Mandela und das Krokodil
Hinter „Silverton Siege“verbirgt sich mehr als eine bloße Geiselnahme
Die Geschichte geht gut aus. Zehn Jahre später. Als Nelson Mandela am 11. Februar 1990 aus dem Gefängnis entlassen wird. Zehn Jahre zuvor, am 25. Januar 1980, fordern drei schwarze Geiselnehmer in einer Bank in Pretoria die Freilassung ihres charismatischen Anführers. Die Forderung ist gewissermaßen der letzter Ausweg aus ihrer an sich ausweglosen Situation.
„Silverton Siege“beruht auf einer wahren Geschichte, die sich zur Hochzeit der Apartheid in Südafrika zuträgt: Ein misslungener Sabotage-Akt und eine halsbrecherische Verfolgungsjagd quer durch Probe – denn plötzlich wird jedes Wort des anderen, dessen Mimik und Gestik als Indiz des Verrats interpretiert. Und gibt den Zweifeln an der Aufrichtigkeit des anderen gegenüber der Sache, für die sie gemeinsam kämpfen, zunehmend Nährboden.
Diese Sache, der Kampf gegen die Apartheid, hätte es verdient, in den 100 Filmminuten stärker herausgeschält zu werden. Das ist nicht der Fall. Mit der Folge, dass der Zuschauer stellenweise mit Andeutungen zum Apartheid-Regime, die wie Fremdkörper im Film wirken, allein gelassen wird. Dube und Mgidi verzichten auf Apartheid-Aufklärung.
Der Fremdkörper im Film
So wirken beispielsweise die rassistischen Äußerungen eines Bankangestellten oder des Brigadiers wie verurteilenswerte verbale
Ausrutscher, wie sie auch der Alltag anno 2022 immer noch produziert. Was dem Ausmaß der Apartheid, das eine staatlich verankerte und mit staatlicher Gewalt durchgeprügelte Rassentrennung war, nicht gerecht wird.
Dafür hat „Silverton Siege“andere Stärken. Wie das Duell, das sich der charismatische Leader der Geiselnehmer Calvin Khumalo, gespielt von Thabo Rametsi, und der leitende Captain Johan Langerman, dessen Rolle Arnold Vosloo interpretiert, liefern. Beiden gelingt es, ihre jeweilige Überzeugung, auf der richtigen Seite zu stehen, glaubhaft und eindrücklich zu vermitteln. Beide sind dennoch nicht in einem ideologischen Korsett gefangen. Jeder hat seine menschliche Facette bewahrt, was sich auch darin offenbart, dass weder Khumalo noch Langerman gewillt sind, bis zum Äußersten zu gehen – und ihre Mitstreiter mit dieser gemäßigten Haltung lange unter Kontrolle halten.
Indem sich die zwei Protagonisten Stück um Stück näherkommen – vom ersten Telefongespräch, das gegenseitige Verachtung versprüht, über den eindringlichen Augenkontakt durch den Briefschlitz der massiven Banktür bis zur direkten Gegenüberstellung – verspürt man, wie beide in ihrem tiefsten Inneren Verständnis für das Verhalten des anderen aufbringen.
Der eigentliche Machtkampf
Und auch wenn das Drehbuch die Apartheid-Geschichte aussparen will: Im finalen Show-down zwischen Khumalo und dem skrupellosen Brigadier Hans, der anstelle von Johan Langerman vollendete Tatsachen schaffen will, reflektiert sich der Machtkampf zwischen den beiden prägenden Figuren der südafrikanischen Apartheid-Jahre.
Da Nelson Mandela, dessen Freilassung der Geiselnehmer als ultimative Forderung an seinen Herausforderer richtet. Dort Pieter Botha, Premierminister, der dieser Forderung nicht beziehungsweise nur zum Schein stattgeben kann – nicht nur, weil es keinen Deal mit Geiselnehmern geben darf, sondern in diesem konkreten Fall sein Regime ansonsten wie ein Kartenhaus zusammenfällt.
Nicht umsonst trägt Hans den Spitzennamen „kleines Krokodil“: Es ist die Anspielung auf Botha, der wegen seines skrupellosen Umgang mit politischen Gegnern den zweifelhaften Ruf „großes Krokodil“genoss …
„Silverton Sieg“kann auf Netflix abgerufen werden.