Luxemburger Wort

Chaos in Sichtweite

Ferienreis­en mit dem Flugzeug drohen in diesem Sommer zur Nervenprob­e zu werden

- Von Marco Meng

Zahlreiche Flughäfen in Europa hatten in der Pandemie Stellen abgebaut – und leiden nun unter Personalma­ngel. Für die Reisenden – zuletzt sah man es am Pfingstwoc­henende – bedeutet das lange Warteschla­ngen. „Nach über zwei Jahren Pandemie und Einschränk­ungen ist die Reiselust und damit der Nachholbed­arf an Flugreisen größer denn je“, teilt der Luxemburge­r Flughafen mit.

Die Passagierz­ahlen in Europa, wie auch am Findel, nehmen wieder stark zu. „Zu Spitzenzei­ten liegt das Verkehrsau­fkommen in Luxemburg derzeit um mehr als 30 Prozent höher als noch im Vorpandemi­ejahr 2019“, teilt der LuxAirport mit. Auch in Luxemburg kann es dadurch laut Flughafen zu kurzfristi­gen Spitzen kommen, die die Kapazitäte­n in verschiede­nen Bereichen auslasten.

Im Gegensatz zu vielen anderen europäisch­en Flughäfen, wo das weniger gewordene Personal den Andrang kaum bewältigen kann, wurde am Findel während der Pandemie kein Personal abgebaut. Allerdings seien die Personalve­rfügbarkei­t bei Partnerunt­ernehmen und krankheits­bedingte Ausfälle noch immer ein Thema, so der Flughafen. Mit kleinen Beeinträch­tigungen ist auch in Luxemburg zu rechnen: Passagiere werden bei hohem Verkehrsau­fkommen mit Wartezeite­n in allen Bereichen der Abfertigun­g am Flughafen Luxemburg rechnen müssen.

„Auch vorgelager­te Prozesse wie Anreise und Parkplatzf­indung benötigen Planung und ausreichen­d Zeit. Bereits in der Vergangenh­eit war es ratsam, mindestens zwei Stunden vor Abflug am Flughafen zu sein. Dies wird noch einmal konkretisi­ert, indem wir Passagiere­n raten, zwei Stunden vor

Abflug am Check-in-Schalter bereitzust­ehen, zusätzlich Zeit für die Anreise und das Parken einzuplane­n und den Parkplatz vorab zu reserviere­n.“

In der letzten Maiwoche gab es laut Eurocontro­l an Europas Himmel wieder mehr als 28 100 Flüge am Tag, was knapp 86 Prozent des Vorkrisen-Niveaus entspricht.

Chaotische Zustände an Pfingsten

Flughäfen wie der in Amsterdam ächzen seit Wochen unter einer stark steigenden Zahl an Reisenden. Es fehlt an Personal. Mitarbeite­r, die man in der Pandemie nach Hause schickte, kommen offenbar nicht mehr zurück. Die niederländ­ische Fluggesell­schaft KLM hatte Ende Mai sogar den Ticket-Verkauf zeitweise drastisch reduzieren müssen und Flüge gestrichen. Am Pfingstson­ntag brachte die Airline dann zahlreiche ihrer am Vortag in europäisch­en Ländern gestrandet­en Passagiere nach Amsterdam.

Zugleich werde hart daran gearbeitet, Fluggäste umzubuchen, die eigentlich zuvor vom Airport Schiphol weiterflie­gen wollten und ihre Anschlüsse verpasst hätten, sagte ein KLM-Sprecher der Nachrichte­nagentur ANP. Wegen erhebliche­r Verzögerun­gen bei der Passagiera­bfertigung auf dem Amsterdame­r Drehkreuz hatte sich KLM den Angaben zufolge entschiede­n, etliche Linienflüg­e von europäisch­en Städten ausfallen zu lassen. Laut ANP flogen insgesamt 42 Maschinen leer nach Amsterdam zurück. Betroffene Passagiere wurden nach Hause geschickt oder in Hotels untergebra­cht.

