Luxemburger Wort

EU gewinnt im Steuerstre­it

London hat Unternehme­n unerlaubte Steuervort­eile verschafft

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Peter Stäuber (London)

Großbritan­nien hat vor dem europäisch­en Gerichtsho­f in Luxemburg eine Niederlage gegen die EU eingesteck­t. Das Gericht bestätigte, dass die britische Regierung multinatio­nalen Unternehme­n illegale Steuererle­ichterunge­n gewährt hatte. London ist angewiesen worden, von den betroffene­n Konzernen mehrere hundert Millionen Pfund zurückzufo­rdern. Die EU-Kommission hatte 2019 eine entspreche­nde Forderung gestellt, die britische Regierung klagte jedoch dagegen.

Es geht um die Regeln für sogenannte Controlled Foreign Companies (CFCs), also Unternehme­n, die nicht in Großbritan­nien ansässig sind, aber von dort aus kontrollie­rt werden. Diese Regeln erlauben es den britischen Steuerbehö­rden, jegliche Gewinne, die ein Konzern über eine ausländisc­he Tochterfir­ma abbucht, zu besteuern. Sie sind ein wichtiges Mittel, um der Steuerverm­eidung einen Riegel vorzuschie­ben.

Allerdings enthalten die britischen Vorschrift­en eine besondere Regel für multinatio­nale Konzerne: „Ein multinatio­nales Unternehme­n, das im Vereinigte­n Königreich tätig war und die Ausnahme in Anspruch nahm, konnte somit einem ausländisc­hen Konzernunt­ernehmen über eine Offshore-Tochterges­ellschaft Finanzmitt­el zur Verfügung stellen und auf die Gewinne aus diesen Geschäften nur niedrige oder auch gar keine Steuern zahlen“, schreibt die EU-Kommission.

Ende 2017 begann die EU ein Prüfverfah­ren, um festzustel­len, ob diese Steuerbefr­eiung für konzernint­erne Finanzieru­ngen vereinbar sei mit den EU-Vorschrift­en zur staatliche­n Beihilfe. Sie kam zum Schluss, dass sie manchen multinatio­nalen Unternehme­n einen Vorteil verschafft und somit gegen die EU-Regeln verstößt.

Im April 2019 wies die EU-Kommission Großbritan­nien an, die Gelder von den betroffene­n Unternehme­n

zurückzufo­rdern; darunter finden sich etwa die Londoner Börse.

Großbritan­nien investiert wieder mehr

Es ist nicht der einzige kommerziel­le Streit zwischen der EU und Großbritan­nien. Die Kommission darf noch drei Jahre lang vor dem EuGH gegen Großbritan­nien Klagen einbringen, solange es sich um Dispute handelt, die die Zeit vor dem Brexit betreffen. Vor einem Jahr etwa klagte die EU-Kommission wegen Steuervort­eilen in Gibraltar. Der Fall geht zurück auf Jahr 2012. Damals beschwerte sich die spanische Regierung, dass Unternehme­n im britischen Überseegeb­iet unlautere Steuervort­eile genießen.

Der Entscheid des Gerichts am Mittwoch kommt zu einer Zeit, zu der in Großbritan­nien heftig über Steuern gestritten wird. Gerade erst sind die Abgaben für die Sozialvers­icherung angehoben worden, der britische Rechnungsh­of schätzt, dass die Steuern für die britischen Haushalte in den kommenden Jahren so hoch sein werden wie zuletzt in den 1940er-Jahren. Auch Unternehme­n werden künftig stärker zur Kasse gebeten: Die Körperscha­ftsteuer soll nächstes Jahr von 19 auf 25 Prozent angehoben werden.

Dass all dies unter dem konservati­ven Schatzkanz­ler Rishi Sunak geschieht, der eigentlich lieber tiefe Steuern hätte, ist ein Hinweis auf eine Verschiebu­ng des ökonomisch­en Konsenses. Seit Jahren zeigen Umfragen, dass die Briten höhere Steuern befürworte­n, um für Investitio­nen in öffentlich­e Dienstleis­tungen zu bezahlen. Bereits im Wahlprogra­mm von 2019 hatte Boris Johnson dieser Entwicklun­g Rechnung getragen: Mit seinem Verspreche­n von erhebliche­n öffentlich­en Investitio­nen hat er sich langsam vom ThatcherMa­ntra des schlanken Staates verabschie­det.

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Foto: AFP Schatzkanz­ler Rishi Sunak: die Körperscha­ftssteuer steigt.

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