„Ich hatte keine Berührungsängste“
Wotan Wilke Möhring über seine Inklusions-Komödie und die Dreharbeiten mit beeinträchtigten Menschen
Millionen Krimifans kennen ihn vor allem als „Tatort“-Kommissar aus dem hohen Norden: Wotan Wilke Möhring. In seinem neuen Film „Weil wir Champions sind“(heute um 20.15 Uhr, Vox) spielt Möhring einen Basketballcoach, der als Sozialstrafe dazu verdonnert wird, kognitiv beeinträchtigte Sportler zu trainieren – sie werden ausnahmslos von Menschen mit Behinderung verkörpert.
Wotan Wilke Möhring, in „Weil wir Champions sind“spielen Sie einen Basketballtrainer, den der Erfolg rücksichtslos und egoistisch gemacht hat. Hat der Erfolg als Schauspieler Sie ebenfalls verändert?
Ich war ja schon 30, als ich mit dem Schauspielen angefangen habe. Ich habe heute drei Kinder, ich habe genug im Leben erfahren und lernen dürfen, ich glaube zu wissen, was wichtig ist. Erfolg ist in vielerlei Arten messbar, kann natürlich eine schöne Bestätigung sein, ist aber auch launisch und flüchtig.
Als Sozialstrafe wird der Trainer dazu verurteilt, Menschen mit kognitiver und körperlicher Beeinträchtigung zu betreuen – gespielt werden diese Sportler von Betroffenen. Hatten Sie Berührungsängste?
Ich hatte überhaupt keine Berührungsängste, sondern habe mich sogar richtig darauf gefreut. Ich kenne solche besonderen Menschen, auch aus dem privaten Umfeld. Außerdem hatten wir früher an unserer Schule noch eine Conterganklasse, und später habe ich ein Sozialpraktikum in den USA gemacht in einer inklusiven Dorfgemeinschaft. Das war eine bereichernde Zeit mit tollen Begegnungen.
Sie vermeiden bewusst das Wort Behinderung.
Genauso ist es, denn das ist eine intolerante und wie ich finde unzureichende Bezeichnung. Eine, die ausschließlich das hervorhebt, von dem wir glauben, was diese Menschen alles nicht können, wo sie eingeschränkt sind, be-hindert sind. Wir sprechen ihnen einfach die Fähigkeiten ab, die wir besitzen, und sind dabei nicht in der Lage, ihre möglichen Fähigkeiten zu erkennen, die wir vielleicht nicht haben.
Welche Fähigkeiten meinen Sie?
Mal abgesehen davon, dass ich fest davon überzeugt bin, dass jeder Mensch das gleiche Recht hat, seinen Beitrag beizusteuern, kann man beobachten, dass zum Beispiel gerade was das soziale Verhalten angeht, wir einiges von diesen Menschen lernen können. Dass es auch ohne Neid und Missgunst geht, sondern mit großer Herzlichkeit und offenen Karten. Zwischendurch
bei den Dreharbeiten habe ich mir sogar mal gedacht: Vielleicht haben die ja die Lösung für den Weltfrieden? Oder für unsere anderen Probleme.
Was waren die Besonderheiten bei den Dreharbeiten?
Es war zunächst nötig Personen zu finden, die im richtigen Alter waren, denen man Basketball in Grundzügen beibringen konnte, die sich bestimmte Texte merken konnten und denen man die anstrengenden Dreharbeiten zumuten konnte. Außerdem mussten sie ja nicht einfach nur sie selber sein, sondern auch noch eine Figur darstellen. Auch die Eltern und Betreuer mussten zustimmen und Zeit dafür mitbringen. Es wurde also lange und intensiv gecastet, und es wurde vorab mit mehr Drehtagen geplant, damit alle in Ruhe und in der richtigen Atmosphäre arbeiten konnten.
Musste öfter mal improvisiert werden beim Dreh?
Im Gegenteil. Man konnte nicht variieren, man konnte nicht improvisieren – die Verabredung vorab war, dass wir es genauso drehen, wie sie das geprobt hatten. Alles andere hätte Verwirrung gebracht.
Es gibt in dem Film auch einige Gags, bei denen das Publikum über die Sportler lächeln darf …
Warum denn auch nicht? Es ist ja auch eine Komödie. Diese Menschen haben selbst einen großartigen Humor und würden sich die Frage, ob und wann man lachen darf, bestimmt nicht stellen. Wie die sich selbst und gegenseitig veräppeln und hochnehmen, frei und ohne zu verletzen, davon können wir uns eine Scheibe abschneiden.
Wir haben so viel gelacht. Das war einer der herzlichsten und ehrlichsten Drehs, die ich je erlebt habe.
Worum geht es Ihnen persönlich bei diesem Film?
Dass wir uns immer wieder die Fragen stellen: Wer bestimmt, was normal ist? Was ist normal? Gibt es das überhaupt? Ist nicht die Normierung der große Fehler, der uns den Reichtum, die ganze Bandbreite der menschlichen Gesellschaft nimmt? Wir sind so verblendet von diesen schlussendlich trennenden Begriffen, dass wir nicht anerkennen, welchen Beitrag natürlich auch diese Menschen leisten könnten.
Ihre drei Kinder waren zu Gast am Set. War das Ihr persönlicher Wunsch, um sie in Kontakt mit den Betroffenen zu bringen?
Das war nicht nötig, die sind alle auf inklusiven Schulen, die haben damit überhaupt kein Problem. Es war eher dem Drehort Köln geschuldet, unserem Wohnort. Ich würde sie auch zu „Tatort“-Dreharbeiten einladen, aber die finden immer in Norddeutschland statt.
Müsste das Fernsehen hierzulande noch diverser werden?
Unbedingt. Wir müssen aber erstmal wissen, warum wollen wir denn divers werden? Fühlen wir uns dann besser, klopfen uns auf die Schulter? Oder haben diese Menschen etwas davon, für die wir das machen sollten?
Diese Menschen haben einen großartigen Humor und würden sich die Frage, ob und wann man lachen darf, bestimmt nicht stellen.
Die alltägliche Grundhaltung der Gesellschaft diesem Thema gegenüber ist das Problem.
Was muss sich Ihrer Ansicht nach ändern?
Die alltägliche Grundhaltung der Gesellschaft diesem Thema gegenüber ist das Problem. Es geht darum, ob wir diese Menschen wirklich willkommen heißen. Wo sind die denn im Straßenbild, warum werden die im öffentlichen Raum komisch angeguckt? Und, weitergedacht: Warum habe ich überhaupt Angst vor Fremdem, Unbekanntem? Warum wird die Angst in letzter Zeit sogar eher geschürt? Auf der technischen Ebene hat sich unsere Gesellschaft zwar weiterentwickelt, sozial aber leider nicht, wir wissen zu wenig über die Menschen direkt neben uns.
Sie haben gerade ein Buch mit Ihrem Bruder Sönke veröffentlicht, der Ihnen darin eine bisweilen unbequem direkte Art attestiert. Ecken Sie damit manchmal an?
Ganz ehrlich, so richtig verstehe ich gar nicht, warum man nicht direkt sein sollte. Warum muss man es anders sagen, als man es meint, unnötige Kurven nehmen? Man sollte natürlich niemanden verletzen, aber warum darf man denn die Dinge nicht beim Namen nennen? Dieses ganze berechnende Verhalten geht diesen besonderen Menschen ab, und das finde ich so herrlich befreiend.