Shitstorm gegen den Minister
Die Nominierung des neuen französischen Bildungsministers Pap Ndiaye sorgt für heftige Polemik
Pap Ndiaye weiß, wem er seine steile Karriere zu verdanken hat: Seine ersten Gedanken als neuer französischer Bildungsminister gingen an die Lehrerinnen und Lehrer seiner Kindheit. „Ich bin das Produkt der republikanischen Meritokratie“, sagte er in seiner Antrittsrede. Der Pfeiler dieses Systems, das ihm den Aufstieg durch Leistung ermöglicht habe, sei die Schule. Die 870 000 Lehrerinnen und Lehrer des Landes dürften Ndiayes Worte gern gehört haben. Sie hatten sich fünf Jahre lang unter dessen selbstherrlichem Vorgänger Jean-Michel Blanquer missachtet und schlecht behandelt gefühlt. Dass Blanquer deshalb seinen Posten räumen musste, war schon lange klar. Dass der Historiker Ndiaye sein Nachfolger würde, war allerdings eine faustdicke Überraschung.
Der Sohn eines senegalesischen Vaters und einer französischen
Mutter ist als Historiker Experte für das Thema rassistische Diskriminierung. In einem Land, in dem Name und Adresse oft über den weiteren Lebensweg entscheiden, ist die Personalentscheidung deshalb auch ein Fingerzeig. Der 56-Jährige wuchs zusammen mit seiner Schwester, der Schriftstellerin Marie Ndiaye, in der Banlieue von Paris auf. Seine Mutter, eine Lehrerin, zog die beiden Kinder allein auf, nachdem der Vater als Ingenieur nach Senegal zurückgekehrt war.
Er habe eine „typisch französische“Kindheit gehabt, sagte Ndiaye immer wieder. Dass er schwarz ist, habe er erst mit 25 realisiert, als er zum Studium in die USA ging. An der Universität von Virginia befasste er sich mit dem Thema Rassismus und krempelte seine Karriereplanung um. 2008 erschien sein Buch „La condition noire“(etwa: „Der schwarze Zustand“), in dem er die Geschichte der schwarzen Minderheit in Frankreich bis in die Gegenwart
Der Historiker Pap Ndiaye ist für sein Engagement gegen rassistische Diskriminierung bekannt.
hinein beschreibt. „Es gibt einen strukturellen Rassismus in Frankreich“, sagte er 2017 der Zeitung „Le Monde“. Auch die Polizeigewalt, die sich häufig gegen Schwarze richtet, benannte er offen.
Alles Gründe für die extreme Rechte, seine Ernennung am Freitag
schon nach wenigen Minuten zu kritisieren. In den sozialen Netzwerken brach ein wahrer Shitstorm mit rassistischen Angriffen los. Die Rechtspopulistin Marine Le Pen sah in der Personalie das Ende Frankreichs nahen.
„Ich fühle mich eher cool als woke“Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Blanquer, der ein erbitterter Gegner war, hat Ndiaye Sympathie für die Woke-Kultur. „Ich teile die meisten ihrer Anliegen wie den Feminismus, den Kampf für den Umweltschutz oder den AntiRassismus, aber ich billige den moralisierenden oder sektiererischen Diskurs einiger von ihnen nicht. Ich fühle mich eher cool als woke,“sagte er der Zeitung „Le Monde“.
Als die frühere Hochschulministerin Frédérique Vidal den Universitäten vorwarf, Brutstätten einer Ideologie zu sein, die linksextreme Positionen mit Klientelpolitik für Muslime verbinde, bezog Ndiaye offen Stellung dagegen. „Das entspricht nicht der Realität an den Universitäten“, sagte der Wissenschaftler, der jahrelang an der elitären PolitikHochschule Sciences Po gelehrt hatte. Er wandte sich damit auch gegen Blanquer, der ebenfalls gegen „Links-Islamisten“an den Universitäten gewettert hatte.
Doch der neue Minister, der 2012 die Wahl des Sozialisten François Hollande unterstützt hatte, unterscheidet sich nicht nur in seinen Positionen von seinem konservativ geprägten Vorgänger. Ndiaye hat auch eine ganz andere Art als Blanquer. Der Vater von zwei Kindern wird als Diplomat gepriesen, der stundenlang zuhören kann und viel Taktgefühl hat. Die Lehrergewerkschaften begrüßten Ndiayes Ernennung deshalb. Die Gewerkschafterin Sophie Vénétitay warnte allerdings: „Bildung wird nicht nur mit Symbolen gesteuert.“Ndiaye muss also auch liefern – und zwar schnell.