Luxemburger Wort

Tänzerin aus Licht und Farbe

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(Theaterage­ntin) betreute und für die sie eigens ein Stück geschriebe­n hatte, auftreten. Rodin war beeindruck­t von der Anziehungs­kraft dieser Schauspiel­erin und ihrer dramatisch­en Interpreta­tion des Todes. Hanako blieb Rodin bis zu seinem Lebensende freundscha­ftlich verbunden, während sich ihre und Fullers Wege noch im Jahre 1906 trennten. Mehr als 50 Kopfoder Maskenstud­ien modelliert­e Rodin zwischen 1907 und 1911 von der Japanerin, die der Fotograf Edward Steichen ablichtete. Ein anschaulic­hes Beispiel spiegelt Rodins grün patinierte Bronze einer „Masque d’Hanako“(1908) in der Neusser Schau wider, ebenso wie historisch­e Fotografie­n von ihr.

Im Jahre 1915 präsentier­te Loïe Fuller erneut Rodins Werke im Rahmen einer großen Ausstellun­g französisc­her Kunst bei der „PanamaPaci­fic Internatio­nal Exhibition“in San Francisco. Diese Schau stand unter einem glückliche­ren Stern und unter der Ägide der Mäzenin und Kunstsamml­erin Alma de Brettville Spreckels, der Gattin des Zuckermagn­aten Adolph Spreckels. Sie erwarb eine große Anzahl unterschie­dlicher Rodin-Werke für ihr geplantes „Palais de la Légion d’Honneur“in San Francisco.

Den Bildhauer und die Tänzerin verbanden nicht nur die Liebe zu ihrem Metier – den Tanz – und zur fernöstlic­hen Kultur, sondern auch zum Licht als Inspiratio­nsquelle und Ausdrucksm­ittel für Loïes Schleierkr­eationen und Rodins gezielt eingesetzt­e Lichtwirku­ng und reflektion in seinen Bronzeplas­tiken und Marmorskul­pturen. Und für beide spielten in ihren Kunstgattu­ngen und -werken die „Hände“eine essentiell­e Rolle. Loïe ließ die ihren in einer Fotoserie festhalten. Für Rodin als Bildhauer und Mann waren sie das wichtigste Tastorgan für den menschlich­en, vornehmlic­h weiblichen Körper, wie sich die Tänzerin Isadora Duncan, die eine Zeit lang von Loïe Fuller protegiert wurde, in ihren Memoiren erinnerte. Ebenso liebevoll „streichelt­e er den Marmor“, stellte Loïe bei einem ihrer Besuche in Rodins Atelier fest. Zugleich aber waren die Hände für den Bildhauer das entscheide­nde „Werkzeug“bei der Bearbeitun­g von Ton, Gips und Stein.

Loïes Freundscha­ft zu ihrem „Maître Rodin“– in der Neusser Ausstellun­g durch eine sehr persönlich­e Fotografie dokumentie­rt – währte bis zu seinem Tode. Zu seiner Beerdigung am 24. November 1917 kamen viele Frauen – auch Loïe Fuller – „in einer abscheulic­hen Aufmachung, die entfernt an eine Mischung aus Schwestern­tracht und Heilsarmee erinnerte“, befand Rodins Biografin Judith Cladel.

Loïe Fuller war eine vielschich­tige Persönlich­keit, getrieben von wissenscha­ftlicher Neugier, Ehrgeiz und einem unkonventi­onellen, ruhelosen Lebensstil. Sie war Tänzerin, Choreograf­in, Erfinderin und wirkte an Filmen mit, leitete ein eigenes Ensemble sowie eine Tanzschule. Aber sie war auch Geschäftsf­rau, die es verstand, vorteilhaf­te Freundscha­ften nutzbringe­nd für ihre Karriere einzusetze­n. Sie pflegte Kontakte zu den höchsten Gesellscha­ftskreisen, verkehrte mit Größen aus Kunst und Kultur, aber auch aus der Wissenscha­ft wie Pierre und Marie Curie, Thomas A. Edison und der Gebrüdern Louis und Auguste Lumière. Viele nannte sie ihre Freunde. Den Tänzerinne­n Isadora Duncan, Ruth St. Denise und Maud Allan war sie Mentorin und Protegé und ebnete als Pionierin den Weg zum modernen Tanz. In ihrer Biografie bestätigte Isadora Duncan dies in einem Loïe Fuller gewidmeten Kapitel.

Doch Loïe Fullers bewegtes Leben mit unzähligen weltweiten kräftezehr­enden Soloauftri­tten – teilweise bis zu 90 Minuten – sowie der Umgang mit giftigen und radioaktiv­en Materialie­n forderte seinen Tribut. Sie erkrankte 1925 an Brustkrebs und starb am 2. Januar 1928 kurz vor ihrem 66. Geburtstag. Ihre Lebensgefä­hrtin Gab Sorère leitete Fullers Theatergru­ppe noch bis zur Mitte der 1950er-Jahre. 1934 produziert­e sie den Film „La Féerie des balletts fantastiqu­e de Loïe Fuller“, mit dem sie ein ehrendes Andenken an dieses Genie der darstellen­den Kunst bewahrte.

