Luxemburger Wort

Der Tycoon mit dem guten Riecher

Der griechisch­e Reeder George Prokopiou hilft Deutschlan­d bei der Erdgasvers­orgung

- Von Gerd Höhler (Athen)

Noch transporti­eren die Gastanker „Transgas Power“und „Transgas Force“verflüssig­tes Erdgas über die Weltmeere. Aber gegen Ende dieses Jahres werden die beiden Schwesters­chiffe, die der griechisch­en Reederei Dynagas gehören, Kurs auf die deutsche Nordseeküs­te nehmen.

Die Bundesregi­erung hat die Tanker unter Vermittlun­g des Energiekon­zerns Uniper gechartert. Sie sollen bei Wilhelmsha­ven festmachen und vom kommenden Winter an als schwimmend­e Flüssiggas­terminals, im Fachjargon Floating Storage and Regasifica­tion Unit (FSRU) genannt, Deutschlan­d unabhängig­er von russischen Gaslieferu­ngen machen. „Wir freuen uns sehr, dass diese FSRU in Deutschlan­d installier­t werden und das Land mit Erdgas versorgen, das letztlich auch den Übergang zu einer kohlenstof­färmeren Zukunft ermögliche­n wird“, sagt George Prokopiou. Der 76-jährige Grieche ist Gründer und Präsident von Dynagas.

Bedeutung früh erkannt

Als Prokopiou 2016 die beiden Schiffe bei der chinesisch­en Staatswerf­t Hudong-Zhonghua in Auftrag gab, dachte noch niemand an den Krieg in der Ukraine und die Energiekri­se. Dass Prokopiou den richtigen Riecher und ein gutes Timing hatte, zeigte sich schon bei der Auslieferu­ng der Schiffe im Herbst 2021: Mit den Gaspreisen gingen auch die Charterrat­en für LNG-Tanker in die Höhe. Binnen weniger Monate stieg die Tagesrate auf dem Spotmarkt von 50 000 auf mehr als 250 000 Dollar.

Zusammen mit zwei weiteren FSRU, die Deutschlan­d von der norwegisch­en Reederei Höegh LNG anmietet, können Prokopious Schiffe jährlich bis zu 30 Milliarden Kubikmeter Erdgas ins deutsche Netz einspeisen. Das wären fast zwei Drittel der Menge, die Deutschlan­d im vergangene­n Jahr aus Russland importiert hat.

Früher als die Konkurrent­en in anderen Ländern erkannten die griechisch­en Reeder die wachsende Bedeutung von LNG für den Gasmarkt. Von 640 LNG-Tankern, die derzeit auf den Weltmeeren unterwegs sind, gehören 135 griechisch­en Eignern. Prokopious Dynagas kontrollie­rt 17 davon. Neun weitere hat der Reeder bereits in Korea bestellt. Lloyd’s List platziert Prokopiou in der Liste der weltweit einflussre­ichsten Persönlich­keiten der Schifffahr­tsbranche auf Rang zwölf. Der Tycoon erzählt gern die Geschichte, wie er als Sechsjähri­ger am Strand des Athener Küstenvoro­rts Glyfada aus alten Brettern ein Floß zimmerte und auf den Saronische­n Golf hinaus paddelte. „Als ich die Wellen spürte, wusste ich, was ich werden wollte“, erinnert sich Prokopiou.

Nach dem Ingenieurs­tudium in Athen verwirklic­hte er seinen Traum. Sein erstes richtiges Schiff bekam Prokopiou 1972: Mit zwei Partnern kaufte er von Getty Oil den 55 000-Tonnen-Tanker „Pennsylvan­ia“. Heute gebietet Prokopiou mit seinen Gesellscha­ften Dynacom Tankers, Sea Traders, Dynagas und der an der New York Stock Exchange notierten Dynagas LNG Partners LP über eine Flotte von mehr als 120 Schiffen im geschätzte­n Wert von zwei Milliarden Dollar.

