Eine Metropole erwacht aus dem Lockdown
Fast zwei Monate lang stand das Leben in Shanghai praktisch still – Nun kehrt langsam der Alltag zurück
Shanghai. Nach zwei Monaten hat die ostchinesische Hafenstadt Shanghai ihren kontroversen, teils chaotischen Lockdown weitgehend aufgehoben. Die meisten der 25 Millionen Einwohner durften ihre Wohnungen seit vorgestern wieder verlassen. Geschäfte öffneten. Auch wurde öffentlicher und privater Verkehr mit Einschränkungen wieder aufgenommen. Ausgenommen sind nur noch Nachbarschaften, die wegen Infektionen als Risikogebiete abgeriegelt sind. Rund 200 000 Menschen sind noch weiter in Quarantäne, wie Staatsmedien berichteten.
„Es ist wirklich verrückt“, sagte eine 43-jährige Deutsche, die erstmals wieder vor die Tür kam und es kaum fassen konnte: „Es herrscht ein geschäftiges Treiben. Als wenn nichts gewesen wäre.“Viele Läden hätten geöffnet. Es werde geputzt, ein wenig verkauft. „Es ist alles wieder zurück auf Start“, fand die Deutsche. Die
Bäume seien grün, der Frühling sei gekommen, das Wetter warm: „Es herrscht eine gewisse Euphorie.“In der Nacht sei gefeiert worden. Wie nach Silvester lägen Partyreste herum. „Wir sind im Jubel, Trubel und können es kaum einordnen.“
Eine gefühlte Ewigkeit
Sogar zweieinhalb Monate steckte Herr Zhou in seiner Wohnung fest. „Erst war ich genervt, unwillig, verwirrt und besorgt, doch dann habe ich mich schrittweise daran gewöhnt“, sagte der 40-jährige Techniker. „Heute fühle ich mich, als wenn ich eine Ewigkeit abgeschnitten gewesen wäre.“Als erstes habe er einen Zehn-KilometerLauf gemacht. Auch wenn es weitere Ausbrüche geben werde, sollte es nie wieder zu einem derart langen Lockdown kommen, meinte Herr Zhou. „Die Regierung sollte die Lehren daraus ziehen und künftige Maßnahmen verbessern.“Der Lockdown in dem Wirtschafts
Der Alptraum mit dem chaotischen Lockdown in Shanghai ist zu Ende. Die Menschen können wieder vor die Tür.
und Finanzzentrum der zweitgrößten Volkswirtschaft war Ende März zunächst für fünf Tage über die Pudong-Seite östlich des Huangpu-Flusses verhängt worden. Doch wurden die Beschränkungen wegen der steigenden Infektionszahlen ausgedehnt und dauerten am Ende fast zwei Monate. Wegen unzureichender Lieferungen von Lebensmitteln, schlechter medizinischer Versorgung und teils chaotischer Verhältnisse hatte es heftige Kritik gegeben.
Auf dem Höhepunkt der Welle zählte Shanghai im April 27 000 neue Infektionen an einem Tag. Am Dienstag meldete die Metropole nur noch 15 neue Fälle – so wenig wie seit drei Monaten nicht mehr. Landesweit berichtete die nationale Gesundheitskommission von 68 Neuinfektionen, davon 46 ohne Symptome.
Die Regierung sollte die Lehren daraus ziehen und künftige Maßnahmen verbessern. Herr Zhou, Bewohner von Shanghai
Strikte Corona-Regeln bleiben
Regelmäßige Corona-Tests werden jedoch weiter zum Alltag gehören, auch Abstandsregeln. Kindergärten, Grund- und Mittelschulen bleiben in Shanghai geschlossen. Geschäfte müssen die Zahl der Kunden auf 75 Prozent der maximalen Kapazität beschränken. Vor der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder auch beim Zutritt zu Geschäften oder Einkaufszentren in der Hafenstadt muss mit einem Code auf dem Handy ein negativer Test innerhalb von 72 Stunden nachgewiesen werden. dpa