Volle Auftragsbücher, gestoppte Projekte
Die Gewinne sprudeln bei Paul Wurth, aber 40 Prozent des Neugeschäfts kommt 2021 von russischen Kunden
Auf den ersten Blick sind die Zahlen, die Paul Wurth vorlegt, hervorragend. Das Ergebnis war 2021 mit einem Gewinn von 23,7 Millionen so gut wie seit zehn Jahren nicht mehr. Das verkündet der Anlagenbauer gestern auf seiner Jahrespressekonferenz. Vor allem im Vergleich zu 2020, das sehr von den Auswirkungen der CoronaKrise geprägt war, stellt das einen deutlichen Zugewinn dar. Im Vorjahr erwirtschaftete das Unternehmen einen Profit von gerade einmal 4,9 Millionen nach 14,4 Millionen im Jahr 2019.
Die Umsätze sind hingegen weiter rückläufig. Sie betrugen 392,3 Millionen Euro im vergangenen Jahr nach 403,7 im Vorjahr und 479,2 im Jahr 2019. Die Fluktuationen in Umsatz und Gewinn liegen in der Natur des Projektgeschäftes, erklärt Georges Rassel, CEO von Paul Wurth.
Niederlassung in Mariupol
Die Auftragsbücher sind zwar mit einem Volumen von 884,2 Millionen Euro so voll wie selten zuvor; allein 2021 kamen Aufträge im Wert von 641 Millionen Euro hinzu. Allerdings schränkt Rassel ein, dass etwa 40 Prozent der Neuaufträge aus Russland kommen und daher erstmal auf Eis liegen. So kommen beispielsweise zwei Großaufträge vom russischen Magnitogorsk Iron & Steel Works des Oligarchen Viktor Raschnikow, der auf der Sanktionsliste der EU steht. Ob und wie es mit diesen Projekten weitergeht, könne er zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, so Rassel, auf die Bilanz würden sich die potenziellen Ausfälle aber wohl erst im kommenden Jahr niederschlagen.
Paul Wurth ist von dem Konflikt betroffen, da das Unternehmen traditionell in beiden Ländern
tätig ist. „In Übereinstimmung mit der Politik unserer Muttergesellschaft haben wir unsere Aktivitäten in Russland eingefroren, und bis auf sicherheitskritische Wartungsarbeiten werden keine weiteren Arbeiten durchgeführt“, so Rassel. „Darüber hinaus hält sich das Unternehmen an alle internationalen und EU-Sanktionen.“Auch im stark umkämpften Mariupol habe Paul Wurth eine Niederlassung mit fünf Mitarbeitern gehabt, die aber inzwischen evakuiert worden seien. Drei weibliche Mitarbeiter arbeiten inzwischen in Luxemburg.
Es ist der erste Jahresbericht seitdem Paul Wurth vollständig in die deutsche SMS Gruppe integriert wurde. „Seither hat sich die Arbeitsweise unserer Organisation stark verändert. Unabhängig davon fühlen wir uns dem Standort Luxemburg verpflichtet und der geplante Neubau unseres Firmensitzes ist ein Zeichen für die Verbundenheit mit unserem Großherzogtum“, sagte Rassel gestern. Das Unternehmen wird in der Rue de l'Aciérie im Stadtteil ‚Nei-Hollerich‘ in der Hauptstadt einen neuen „Paul Wurth-Campus“errichten.
Das Gebäude soll auf dem Gelände der ehemaligen Gießerei und Werkstatt entstehen. Entworfen wurde der Bau von Metaform Architects und das Projekt wird vom hauseigenen Bauentwickler Geprolux durchgeführt.
Hoffen auf die gründe Wende
Großes Wachstumspotenzial sieht das Unternehmen weiterhin in der Transformation des Stahlsektors, der für etwa sieben Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist. Um den Sektor klimaneutral zu machen, seien alleine in Europa Investitionen von 100 Milliarden Euro notwendig. Alle technischen Kompetenzen für diesen Umbau seien innerhalb von Paul Wurth vorhanden, sagt Rassel. In der SMS Gruppe sei Paul Wurth das erklärte Zentrum für die Dekarbonisierung von Stahl und wasserstoffbasierte Lösungen.
Durch den Ukraine-Krieg und den damit verbundenen Verwerfungen auf dem Energiemarkt erwartet er sich auch eine zusätzliche Dynamik in der Energiewende, wovon Paul Wurth profitieren könne. Als Beispiele nannte er eine deutlich effizientere ElektrolyseMethode zur Erzeugung von Wasserstoff, die das Start-up Sunfire entwickelt hat, an dem Paul Wurth beteiligt ist, oder ein Projekt in Norwegen zur Herstellung synthetischen Flugzeugbenzins.