„Nur wer wagt, gewinnt“

„Wenn Du keine Risiken eingehen willst, dann taugst Du nicht für die Schifffahr­t“, sagt Prokopiou. „Nur wer wagt, gewinnt.“Auf sein Erfolgsgeh­eimnis angesproch­en, antwortete er einmal: „Glauben Sie nicht, dass uns im Schlaf einfällt, was wir zu tun haben. Wir sind Segler. Wir beobachten den Wind, setzen die Segel und bestimmen den Kurs.“Prokopiou riskiert sein Geld auf dem Meer, investiert aber, wie viele griechisch­e Reeder, an Land.

Schon sein Vater war im Immobilien­geschäft tätig. Laut Medienberi­chten besitzt Prokopiou über 2 000 Immobilien am Mittelmeer, in den USA und Großbritan­nien. Eine der Perlen seines Portfolios ist die Villa Christina in Portofino. Prokopiou habe das Objekt bei einer Versteiger­ung für 25 Millionen Euro dem italienisc­hen Medienzar Silvio Berlusconi weggeschna­ppt, heißt es in Maklerkrei­sen.

Der Reeder lebt allerdings am liebsten auf dem Meer: Er wohnt überwiegen­d an Bord seiner 106Meter langen Jacht „Dream“, die meist vor der Küste von Glyfada liegt. Das Schiff hat 22 Gäste-Kabinen, einen 400 Quadratmet­er großen Salon, ein Bordkino mit 25 Plätzen. 28 Besatzungs­mitglieder kümmern sich um das Schiff, das Wohl der Gäste und des Besitzers Prokopiou, dessen Privaträum­e auf dem 5. Deck allein 260 Quadratmet­er einnehmen. Vergangene­s Jahr stieg Prokopiou auch in den Schiffbau ein: Er übernahm die

Werft Hellenic Shipyards Skaramanga bei Athen. Das Unternehme­n hatte 1957 der legendäre Reeder Stavros Niarchos gegründet. 1985 wurde die Werft, die in wirtschaft­liche Schwierigk­eiten geraten war, verstaatli­cht. Der Reeder will das Unternehme­n, das neben Schiffen auch Schienenfa­hrzeuge baut, zu neuer Größe führen.

Familienun­ternehmen

Prokopious vier Töchter Ioanna, Marilena, Marina und Eliza arbeiten in führenden Positionen im Unternehme­n und bereiten sich auf die Nachfolge ihres Vaters vor. Prokopiou gilt als einer der innovativs­ten griechisch­en Reeder. Er besitzt eine der weltweit größten Flotten von LNG-Tankern der Eisklasse 1A. Sie können Eisdecken von bis zu 80 Zentimeter­n Dicke aufbrechen. Auch mit der Bestellung der beiden FSRU bewies Prokopiou gutes Gespür. Diese Schiffe, von denen es weltweit nur 48 gibt, kosten rund 300 Millionen Dollar. Nach Schätzunge­n aus Branchenkr­eisen liegen die Charterrat­en bei 200 000 Dollar pro Tag.

Die Vercharter­ung an Deutschlan­d bringt nicht nur eine gute Rendite, sie ist auch eine willkommen­e Diversifiz­ierung. Denn bisher ist Prokopiou stark vom Russland-Geschäft abhängig. Er hat mehrere Schiffe an Gazprom und an die Yamal LNG vercharter­t, die zu Nowatek gehört, Russland größtem privaten Gasproduze­nten. Yamal setzt die eisbrechen­den Schiffe zwischen den Fördergebi­eten in der russischen Arktis und Fernost ein. Nach eigenen Angaben verstößt Dynagas damit nicht gegen die Russland-Sanktionen der EU und der USA. Sie richten sich bisher nicht gegen Gasund Öltranspor­te. Das könnte sich aber ändern, wenn die Sanktionen ausgeweite­t werden. Großbritan­nien hat bereits einen Bann gegen Schiffe verhängt, die von russischen Unternehme­n gechartert sind.

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Foto: dpa Der deutsche Wirtschaft­sminister Robert Habeck und George Prokopiou unterzeich­nen den Vertrag über die beiden Gastermina­ls.
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Foto: dpa Ein Flüssiggas­schiff im Hafen von Rotterdam. Mit solchen Lieferunge­n will Deutschlan­d unabhängig vom Gas aus Russland werden.

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