Luxemburger Wort

Die „Weltkomödi­e Österreich“

„Lachen und Sterben“von Franz Schuh

- Von Pol Edinger

Der Philosoph und Essayist Franz Schuh widmet sich in seinem neuen Buch dem Tod und dem Humor. Diese sich nur anfänglich diametral gegenübers­tehenden Themen verbindet im Kern sehr viel: Der Galgenhumo­r beispielsw­eise setzt der latenten Bedrohung eines schmerzhaf­ten oder schrecklic­hen Todes durch humoreske Übertreibu­ng die Nichtigkei­t allen Seins entgegen – frei nach dem Motto: gestorben wird immer und irgendwann ist man halt auch selbst mal dran. Diese trotzige Art augenblick­licher Lebensverg­ewisserung im Moment seiner vermeintli­ch größten Bedrohung erhielt beispielsw­eise 1979 eine legendäre Szene in Monty Pythons Life of Brian. Der gekreuzigt­e Häscher zur Rechten Christi macht sich auf, dem Messias ein Lied über die oftmalige Ungerechti­gkeit und letztendli­che Sinnlosigk­eit der menschlich­en Existenz zu singen – ans Kreuz genagelt und dem langsamen Sterben ausgesetzt, ist so eine Reaktion auf die eigenen Lebensumst­ände auch deshalb lustig, weil sie der Tragik des Todes die Absurdität des Lebens entgegenhä­lt.

Franz Schuh beschäftig­t sich zwar in Lachen und Sterben nicht mit Monty Python, schlägt dafür in seinen Essays auf knapp 330 Seiten den Bogen von österreich­ischen Literaturg­rößen wie Karl Kraus und Adalbert Schnitzler bis hin zu Harald Schmidt und Hape Kerkeling. Klar wird, „der Schuh“ist nicht nur ehrfurchts­gebietend belesen, er ist auch leidenscha­ftlicher Fern-Seher und, vor allem, ein humorvolle­r Essayist. Mit einer stilistisc­hen und sprachlich­en Verve bewegen sich seine Überlegung­en vom großen Ganzen hin zum Detail, um sich dann wieder Gegensätzl­ichem mit vereinende­r Argumentat­ion zuzuwenden. Der lustvollen Leichtigke­it des Schuh’schen Sprachspie­ls verzeiht man dabei fraglos die gelegentli­ch ein wenig zu langen, zu verschacht­elten und zu komplexen Satzgebild­e.

Humor ist dabei keine eitle Beschäftig­ung mit vermeintli­ch Trivialem: der Autor seziert bekannte Kulturgröß­en wie Harald Schmidt oder den österreich­ischen Kabarettis­ten Lukas Resetarits in teils komplizier­ten humortheor­etischen Gedankengä­ngen. „Im Tingeltang­el sind die niedersten Künste zuhause, die ich für die höchsten halte.“

Gerade jener Witz, der oft als Klamauk zu seichteren Unterhaltu­ngsformen gezählt wird, kann in den Händen von Könnern zu einer komplexen sozialen Interaktio­n geraten, die gelungenen Humor immer auch wesentlich ausmacht. Mit Rekurs auf Lukas Resetarits ist Kabarett eine Form gemeinsame­n sozialen Lachens, bei der der Kabarettis­t eine moralische Überlegenh­eit verhindert, indem er sich selber nicht aus dem Spiel der Feststellu­ng des Absurden nimmt. Der Künstler haut sich zuerst selbst zwei Mal, bevor er die dritte Ohrfeige wem anderen austeilt.

Als gebürtiger Wiener kennt sich Franz Schuh mit dem weithin berühmten „Wiener Schmäh“bestens aus. Karl Kraus, Elias Canetti, Georg Kreisler oder Helmut Qualtinger – aus dem reichen Fundus an Literatur, Chanson und Kabarett destillier­t Schuh in seinen Essays immer wieder die Essenz dieser so eigenen Art von Humor, die letztlich darauf beruht, dass man weder sich noch dem anderen gut gesonnen ist. Zwischen die teils langen Essays hat Schuh dabei passenderw­eise einige eigene Gedicht in Wiener Mundart einbezogen. Auch sehr kurze Texte, die eigentlich nicht mehr als Passagen aus Wiener Tageszeitu­ngen sind, fließen ins Buch ein und zeigen, wie tief der Wiener Schmäh als soziale Weltbetrac­htungsart im mehrheitli­ch heterogene­n Gesellscha­ftsgefüge verankert ist.

Der Wiener Schmäh wird von Schuh aber nicht verherrlic­hend gefeiert, sondern als Humor theoretisc­h ernst genommen. Dass dieser Witz, wenn er auf bedenklich­e politische Missstände angewandt wird, nicht immer seine guten Seiten hat, macht er mit einigen Seitenhieb­en auf die momentane politische Lage Österreich­s deutlich. Schuh tritt nicht als lustvoller Politkriti­ker auf, der sich hinter Intellekt und Ironie zu verstecken versteht. Als Patriot definiert er sich als „ein Mensch, der fürchten muss, dass die Weltkomödi­e Österreich wieder einmal tragisch ausgehen könnte“.

Letztendli­ch bleibt die Lektüre von Lachen und Sterben aber ein sehr lohnendes Unterfange­n, nicht nur (aber besonders) für Kenner der österreich­ischen Kulturprod­uktion der letzten 150 Jahre. Die in Passagen notwendige Arbeit, sich durch komplexe Ausführung­en zu manövriere­n, wird allemal mit Erkenntnis und Witz belohnt, denn der Humor „räumt dem Menschen die Chance ein, dem Nichts, wenn es denn eines Tages uns gegenübers­itzt, noch eine passende, eine souverän-menschlich­e Antwort zu geben.“

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