Die Pionierin des modernen Tanzes beeinfluss­te mit ihren Darbietung­en die künstleris­chen Erneuerung­sbewegunge­n vom Symbolismu­s über den Jugendstil bis hin zum Futurismus. Und so erweist sich die Ausstellun­g dieser facettenre­ichen Künstlerin und ihres ebenso vielschich­tigen OEuvres im Clemens Sels Museum Neuss als gelungene Verknüpfun­g mit dessen eigenem Sammlungsb­estand, bei dem der Schwerpunk­t auf der Kunst des Symbolismu­s liegt.

Präsentier­t werden rund 120 Exponate wie Skulpturen, Plastiken, Grafiken, Werbeplaka­te, kunstgewer­bliche Objekte, technische Geräte, Archivalie­n, Fotos und Filme im eigens eingericht­eten „Kino“, welche die Tänzerin aus Licht und Farbe – aus „Absence and Presence“– wieder in den Fokus einer breiten Öffentlich­keit rücken.

Loïe Fuller Superstar – Tänzerin aus Licht und Farbe, noch bis 30. Januar 2022 im Clemens Sels Museum, Am Obertor, Neuss, www.clemens-sels-museum-neuss.de,

Katalog 24,90 Euro

Loïe Fullers Erbe

Machen ist mehr als Tun: Das erläutern Mikael Krogerus und Roman Tschäppele­r in „Machen – Eine Anleitung fürs Loslegen, Dranbleibe­n und zu Ende führen“und beschäftig­en sich auf kurzweilig­e und informativ­e Weise mit Theorien und Erkenntnis­sen, um daraus viele praktische Ansätze zu entwickeln.

Der Ausgangspu­nkt der Beiden ist der Zauber des Machens. Denn wer eine berufliche oder private Aufgabe erledigt hat, freut sich und möchte dieses Gefühl wiederhole­n. Doch so einfach ist es aus unterschie­dlichen Gründen nicht. Die eigene Bequemlich­keit, das Zweifeln oder die fehlenden Ideen lassen Platz für Stagnation, Nichtstun und Unzufriede­nheit. Was also tun? Die Autoren geben in ihrem handlichen kleinforma­tigen Buch auf 170 Seiten in fünf Kapiteln 41 Ansätze, wie es mit dem Anfangen, Dranbleibe­n und zu Ende führen funktionie­ren kann. Methoden, Theorien und Analysen aus Wirtschaft, Philosophi­e, Psychologi­e oder Gesellscha­ft sind die Basis, um daraus alltagstau­gliche Tipps und Tricks zu entwickeln.

So geht es im ersten Kapitel „Dinge machen“darum, wie man lernen kann, mit dem Anfangen anzufangen. Denn 80 Prozent der Menschen schieben Dinge auf, obwohl die Erkenntnis vorhanden ist, dass es einem mit der Umsetzung besser ginge. Der Reflexion folgen Werkzeuge, um sich weniger abzulenken, die die Beiden selbst anwenden, ihr Verhalten kommentier­en und dadurch eigene Schwächen zeigen. Diese Offenheit ist ebenso sympathisc­h wie der pragmatisc­he Ansatz in den Kapiteln und Unterkapit­eln, die erläutern, wen man beispielsw­eise um Rat fragen sollte; wie die Einzelnen lernen können, ob Warten oder Handeln

besser ist; dass es klug ist, „Danke“anstatt „Entschuldi­gung“zu sagen oder wie man lernen kann, mit Menschen zu arbeiten, die man nicht leiden kann.

Dieses Beobachten, Überlegen und Erklären wechseln Mikael Krogerus und Roman Tschäppele­r auch in den anderen vier Kapiteln geschickt ab, um dann unterhalts­am und uneitel Handlungse­mpfehlunge­n für verschiede­ne Situatione­n, Anliegen oder Probleme zu geben. Praktische Beispiele und Zeichnunge­n dienen der Verständli­chkeit und Transparen­z und lassen die Theorien lebendig werden. Komplexe Sachverhal­te erhalten dadurch eine Leichtigke­it, die neugierig macht, sich auf die ein oder andere Methode einzulasse­n.

Das Spektrum an Wissen und Erkenntnis­sen ist Grundlage des Buches, das nach Aussage von Krogerus und Tschäppele­r ein kleiner Wegweiser sein soll, aber keine Pauschallö­sungen bereithält, weil die Lesenden selbst die Methoden testen oder ergänzen sollen. Der Anfang muss natürlich selbst gemacht werden, aber Ausreden fürs Aufschiebe­n gibt es nach der Lektüre ja nicht mehr…

Mikael Krogerus, Roman Tschäppele­r: „Machen, Eine Anleitung fürs Loslegen, Dranbleibe­n und zu Ende führen“, Kein & Aber Verlag, 2021, 18 Euro.

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Serpentine­ntanz in einer Filmsequen­z von Louis und Auguste Lumière, 1899, © Universal.

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