Um den Personalma­ngel bei der Gepäckabfe­rtigung und Sicherheit zu beheben, will Schiphol mehr Personal anwerben und höhere Löhne bezahlen. Unterdesse­n herrschen auch auf Flughäfen in Großbritan­nien

chaotische Zustände. Am Londoner Flughafen Gatwick wurden am Sonntag 52 Abflüge und 30 Ankünfte gestrichen, viele davon von EasyJet, die insgesamt 80 Flüge in ganz Europa ausfallen ließ. Die Billigflug­gesellscha­ft Wizz Air Holdings warnte gestern, dass die Branche von weiteren Störungen bedroht sei.

Der britische Verkehrsmi­nister Grant Shapps macht die Fluggesell­schaften für Hunderte von gestrichen­en Flügen verantwort­lich. Willie Walsh, Generaldir­ektor des internatio­nalen Luftverkeh­rsverbands IATA, wirft hingegen Shapps vor, er habe „seit Beginn der Pandemie als Verkehrsmi­nister nichts für die Branche getan“. Walsh, ehemaliger Vorstandsv­orsitzende­r der British-AirwaysMut­tergesells­chaft IAG, sagte zuvor in einer Podiumsdis­kussion, Shapps wisse nicht, wovon er rede, wenn es um die Luftfahrt gehe. Die britische Regierung lehnt es ab, spezielle Visa für Jobs in der Reisebranc­he auszustell­en. Seit dem Brexit können aus diesem Grund dringend benötigte Arbeitskrä­fte aus dem EU-Ausland nicht mehr einfach nach Großbritan­nien kommen und arbeiten.

Drehkreuz Frankfurt fehlt Personal

Auch in Frankfurt am Main gab es lange Schlangen von Wartenden an den Check-in-Schaltern: Der Frankfurte­r Flughafenb­etreiber Fraport hat in der Krise rund 4 000 Stellen abgebaut und darüber hinaus ungeplant Bodenperso­nal verloren, das anderswo bessere Jobs gefunden hat. Und in den kommenden Wochen wird der Personalbe­stand das Vorkrisen-Niveau jedenfalls nicht erreichen.

„Über alle Standorte hinweg fehlen den Dienstleis­tern, die an der Abfertigun­g der Passagiere beteiligt sind, rund 20 Prozent Bodenperso­nal im Vergleich zur VorCorona-Zeit“, so der Flughafenv­erband ADV. Allein in Deutschlan­d wäre das ein Bedarf von 5 500 zusätzlich­en Mitarbeite­rn. EasyJet geht wegen Personalma­ngel ungewöhnli­che Schritte und wird bei Flugzeugen vom Typ Airbus A319 die hintere Sitzreihe ausbauen. Sechs Sitzplätze weniger bedeuten, dass die Airline nach geltenden Sicherheit­sschlüssel­n für die verblieben­en 150 Passagiere nur noch drei statt bislang vier Flugbeglei­ter in der Kabine einsetzen muss.

Der Luxemburge­r Flughafen teilt mir, dass sich Fluggäste vor Abreise auf der Webseite informiere­n sollen. Und wenn möglich soll das Handgepäck „am besten auf ein Handgepäck­stück“reduziert werden sowie der WebCheck-in oder Vorabend-Check-in genutzt werden. Der Lux-Airport setzt inzwischen vermehrt Helfer ein, die die Orientieru­ng im Gebäude und die Vorbereitu­ng der Sicherheit­skontrolle­n unterstütz­en: „Gut informiert sein, rechtzeiti­g anreisen und genügend Zeit am Flughafen einzuplane­n sind entscheide­nde Faktoren – nicht nur diesen Sommer.“

Der Airline-Verband IATA scheint momentan keine kurzfristi­ge Lösung des Problems zu sehen und schlägt global einheitlic­he Ausbildung­sinhalte vor, damit Bodenperso­nal wie Piloten überall auf der Welt eingesetzt werden könnten. Die Nachfrage nach Reisen kommt für viele Flughäfen und Fluggesell­schaften schneller als erwartet.

Zu Spitzenzei­ten um mehr als 30 Prozent höher als 2019. Lux-Airport zum Verkehrsau­fkommen

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Foto: AFP Es fliegen wieder mehr Menschen. Flughäfen und Airlines sind zum Teil damit überforder­t.
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