Luxemburger Wort

Das Beste aus zwei Welten kracht gehörig

ÖVP und Grüne schenken einander kräftig ein – Österreich­s Regierungs­koalition im Konfliktmo­dus

- Von Andreas Schwarz (Wien)

Es ist ein Satz, der picken bleibt und wohl auch picken bleiben soll – für die eigene Klientel. Für die österreich­ische Regierungs­koalition dagegen ist er ein Spaltpilz (einer von gerade vielen): Österreich „leidet“unter vielen Asylanträg­en und habe „bereits im ersten Jahresdrit­tel 16 000 Anträge“, die meisten davon von Afghanen und Syrern, sagte die junge Generalsek­retärin und „Frau fürs Grobe“der ÖVP, Laura Sachslehne­r, am Wochenende.

Seither toben die Grünen im Verbund mit Flüchtling­shelfern: Wie könne man angesichts des millionenf­achen Leids von Flüchtling­en und von Opfern im Krieg davon sprechen, dass Österreich­er „leiden“? Für die Grünen ist das

„Menschenve­rachtung“– ein starker Vorwurf an den Koalitions­partner.

Es bröselt bei Schwarz-Grün, wobei die stets blass wirkende, aber wie aufgezogen argumentie­rende ÖVP-Generalsek­retärin inhaltlich beziehungs­weise zahlenmäßi­g nicht Unrecht hat: 16.000 Asylanträg­e – und da sind die ukrainisch­en Flüchtling­e nicht mitgerechn­et, weil die gar keinen Antrag stellen müssen – sind ein Plus von 138 Prozent gegenüber 2021. Und im Vergleich zur Einwohnerz­ahl liegt Österreich damit auf Platz zwei hinter Zypern. Aber „leiden“? Das soll wohl die Wähler bei der Stange halten und den restriktiv­en Asyl-Kurs des früheren ÖVP-Kanzlers Sebastian Kurz fortsetzen – und der war ja nicht unerfolgre­ich.

Grüne Erfolge

Und den grünen Koalitions­partner aus der Reserve zu locken, das ist durchaus nicht unbeabsich­tigt: Zu sehr hat man sich in der Kanzlerpar­tei des Karl Nehammer zuletzt mit den Ökos ärgern müssen, auch wenn der Regierungs­chef gerne die Harmonie lobt und höchstselb­st ganz anders mit Grünen-Chef Werner Kogler & Co. umgeht als noch sein Vorgänger. Aber dass die heimliche Chefin der Grünen, die frühere Umweltakti­vistin und nunmehrige Verkehrsun­d Umweltmini­sterin Leonore Gewessler, unbeirrt lächelnd ein grünes Projekt nach dem anderen durchzieht, macht die bürgerlich­en Schwarzen unlocker.

Längst beschlosse­ne Straßenbau­projekte drehte sie mit einem Federstric­h ab (etwa den unglaublic­h wichtigen Lückenschl­uss einer Wien-Umfahrung, wo der Schwerverk­ehr in der Stadt erstickt, oder einer Nord-Süd-Verbindung in Kärnten/Steiermark); das Aus für Öl- und Gasheizung­en im privaten Wohnbereic­h 2035 beziehungs­weise 2040 ist auf Schiene; die Tiro

Den grünen Koalitions­partner aus der Reserve zu locken, das ist durchaus nicht unbeabsich­tigt.

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