifikationsfigur Spaniens und wird hier seit dem achten Jahrhundert als Landespatron verehrt. Die Behauptung, dass seine Gebeine einst nach Spanien gebracht wurden, wird zwar von der Forschung widerlegt, das hat aber seiner Verehrung nie Abbruch getan. Fast 350 000 Pilger aus aller Welt erreichten 2019 (letzte Vor-Corona-Zahl) die Kathedrale in Santiago de Compostela, die dem Märtyrer geweiht und das Endziel aller Jakobswege ist.
So wie das Jakobus-Bild haben die meisten gezeigten Werke einen religiösen Bezug. Eine oft asketisch-strenge Verbildlichung von Themen der katholischen Lehre dominiert und fällt bei de Riberas Darstellung des Hl. Paulus besonders ins Auge. Der Eremit besteht aus Haut und Knochen, sein entblößter dürrer Oberkörper wirkt auf den ersten Blick fast abstoßend. Paulus schaut erwartungsvoll gen Himmel, seine Hände umfassen einen Totenschädel. Bei Betrachtung dieses Bildes versteht man den Titel, mit dem diese Sonderausstellung versehen wurde: „Unter die Haut – Der ergreifende Naturalismus des spanischen Barock“.
Ergreifend ist dieses Werk allemal, vor allem wegen seiner naturalistischen Präzision und seiner Ausdruckskraft. Unberührt vom körperlichen Verfall strahlt die sanftmütige Miene des greisen Mannes eine geradezu spirituelle Versenkung und inneren Frieden aus. Dieser hoffnungsvolle Gesichtsausdruck, trotz spürbarer Todesnähe, soll uns wohl sagen: Der Körper ist bloß eine vergängliche Hülle, aber die Seele bleibt unsterblich. Sprichwörtlich unter die Haut gehend ist nicht nur der Anblick, auch die aktuelle Geschichte des Bildes ist außergewöhnlich. Der Hl. Paulus wurde einer umfassenden Restaurierung unterzogen, die ihn jetzt so ungetrübt in himmlische Gefilde blicken lässt. Diese Restaurierung – eine großartige Arbeit von Jenny Nieberle – war auch ein Anlass, diese Ausstellung zu zeigen.
Beim Rundgang fällt auf, wie sehr die Künstler des spanischen Barocks monumentale und in starkem Hell-Dunkel inszenierte Darstellungen bevorzugten. Doch in den Maltechniken kommen durchaus feine Unterschiede zum Ausdruck. Besonders anschaulich wird dies bei dem Bild Irene pflegt den Hl. Sebastian von Luca Giordano (1634-1705), einem Schüler von de Ribera. Giordano verzichtet auf lineare Präzision, er löst Konturen auf, sein Pinselstrich ist weitaus lockerer, sein Farbauftrag breiter. Neben seiner stilistischen Vielseitigkeit war der Künstler schon zu Lebzeiten bekannt für sein ungewöhnliches Arbeitstempo. Das in Köln gezeigte Frühwerk macht Giordanos Beinamen „Fra Presto – Mach schnell“alle Ehre.
Auch die spanische Malerei kennt ein „Goldenes Zeitalter“. Doch steht die barocke Bildkunst des „Sieglo de Oro“im Schatten der zeitgleichen und stets gefeierten Malschulen Flanderns, der Niederlande oder Italiens. (Eine große Auswahl zeigt das Wallraf auf seiner „Barocketage“.) Während hier der calvinistischbürgerlich-merkantile Einfluss sichtbar wird, ist die spanische Kunst von der Zeit der Gegenreformation geprägt. Die katholische Kirche trieb die Künstler an, ihren Bildern größtmögliche Überzeugungskraft zu verleihen, um beim Betrachter tiefe Gottgläubigkeit zu wecken.
So lässt sich auch Franciscos de Zurbaráns (1598-1664) Christus der Barmherzigkeit verstehen: Ein hagerer Körper am Kreuz vor dunklem Grund, das Gesicht stark verschattet. Bei allem Schmerz aber eine würdevolle, mystische Gestalt, die sinnbildlich ihre herannahende Auferstehung verkörpert. Zurbarán stellt nicht das Leid des Todes in den Vordergrund, sondern präsentiert Christus ohne Sentimentalität in ästhetisch-kunstvoller Würde.
Am Anfang stand eine Restaurierung
Der schnelle Maler
Ein anderes „Goldenes Zeitalter“
Meister der Details
Der Maler, der in späteren Jahren als königlicher Hofmaler tätig war, gehört neben de Ribera und Murillo zu den drei Großen des spanischen Barocks. Aus dieser Zeit stammen seine Bilder mit elegant gekleideten Hofdamen in üppiger Seidenrobe, die ihn als „Meister der Details“kennzeichnen. Diese Verliebtheit ins Detail wird ergänzt durch eine originäre zarte Far
bigkeit, wenn man Die büßende Maria Magdalena von Bartolomé Esteban Murillo (1618-1682) betrachtet. Magdalenas weichherzige Mimik unterscheidet sich von den klassisch-idealisierten Gesichtern anderer Bilder. Murillo zeigt Magdalena als schöne junge Frau mit langen, lockigen Haaren, Oberkörper und Füße sind entblößt. Gewissermaßen emanzipiert sich dieser Maler von den religiös geprägten, strengen Motiven seiner Zeitgenossen, er gestaltet Magdalena als reizvolles Gegenbild zu den greisen Emeriten und edlen Märtyrern. Auch wie Murillo einen Bettlerjungen mit einer Greisin darstellt, zeugt von einem zugewandten Malstil, der „liebevolle Empathie“für die abgebildeten Personen ausdrückt.
Bildertausch zwischen Köln und Sevilla
Trotz einer überschaubaren Anzahl an Exponaten ist es in Köln durch systematische Auswahl gelungen, die ganze Bandbreite spanischer Barockmalerei zu präsentieren. Dabei war die enge Partnerschaft mit dem Museo de Bellas Artes in Sevilla, mit dem das Wallraf-Richartz Museum schon lange zusammenarbeitet, sicher hilfreich. Auch die spanische Botschaft in Berlin unterstützte das Projekt, weil damit ein bilateraler Bildertausch verbunden war. Während man jetzt in Köln zwei Gemälde aus Sevilla – den Hl. Jakobus von de Ribera und den Christus von Zurbarán – bewundern kann, wird in Sevilla das monumentale Werk Murillos aus Köln Der Hl. Franziskus in der Portuincula-Kapelle gezeigt. Es verbleibt dort als Leihgabe bis 2026. Die Odyssee des Altarbildes von Cadiz über ein Schloss in Südfrankreich bis zu seinem Verkauf durch einen spanischen Adeligen an die Kölner Kunstfreunde schildert ein Beitrag im Ausstellungskatalog detailliert. Er ist ebenso lesenswert wie die Ausstellung sehenswert ist.
„Unter die Haut“im Wallraf-Richartz-Museum in Köln noch bis 24. April. Geöffnet dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr. Eintritt 11 Euro, ermäßigt 8 Euro, Katalog 14 Euro. https://museumkoeln.de