Die nächste Generation darf nicht die Zeche zahlen
Plädoyer für eine verantwortungsvolle Haushaltspolitik
Wir erleben stürmische Zeiten. Nichts ist mehr wie vor 2020. Nun erschüttert eine weitere Krise die Welt – der UkraineKrieg. Mehr als 30 Jahre nach dem Berliner Mauerfall wird wieder ein eiserner Vorhang mitten in Europa herabgelassen. Die Welt droht erneut in geopolitische Lager gespalten zu werden.
Von Anfang dieses Krieges an haben sich die Staaten der Europäischen Union zusammengeschlossen, um koordinierte Sanktionen gegen das Moskauer Regime zu verhängen. Allerdings haben diese Maßnahmen ihren Preis. Es ist der Preis der Freiheit, den wir zahlen müssen. Und dieser wird um so höher sein, je länger dieser militärische Konflikt andauert.
Kurzer Aufschwung, längere Rezession?
Als die Covid-Beschränkungen schrittweise reduziert wurden, wuchs die Wirtschaft 2021 wieder spürbar. Das lag nicht zuletzt auch daran, dass die Verbraucher unbeabsichtigte Ersparnisse der Pandemiejahre ausgaben. Wir hatten also eine starke ökonomische Erholung. Aktuelle Lieferengpässe versetzten dieser Besserung allerdings einen Dämpfer und heizen die jetzige Inflation zusätzlich an. Mittlerweile liegt die jährliche Inflationsrate hierzulande bei um die sieben Prozent.
Aus all diesen Gründen warnen internationale Organisationen vor einem stark gedrosselten Wachstum, ja einer Rezession. Die Auswirkungen der Pandemie sind vielschichtig. Zudem verstärken die unmittelbaren Folgen des Ukraine-Kriegs die Gefahr eines raschen Anstiegs der Staatsverschuldung.
Diese Entwicklungen wirken sich natürlich auch direkt auf unsere öffentlichen Finanzen aus. Für 2022 wird mit niedrigeren Einnahmen gerechnet als geplant. Das „Solidaritätspaket“und die unter Leitung des Premierministers mit den Sozialpartnern ausgehandelten Hilfen des „Energietisches“sind notwendige Maßnahmen. Diese Mehrausgaben kommen jedoch zu den durch die Pandemie verursachten Kosten hinzu.
Im Zuge der Covid-Krise wurden große Anstrengungen unternommen, um den Menschen und Unternehmen unter die Arme zu greifen. Dies erwies sich als genau richtig, denn es galt, eine verheerende Wirtschaftskrise infolge der Härte der Covid-Pandemie zu verhindern.
2020 ist unser Bruttoinlandsprodukt (BIP) tatsächlich „nur“um 1,8 Prozent geschrumpft. Damit belegt Luxemburg den dritten Platz in der EU. Zum Vergleich: In der Eurozone betrug der Wachstumsrückgang minus 6,4 Prozent!
2021 Jahr verzeichnete Luxemburg eine stattliche Wachstumsrate von 6,9 Prozent. Auch hier liegen wir klar über dem EUDurchschnitt. Die Arbeitslosenquote sank in den letzten Monaten kontinuierlich – auf nunmehr 4,7 Prozent. So tief lag sie seit der Finanzkrise nicht mehr. Kein Wunder, dass sich die Suche nach qualifizierten Fachkräften derzeit schwierig, ja oft vergeblich gestaltet.
Diese außergewöhnliche Widerstandsfähigkeit unserer Wirtschaft wäre nicht möglich gewesen ohne die Bemühungen des Staates, rasch gezielte Hilfen für Arbeitnehmer, Unternehmen, Selbstständige und Rentner umzusetzen. Das hat unsere öffentlichen Finanzen unmittelbar belastet, weshalb wir unseren Haushalt mittelfristig wieder ins Gleichgewicht bringen müssen.
Vorsichtige Haushaltspolitik dringend geboten
Wir wissen, dass Haushaltsdisziplin immer eine Gratwanderung ist zwischen der Bewältigung heutiger Aufgaben einerseits und unserer Verantwortung gegenüber künftigen Generationen andererseits.
