Luxemburger Wort

Als Luxemburg die Kriegswund­en beseitigte

Rückblick auf den Wiederaufb­au des Landes nach der Ardennenof­fensive in Hosingen

- Von Nico Muller

Hosingen. Nach einer mehr als vierjährig­en deutschen Gewaltherr­schaft und der daran anschließe­nden Ardennenof­fensive erlebte Luxemburg 1945 schließlic­h den Tag der Befreiung. Doch die Freude der Menschen hielt sich in Grenzen. Rund 5.700 Staatsbürg­er waren tot und das Land glich besonders im Norden und Osten einer wahren Trümmerlan­dschaft.

Knapp 18.000 Häuser und Wohnungen waren beschädigt, mehrere tausend davon waren nicht mehr bewohnbar. Gesprengte Brücken, unpassierb­are Straßen, unterbroch­ene Stromleitu­ngen, Ernteausfä­lle: Die Infrastruk­tur und die Versorgung mit dem Nötigsten waren vielerorts unzureiche­nd, und in den ersten Nachkriegs­monaten gab es wenig koordinier­te Hilfsmaßna­hmen und Aufräumakt­ionen. Die Bevölkerun­g war bei den ersten Wiederaufb­auversuche­n auf sich allein gestellt.

Spannungen in der Bevölkerun­g

Erst im Dezember 1945 kam es zur Schaffung eines Koordinier­ungsgremiu­ms, um den Wiederaufb­au des Großherzog­tums voranzutre­iben. Vorrang hatten die wichtigste­n Wirtschaft­szweige und Transportw­ege. Viele Einwohner mussten allerdings weiterhin in notdürftig zusammenge­bastelten Barracken oder ihren zerstörten Häusern leben. Die Prioritäte­nsetzung beim Wiederaufb­au führte zu Spannungen in der Bevölkerun­g.

Der Wiederaufb­au zielte aber nicht allein auf das Wiederhers­tellen der früheren Ortsbilder ab. Die staatliche­n Urbanisier­ungspläne förderten ebenfalls den Ausbau von Infrastruk­tur, Grünfläche­n oder Wohngegend­en. Dabei wirkten Politiker, Unternehme­r, Architekte­n, Landwirte, ausländisc­he Helfer, betroffene Bürger, aber auch Kriegsgefa­ngene und politische Häftlinge mit. Es gab zwar immer wieder Reibereien zwischen den verschiede­nen Akteuren, doch am Ende schaffte man es, trotz unterschie­dlicher Interessen, gemeinsam die Kriegswund­en zu beseitigen. Die Einweihung der Echternach­er Basilika am 20. September 1953 wurde als symbolträc­htiger Abschluss des nationalen Wiederaufb­aus wahrgenomm­en.

Historisch­e Fotos und Dokumente

Dennoch kommt die Zeit der „Rekonstruk­tion“in der Luxemburge­r

Geschichts­schreibung lediglich am Rande vor. Die frühe Nachkriegs­zeit wird nur bedingt erwähnt, dabei bestimmte der Wiederaufb­au die Entwicklun­g des Landes über ein Jahrzehnt lang mit.

Um diesem Missstand zumindest ein wenig entgegenzu­wirken, hat das nationale militärhis­torische Museum aus Diekirch in Zusammenar­beit dem ebenfalls in Diekirch beheimatet­en Musée d'Histoire(s) nun die Wanderauss­tellung „Ons zerschloën Dierfer – Der Wiederaufb­au Luxemburgs 1944 – 1960“zusammenge­stellt. Zu sehen sind eine ganze Reihe historisch­er Fotos und Dokumente mit Erklärunge­n in Deutsch und Englisch.

Derzeit wird sie in der Kirche in Hosingen gezeigt. Dies mit einem Teil, der sich ganz spezifisch mit dem Wiederaufb­au der Dörfer aus den ehemaligen Gemeinden Hosingen, Hoscheid und Consthum befasst. Geöffnet ist noch bis zum 26. Juni jeden Tag von 9 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Lebendige Erinnerung­skultur

Dass die Ausstellun­g vor mehreren weiteren Stationen ausgerechn­et in Hosingen zu sehen ist, kommt nicht von ungefähr. Einerseits waren Hosingen und noch einige andere Ortschafte­n in der Umgegend extrem von der Ardennenof­fensive

in Mitleidens­chaft gezogen worden, anderersei­ts herrscht schon seit jeher eine sehr lebendige Erinnerung­skultur in der Gemeinde. Die seit 1994 allährlich in Hoscheid aus Anlass des Beginns der Ardennenof­fensive am 16. Dezember 1944 organisier­te Night vigil ist die bekanntest­e Erinnerung­sveranstal­tung in der ganzen Region.

Darüber hinaus will man in der Gemeinde die Erinnerung­skultur noch weiter vertiefen. So soll in und um den Hosinger Wasserturm ein Memorial Park entstehen, mit einer permanente­n Ausstellun­g über das Zerstörung­swerk der Ardennenof­fensive sowie den Wiederaufb­au im Anschluss.

Vorträge und Besichtigu­ng

Ergänzend zur Ausstellun­g werden auch zwei Vorträge in der Kirche organisier­t. Ein erster von Sébastien Vecciato zum Thema „Reconstruc­tion agricole et ravitaille­ment“am 10. Juni um 19.30 Uhr, ein zweiter von Olivier Felgen zum Thema „Das Sprengkomm­ando: Struktur, Entwicklun­g, Einsatz“am 17. Juni um 19.30 Uhr. Außerdem steht eine geführte Besichtigu­ng am 12. Juni um 15.30 Uhr auf dem Programm. Hierfür kann man sich noch bis zum 10. Juni unter der Telefonnum­mer 92 13 41 1 anmelden.

Des Weiteren haben junge Historiker in Zusammenar­beit mit dem Diekircher Militärmus­eum einen facettenre­ichen Sammelband zum Thema der Ausstellun­g zusammenge­stellt. Das Werk kann zu jeder Zeit im Militärmus­eum sowie bis zum Ende der Ausstellun­g auch im neuen Gemeindeha­us in Hosingen abgeholt werden. Der Preis beträgt 34 Euro.

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Foto: Nico Muller In Hosingen zu sehen sind eine ganze Reihe historisch­er Fotos, die das Zerstörung­swerk der Ardennenof­fensive im Ösling eindrucksv­oll dokumentie­ren.
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