Als Luxemburg die Kriegswunden beseitigte
Rückblick auf den Wiederaufbau des Landes nach der Ardennenoffensive in Hosingen
Hosingen. Nach einer mehr als vierjährigen deutschen Gewaltherrschaft und der daran anschließenden Ardennenoffensive erlebte Luxemburg 1945 schließlich den Tag der Befreiung. Doch die Freude der Menschen hielt sich in Grenzen. Rund 5.700 Staatsbürger waren tot und das Land glich besonders im Norden und Osten einer wahren Trümmerlandschaft.
Knapp 18.000 Häuser und Wohnungen waren beschädigt, mehrere tausend davon waren nicht mehr bewohnbar. Gesprengte Brücken, unpassierbare Straßen, unterbrochene Stromleitungen, Ernteausfälle: Die Infrastruktur und die Versorgung mit dem Nötigsten waren vielerorts unzureichend, und in den ersten Nachkriegsmonaten gab es wenig koordinierte Hilfsmaßnahmen und Aufräumaktionen. Die Bevölkerung war bei den ersten Wiederaufbauversuchen auf sich allein gestellt.
Spannungen in der Bevölkerung
Erst im Dezember 1945 kam es zur Schaffung eines Koordinierungsgremiums, um den Wiederaufbau des Großherzogtums voranzutreiben. Vorrang hatten die wichtigsten Wirtschaftszweige und Transportwege. Viele Einwohner mussten allerdings weiterhin in notdürftig zusammengebastelten Barracken oder ihren zerstörten Häusern leben. Die Prioritätensetzung beim Wiederaufbau führte zu Spannungen in der Bevölkerung.
Der Wiederaufbau zielte aber nicht allein auf das Wiederherstellen der früheren Ortsbilder ab. Die staatlichen Urbanisierungspläne förderten ebenfalls den Ausbau von Infrastruktur, Grünflächen oder Wohngegenden. Dabei wirkten Politiker, Unternehmer, Architekten, Landwirte, ausländische Helfer, betroffene Bürger, aber auch Kriegsgefangene und politische Häftlinge mit. Es gab zwar immer wieder Reibereien zwischen den verschiedenen Akteuren, doch am Ende schaffte man es, trotz unterschiedlicher Interessen, gemeinsam die Kriegswunden zu beseitigen. Die Einweihung der Echternacher Basilika am 20. September 1953 wurde als symbolträchtiger Abschluss des nationalen Wiederaufbaus wahrgenommen.
Historische Fotos und Dokumente
Dennoch kommt die Zeit der „Rekonstruktion“in der Luxemburger
Geschichtsschreibung lediglich am Rande vor. Die frühe Nachkriegszeit wird nur bedingt erwähnt, dabei bestimmte der Wiederaufbau die Entwicklung des Landes über ein Jahrzehnt lang mit.
Um diesem Missstand zumindest ein wenig entgegenzuwirken, hat das nationale militärhistorische Museum aus Diekirch in Zusammenarbeit dem ebenfalls in Diekirch beheimateten Musée d'Histoire(s) nun die Wanderausstellung „Ons zerschloën Dierfer – Der Wiederaufbau Luxemburgs 1944 – 1960“zusammengestellt. Zu sehen sind eine ganze Reihe historischer Fotos und Dokumente mit Erklärungen in Deutsch und Englisch.
Derzeit wird sie in der Kirche in Hosingen gezeigt. Dies mit einem Teil, der sich ganz spezifisch mit dem Wiederaufbau der Dörfer aus den ehemaligen Gemeinden Hosingen, Hoscheid und Consthum befasst. Geöffnet ist noch bis zum 26. Juni jeden Tag von 9 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Lebendige Erinnerungskultur
Dass die Ausstellung vor mehreren weiteren Stationen ausgerechnet in Hosingen zu sehen ist, kommt nicht von ungefähr. Einerseits waren Hosingen und noch einige andere Ortschaften in der Umgegend extrem von der Ardennenoffensive
in Mitleidenschaft gezogen worden, andererseits herrscht schon seit jeher eine sehr lebendige Erinnerungskultur in der Gemeinde. Die seit 1994 allährlich in Hoscheid aus Anlass des Beginns der Ardennenoffensive am 16. Dezember 1944 organisierte Night vigil ist die bekannteste Erinnerungsveranstaltung in der ganzen Region.
Darüber hinaus will man in der Gemeinde die Erinnerungskultur noch weiter vertiefen. So soll in und um den Hosinger Wasserturm ein Memorial Park entstehen, mit einer permanenten Ausstellung über das Zerstörungswerk der Ardennenoffensive sowie den Wiederaufbau im Anschluss.
Vorträge und Besichtigung
Ergänzend zur Ausstellung werden auch zwei Vorträge in der Kirche organisiert. Ein erster von Sébastien Vecciato zum Thema „Reconstruction agricole et ravitaillement“am 10. Juni um 19.30 Uhr, ein zweiter von Olivier Felgen zum Thema „Das Sprengkommando: Struktur, Entwicklung, Einsatz“am 17. Juni um 19.30 Uhr. Außerdem steht eine geführte Besichtigung am 12. Juni um 15.30 Uhr auf dem Programm. Hierfür kann man sich noch bis zum 10. Juni unter der Telefonnummer 92 13 41 1 anmelden.
Des Weiteren haben junge Historiker in Zusammenarbeit mit dem Diekircher Militärmuseum einen facettenreichen Sammelband zum Thema der Ausstellung zusammengestellt. Das Werk kann zu jeder Zeit im Militärmuseum sowie bis zum Ende der Ausstellung auch im neuen Gemeindehaus in Hosingen abgeholt werden. Der Preis beträgt 34 Euro.