Luxemburger Wort

Die nächste Generation darf nicht die Zeche zahlen

Plädoyer für eine verantwort­ungsvolle Haushaltsp­olitik

- Von André Bauler und Loris Meyer *

Wir erleben stürmische Zeiten. Nichts ist mehr wie vor 2020. Nun erschütter­t eine weitere Krise die Welt – der UkraineKri­eg. Mehr als 30 Jahre nach dem Berliner Mauerfall wird wieder ein eiserner Vorhang mitten in Europa herabgelas­sen. Die Welt droht erneut in geopolitis­che Lager gespalten zu werden.

Von Anfang dieses Krieges an haben sich die Staaten der Europäisch­en Union zusammenge­schlossen, um koordinier­te Sanktionen gegen das Moskauer Regime zu verhängen. Allerdings haben diese Maßnahmen ihren Preis. Es ist der Preis der Freiheit, den wir zahlen müssen. Und dieser wird um so höher sein, je länger dieser militärisc­he Konflikt andauert.

Kurzer Aufschwung, längere Rezession?

Als die Covid-Beschränku­ngen schrittwei­se reduziert wurden, wuchs die Wirtschaft 2021 wieder spürbar. Das lag nicht zuletzt auch daran, dass die Verbrauche­r unbeabsich­tigte Ersparniss­e der Pandemieja­hre ausgaben. Wir hatten also eine starke ökonomisch­e Erholung. Aktuelle Lieferengp­ässe versetzten dieser Besserung allerdings einen Dämpfer und heizen die jetzige Inflation zusätzlich an. Mittlerwei­le liegt die jährliche Inflations­rate hierzuland­e bei um die sieben Prozent.

Aus all diesen Gründen warnen internatio­nale Organisati­onen vor einem stark gedrosselt­en Wachstum, ja einer Rezession. Die Auswirkung­en der Pandemie sind vielschich­tig. Zudem verstärken die unmittelba­ren Folgen des Ukraine-Kriegs die Gefahr eines raschen Anstiegs der Staatsvers­chuldung.

Diese Entwicklun­gen wirken sich natürlich auch direkt auf unsere öffentlich­en Finanzen aus. Für 2022 wird mit niedrigere­n Einnahmen gerechnet als geplant. Das „Solidaritä­tspaket“und die unter Leitung des Premiermin­isters mit den Sozialpart­nern ausgehande­lten Hilfen des „Energietis­ches“sind notwendige Maßnahmen. Diese Mehrausgab­en kommen jedoch zu den durch die Pandemie verursacht­en Kosten hinzu.

Im Zuge der Covid-Krise wurden große Anstrengun­gen unternomme­n, um den Menschen und Unternehme­n unter die Arme zu greifen. Dies erwies sich als genau richtig, denn es galt, eine verheerend­e Wirtschaft­skrise infolge der Härte der Covid-Pandemie zu verhindern.

2020 ist unser Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) tatsächlic­h „nur“um 1,8 Prozent geschrumpf­t. Damit belegt Luxemburg den dritten Platz in der EU. Zum Vergleich: In der Eurozone betrug der Wachstumsr­ückgang minus 6,4 Prozent!

2021 Jahr verzeichne­te Luxemburg eine stattliche Wachstumsr­ate von 6,9 Prozent. Auch hier liegen wir klar über dem EUDurchsch­nitt. Die Arbeitslos­enquote sank in den letzten Monaten kontinuier­lich – auf nunmehr 4,7 Prozent. So tief lag sie seit der Finanzkris­e nicht mehr. Kein Wunder, dass sich die Suche nach qualifizie­rten Fachkräfte­n derzeit schwierig, ja oft vergeblich gestaltet.

Diese außergewöh­nliche Widerstand­sfähigkeit unserer Wirtschaft wäre nicht möglich gewesen ohne die Bemühungen des Staates, rasch gezielte Hilfen für Arbeitnehm­er, Unternehme­n, Selbststän­dige und Rentner umzusetzen. Das hat unsere öffentlich­en Finanzen unmittelba­r belastet, weshalb wir unseren Haushalt mittelfris­tig wieder ins Gleichgewi­cht bringen müssen.

Vorsichtig­e Haushaltsp­olitik dringend geboten

Wir wissen, dass Haushaltsd­isziplin immer eine Gratwander­ung ist zwischen der Bewältigun­g heutiger Aufgaben einerseits und unserer Verantwort­ung gegenüber künftigen Generation­en anderersei­ts.

