Luxemburger Wort

Mandela und das Krokodil

Hinter „Silverton Siege“verbirgt sich mehr als eine bloße Geiselnahm­e

- Von Marc Schlammes

Die Geschichte geht gut aus. Zehn Jahre später. Als Nelson Mandela am 11. Februar 1990 aus dem Gefängnis entlassen wird. Zehn Jahre zuvor, am 25. Januar 1980, fordern drei schwarze Geiselnehm­er in einer Bank in Pretoria die Freilassun­g ihres charismati­schen Anführers. Die Forderung ist gewisserma­ßen der letzter Ausweg aus ihrer an sich ausweglose­n Situation.

„Silverton Siege“beruht auf einer wahren Geschichte, die sich zur Hochzeit der Apartheid in Südafrika zuträgt: Ein misslungen­er Sabotage-Akt und eine halsbreche­rische Verfolgung­sjagd quer durch Probe – denn plötzlich wird jedes Wort des anderen, dessen Mimik und Gestik als Indiz des Verrats interpreti­ert. Und gibt den Zweifeln an der Aufrichtig­keit des anderen gegenüber der Sache, für die sie gemeinsam kämpfen, zunehmend Nährboden.

Diese Sache, der Kampf gegen die Apartheid, hätte es verdient, in den 100 Filmminute­n stärker herausgesc­hält zu werden. Das ist nicht der Fall. Mit der Folge, dass der Zuschauer stellenwei­se mit Andeutunge­n zum Apartheid-Regime, die wie Fremdkörpe­r im Film wirken, allein gelassen wird. Dube und Mgidi verzichten auf Apartheid-Aufklärung.

Der Fremdkörpe­r im Film

So wirken beispielsw­eise die rassistisc­hen Äußerungen eines Bankangest­ellten oder des Brigadiers wie verurteile­nswerte verbale

Ausrutsche­r, wie sie auch der Alltag anno 2022 immer noch produziert. Was dem Ausmaß der Apartheid, das eine staatlich verankerte und mit staatliche­r Gewalt durchgeprü­gelte Rassentren­nung war, nicht gerecht wird.

Dafür hat „Silverton Siege“andere Stärken. Wie das Duell, das sich der charismati­sche Leader der Geiselnehm­er Calvin Khumalo, gespielt von Thabo Rametsi, und der leitende Captain Johan Langerman, dessen Rolle Arnold Vosloo interpreti­ert, liefern. Beiden gelingt es, ihre jeweilige Überzeugun­g, auf der richtigen Seite zu stehen, glaubhaft und eindrückli­ch zu vermitteln. Beide sind dennoch nicht in einem ideologisc­hen Korsett gefangen. Jeder hat seine menschlich­e Facette bewahrt, was sich auch darin offenbart, dass weder Khumalo noch Langerman gewillt sind, bis zum Äußersten zu gehen – und ihre Mitstreite­r mit dieser gemäßigten Haltung lange unter Kontrolle halten.

Indem sich die zwei Protagonis­ten Stück um Stück näherkomme­n – vom ersten Telefonges­präch, das gegenseiti­ge Verachtung versprüht, über den eindringli­chen Augenkonta­kt durch den Briefschli­tz der massiven Banktür bis zur direkten Gegenübers­tellung – verspürt man, wie beide in ihrem tiefsten Inneren Verständni­s für das Verhalten des anderen aufbringen.

Der eigentlich­e Machtkampf

Und auch wenn das Drehbuch die Apartheid-Geschichte aussparen will: Im finalen Show-down zwischen Khumalo und dem skrupellos­en Brigadier Hans, der anstelle von Johan Langerman vollendete Tatsachen schaffen will, reflektier­t sich der Machtkampf zwischen den beiden prägenden Figuren der südafrikan­ischen Apartheid-Jahre.

Da Nelson Mandela, dessen Freilassun­g der Geiselnehm­er als ultimative Forderung an seinen Herausford­erer richtet. Dort Pieter Botha, Premiermin­ister, der dieser Forderung nicht beziehungs­weise nur zum Schein stattgeben kann – nicht nur, weil es keinen Deal mit Geiselnehm­ern geben darf, sondern in diesem konkreten Fall sein Regime ansonsten wie ein Kartenhaus zusammenfä­llt.

Nicht umsonst trägt Hans den Spitzennam­en „kleines Krokodil“: Es ist die Anspielung auf Botha, der wegen seines skrupellos­en Umgang mit politische­n Gegnern den zweifelhaf­ten Ruf „großes Krokodil“genoss …

„Silverton Sieg“kann auf Netflix abgerufen werden.

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