Die Staatsverschuldung liegt im Augenblick bei 25,2 Prozent. Das sind drei Prozentpunkte mehr als 2019, dem Jahr vor Pandemiebeginn. Der Schuldenzuwachs Luxemburgs seit 2020 ist im EU-Vergleich sehr gemäßigt. Ferner liegt unsere Staatsverschuldung immer noch deutlich unter dem sich von der Regierung selbst gesetzten Maximum von 30 Prozent. Und weit unter dem Maastricht-Kriterium von 60 Prozent. Auch hier sind wir eine der wenigen Ausnahmen innerhalb der EU.
Vor der Pandemie erzielte Luxemburg dank einer umsichtigen Haushaltspolitik im Zentralstaat einen Überschuss. 2018 lag dieser bei 470 Millionen Euro. 2020 sah das leider anders aus. Der dringend nötige und massive Eingriff des Staates in das wirtschaftliche Gefüge führte zu einem Defizit von sage und schreibe 3,1 Milliarden Euro. Ohne die Hilfestellungen der öffentlichen Hand wäre unser Land aber in eine tiefe Krise geschlittert, die einen wirtschaftlichen Scherbenhaufen zur Folge gehabt hätte. Ein Nicht-Intervenieren wäre uns erheblich teurer zu stehen gekommen, weil das zu weitaus höheren Schäden geführt hätte.
Für 2021 wird das Defizit des Zentralstaates auf nunmehr 326 Millionen Euro geschätzt. Dies ist erstaunlich besser als im Vorjahr. Nichtsdestotrotz ist es ein weiteres budgetäres Loch, das auf lange Sicht nicht hinnehmbar ist.
Da der Ukraine-Krieg aber zu ungeahnten Ausgaben führt, wird unser Staatsdefizit in diesem Jahr wohl deutlich höher ausfallen als erwartet. Die nun zu Beginn des Frühlings beschlossenen Maßnahmen kosten den Zentralstaat fast 900 Millionen Euro – vorerst. Das ist eine beachtliche Summe. Gleichzeitig sinken, aufgrund der konjunkturellen Abkühlung, die Einnahmen des Staates. So wurde die Wachstumsrate für 2022 von 3,5 Prozent auf 1,4 Prozent gesenkt.
In den beiden jüngsten Krisen hat die öffentliche Hand große Anstrengungen unternommen, um das Land und seine Menschen zu unterstützen. Die finanziellen Hilfen sind, wie von internationalen Organisationen gefordert, sozial zielgerichtet und befristet.
Unsicherheiten und Risiken bleiben an der Tagesordnung
Trotz aller Unsicherheiten, die unser makroökonomisches Umfeld derzeit prägen, dürfen unsere Staatsfinanzen keineswegs in eine Negativspirale geraten. Wir brauchen daher eine vernünftige Haushaltspolitik. Nicht nur wegen der Situation in der Ukraine, sondern auch, weil die internationale und europäische Steuerpolitik in den kommenden Jahren nicht zu unterschätzende Risiken in sich birgt. Man denke bloß an die vorgeschlagene „Unshell“-Richtlinie und deren potenzielle Auswirkungen auf die Soparfi-Gesellschaften in Luxemburg. Ganz abgesehen von einem generellen Abbremsen der Konjunktur, die uns als kleine und äußerst offene Volkswirtschaft besonders treffen kann.
Unüberlegte Steuersenkungen, die weder wirtschaftlich sinnvoll noch sozial selektiv, und daher ungerecht wären, müssten mit Schulden finanziert werden, die künftige Generationen zu schultern hätten. Dies wäre unverantwortlich. Denn in allen Entscheidungen müssen wir auch und besonders das Wohlergehen sowie die finanzielle Zukunft der Kinder und Jugendlichen im Blick behalten.
Hauptziel der derzeitigen Budgetpolitik ist es, den Kaufkraftverlust von Haushalten mit niedrigem und mittlerem Einkommen