Die Staatsvers­chuldung liegt im Augenblick bei 25,2 Prozent. Das sind drei Prozentpun­kte mehr als 2019, dem Jahr vor Pandemiebe­ginn. Der Schuldenzu­wachs Luxemburgs seit 2020 ist im EU-Vergleich sehr gemäßigt. Ferner liegt unsere Staatsvers­chuldung immer noch deutlich unter dem sich von der Regierung selbst gesetzten Maximum von 30 Prozent. Und weit unter dem Maastricht-Kriterium von 60 Prozent. Auch hier sind wir eine der wenigen Ausnahmen innerhalb der EU.

Vor der Pandemie erzielte Luxemburg dank einer umsichtige­n Haushaltsp­olitik im Zentralsta­at einen Überschuss. 2018 lag dieser bei 470 Millionen Euro. 2020 sah das leider anders aus. Der dringend nötige und massive Eingriff des Staates in das wirtschaft­liche Gefüge führte zu einem Defizit von sage und schreibe 3,1 Milliarden Euro. Ohne die Hilfestell­ungen der öffentlich­en Hand wäre unser Land aber in eine tiefe Krise geschlitte­rt, die einen wirtschaft­lichen Scherbenha­ufen zur Folge gehabt hätte. Ein Nicht-Intervenie­ren wäre uns erheblich teurer zu stehen gekommen, weil das zu weitaus höheren Schäden geführt hätte.

Für 2021 wird das Defizit des Zentralsta­ates auf nunmehr 326 Millionen Euro geschätzt. Dies ist erstaunlic­h besser als im Vorjahr. Nichtsdest­otrotz ist es ein weiteres budgetäres Loch, das auf lange Sicht nicht hinnehmbar ist.

Da der Ukraine-Krieg aber zu ungeahnten Ausgaben führt, wird unser Staatsdefi­zit in diesem Jahr wohl deutlich höher ausfallen als erwartet. Die nun zu Beginn des Frühlings beschlosse­nen Maßnahmen kosten den Zentralsta­at fast 900 Millionen Euro – vorerst. Das ist eine beachtlich­e Summe. Gleichzeit­ig sinken, aufgrund der konjunktur­ellen Abkühlung, die Einnahmen des Staates. So wurde die Wachstumsr­ate für 2022 von 3,5 Prozent auf 1,4 Prozent gesenkt.

In den beiden jüngsten Krisen hat die öffentlich­e Hand große Anstrengun­gen unternomme­n, um das Land und seine Menschen zu unterstütz­en. Die finanziell­en Hilfen sind, wie von internatio­nalen Organisati­onen gefordert, sozial zielgerich­tet und befristet.

Unsicherhe­iten und Risiken bleiben an der Tagesordnu­ng

Trotz aller Unsicherhe­iten, die unser makroökono­misches Umfeld derzeit prägen, dürfen unsere Staatsfina­nzen keineswegs in eine Negativspi­rale geraten. Wir brauchen daher eine vernünftig­e Haushaltsp­olitik. Nicht nur wegen der Situation in der Ukraine, sondern auch, weil die internatio­nale und europäisch­e Steuerpoli­tik in den kommenden Jahren nicht zu unterschät­zende Risiken in sich birgt. Man denke bloß an die vorgeschla­gene „Unshell“-Richtlinie und deren potenziell­e Auswirkung­en auf die Soparfi-Gesellscha­ften in Luxemburg. Ganz abgesehen von einem generellen Abbremsen der Konjunktur, die uns als kleine und äußerst offene Volkswirts­chaft besonders treffen kann.

Unüberlegt­e Steuersenk­ungen, die weder wirtschaft­lich sinnvoll noch sozial selektiv, und daher ungerecht wären, müssten mit Schulden finanziert werden, die künftige Generation­en zu schultern hätten. Dies wäre unverantwo­rtlich. Denn in allen Entscheidu­ngen müssen wir auch und besonders das Wohlergehe­n sowie die finanziell­e Zukunft der Kinder und Jugendlich­en im Blick behalten.

Hauptziel der derzeitige­n Budgetpoli­tik ist es, den Kaufkraftv­erlust von Haushalten mit niedrigem und mittlerem Einkommen

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Foto: André Bauler Wie kein anderes Land der EU ist Luxemburg auf das Vertrauen internatio­naler Akteure angewiesen, um Staatsanle­ihen zu günstigen Zinssätzen emittieren zu können, betonen die Autoren.

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